Es hätte auch ECHO-KAMMER HEUTE heißen können ...



Klaus Jürgen Schmidt

 
Nienburg/Weser (Weltexpresso): ... oder ECHO-KAMMER WAS NUN, HERR LASCHET, die ZDF-Sendung, in der ein sonnengebräunter Peter Frey sich alle Mühe gab, dem neuen CDU-Vorsitzenden all das vorzuhalten, was die Straße dem CDU-Gesundheitsminister anlasten möchte.
Von eigener Investigation keine Spur.






Als ich ab 1962 bei Radio Bremen das Handwerk eines Nachrichten-Redakteurs lernte, endete das in den folgenden zehn Jahren oft mit Abmahnungen und sogar mit der Androhung einer Kündigung.

Das kann man alles nachlesen in meinem kürzlich erschienenen Buch „Wie ich lernte, die Welt im Radio zu erklären“.


Geschützt hatte mich die solidarische Haltung von Kolleginnen und Kollegen im seinerzeit ersten in einem Landesmedien-Gesetz festgeschriebenen „Redakteurs-Ausschuss“. Dieser Ausschuss war in langen Debatten erkämpft worden, in Debatten über unser Sebstverständnis als Informationsvermittler, in Debatten mit den Funkhaus-Hierarchen, die schon damals gerne ihre Wimpel in parteipolitische Windrichtungen flattern ließen.

Aber wir hatten auf unserer Arbeitsebene auch etwas, das uns diese Debatten erlaubte: Wir hatten gute und feste Gehälter, die es möglich machten, unsere Freizeit dafür zu opfern!

Ich bin Mitglied im Bremer Presseclub, der heute kaum noch Journalisten anzieht. Die müssen auch noch in ihrer freien Zeit rackern, die wenigsten sind noch fest angestellt, die meisten sind frei.

FREI?

Wie bin ich darauf gekommen, das heute aufzuschreiben? In der neuen Ausgabe von „Le Monde diplomatique“ las ich den Beitrag von Serge Halimi und Pierre Rimbert: „Journalismus als Kulturkampf - Neue und alte Medien und das Geschäft mit der Aufregung“ ...

... und auf der Internetseite von „tagesschau.de“ las ich gestern einen Beitrag von Corinna Emundts, seit Februar 2013 verantwortliche Koordinatorin und Korrespondentin für tagesschau.de im ARD-Hauptstadtstudio. Der ins Auge springende Titel: „Es wird einsamer um Spahn“ und weiter: „Er wurde lange als CDU-Hoffnungsträger gehandelt, seine Ernsthaftigkeit in der Corona-Krise schien ihm dabei zu nutzen. Doch inzwischen bröckelt Spahns Image mehr und mehr.“

HALT!

Ich merke, es ist ja gar kein Artikel, es ist der Beginn einer Serie von Twitter-Aufregern, und auf „tagesschau.de“ kann ich mich dazu nur äußern, wenn ich zu Corinna Emundts auf die Twitter-Schwalbe steige. Aber, Moment, da ist ja ganz unten noch das Kuvert-Zeichen, das ja meistens einen eMail-Link anklicken lässt. Angeklickt, und es erscheint:

Ich werde also angeregt, weiterzuverbreiten, dass „tagesschau.de/Inland/Innenpolitik“ meint, es werde einsamer um Spahn!

Das meinte kürzlich auch ein alter Bekannter, der sogar noch einen Schritt weiterging und den von ihm früher als möglichen Kanzler-Kandidaten wertgeschätzten Gesundheitsminister dafür verantwortlich machte, die Pandemie nicht in den Griff zu kriegen, ganz anders als in anderen Ländern. In welchen? Keine Antwort. ...

„Journalismus als Kulturkampf - Neue und alte Medien und das Geschäft mit der Aufregung“. In „Le Monde diplomatique“ hatten Serge Halimi und Pierre Rimbert nachgewiesen, dass Medien in zunehmendem Maße zu „Echo-Kammern“ werden, indem sie u.a. den Mechanismus sogenannter sozialer Medien übernehmen, das zu verbreiten, was die Mehrheit der Kunden für richtig hält und selber weiterverbreitet.

Bedenklich dabei ist, dass immer häufiger durch neues Personal in den Führungsetagen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, und eben auch bei dem für die „Tagesschau“ zuständigen NDR, offenbar ein Journalismus gefördert wird, der auf Twitter, Instagram, Podcast ... und auf alle möglichen Apps setzt. Und das in der Sorge, eine heranwachsende Generation als Publikum zu verlieren.

Und in der Tat: Statistiken weisen nach, dass immer weniger junge Menschen lineare Programme im Radio oder im Fernsehen verfolgen. Sie holen sich auf's Smartphone, was sie mögen, was sie bestätigt, was sie auf keinen Fall zu Abweichlern von gängiger Moden und gängigen Denkmodellen machen soll.

Wenn die „Tagesschau“ zur Echo-Kammer wird, wenn immer mehr Kultur-Programme dem vermuteten Mehrheitsgeschmack angepasst werden, wenn Radio und Fernsehen immer mehr Produktionen abschieben in Internet-kompatible, oft schon außerhalb der eigenen Verantwortung angesiedelte Medienfirmen, wenn es schon niemandem mehr auffällt, dass professionelle Sportvereine ARD- und ZDF-Reporter nur noch zu Pressekonferenzen einladen, wenn hinter, auf und vor den zu Befragenden die Botschaften ihrer Werbepartner blinken, dann könnte es brenzlig werden bei der Frage: Was macht der öffentlich-rechtliche Rundfunk anders als die privaten Medien?

Was er anders machen muss: Das Geld der Gebührenzahler gerade JETZT in Training, Förderung und tariflich abgesicherter Beschäftigung unabhängiger, investigativer, multikultureller, kreativer Journalisten investieren!


Fotos:
© ARD