Ein Querdenker aus KasselDie Tumulte in Kassel offenbarten, wer dort und anderswo die Infektionen hochtreibt

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Mann, der irren Blickes in die TV-Kamera stierte und sich Verschwörungsfantasien aus dem Leib schrie, war allem Anschein nach ein typischer Corona-Leugner.

Ein anderer, dessen politisches Statement vom hr-Fernsehen festgehalten wurde, belegt die These, dass Hass hässlich macht. Er lebe seit einem Jahr in einer Corona-Diktatur, beschwerte sich der Mann, dessen Physiognomie an einen Henkersknecht erinnerte. Grobschlächtigkeit, welche die Brutalität erahnen lässt, zu der er fähig sein könnte. Diese vermeintlichen Querdenker geben sich als kritische Staatsbürger aus, versuchen, ihre tatsächlichen Charaktereigenschaften zu verbergen. Wollen darüber hinwegtäuschen, dass sie Quertreiber, Beckmesser und Stänkerer sind. Dass sie das Leben der anderen gefährden und bedrohen. Kriminelle, unfähig zur Solidarität, unfähig zum Diskurs, unfähig zur Demokratie.

Und vor solchen Chretiens haben Politiker Angst? Wurde wegen des Wutgeheuls aus diesen Kreisen im Sommer letzten Jahres der anfangs erfolgreiche Lockdown gegen null gefahren? Wurde deswegen dem Hedonismus von Banausen stattgegeben, die auf Mallorca ihren Frust verdrängen wollten und dadurch dazu beitrugen, dass das Virus wieder mobil wurde? Erleben wir darum einen ständigen Wechsel von Einschränkungen und Lockerungen, verbunden mit Versuchen der Politikerkaste, die Bedrohung mittels Verweisen auf regionale Besonderheiten zu relativieren? Warum müssen Politiker Verständnis äußern für solche, die sich um ihren Verstand gebracht haben? Pluralismus in Ehren, aber ein Pluralismus, der den Feinden des Lebens Zugeständnisse macht, ist eine Straftat.

Eines steht fest: Die Würde des Menschen, die an die Existenz von lebenden und selbstbestimmten Bürgern geknüpft ist, wird nicht mehr im notwendigen Umfang geschützt. Immerhin sind in Deutschland bis jetzt über 70.000 Menschen an der Seuche gestorben. Wegen des Mobs, den der Unverstand hervorgebracht hat, knüppeln Polizisten bei Krawallen der Leugner auf Achtsame und Besonnene ein, verkennen Polizeiführer die tatsächliche Lage und irrt der hessische Innenminister von einer Fehleinschätzung zur nächsten.

Es ist höchste Zeit, dass die Politik Zeichen setzt, dass sie politisch wird. Die Bevölkerung bedarf klarer Signale, schließlich geht es letztlich um alles, um alles, was das Leben positiv ausmacht. Ministerpräsidenten, die zunächst einen Schritt vorangehen und kurz darauf zwei Schritte zurück machen, wirken demoralisierend. Und erweisen sich als Katalysator für die Corona-Pandemie, anstatt ihr alles, was verfügbar ist, entgegenzusetzen.

Das Virus benötigt zu seiner Entfaltung einen Wirt, nämlich den Menschen. Folglich muss ihm dieser Wirt entzogen werden. Durch Kontaktbeschränkungen, Abstand halten, Maske tragen, Hygiene und Lüftung geschlossener Räume. Unter Räumen sind auch Schulen und Kindertagesstätten zu verstehen. Zusätzlich durch ein engmaschiges Netz von Testungen. Und durch ein schnelles Impfen; 60 Millionen Menschen in den kommenden sechs Wochen. Dann hätten wir Ruhe. Ruhe vor der Infektion und vor den Corona-Luden und Corona-Schlampen der Verweigerungsfront.

Vorbei wäre die Bedrohung dann leider noch nicht. Denn in Brasilien droht das Virus in einer Weise zu mutieren, gegen welche die derzeit verfügbaren Vakzine nicht helfen könnten. Falls nicht unverzüglich die Bevölkerung durchgeimpft würde, entwickelte sich dort eine Katastrophe mit Folgen für die gesamte Welt. Ähnlich wie in Deutschland und seinen Nachbarländern besteht die Gefahr aus zwei Teilen: Einerseits aus dem Virus und andererseits aus Ignoranten, die seiner Bekämpfung bewusst im Wege stehen. In Brasilien riskiert der Rechtsextremist Bolsaro die Verseuchung seines Volkes. Der Kampf gegen Corona ist notwendigerweise auch einer gegen Dummheit und politische Machthaber, die auf Einfalt setzen.

Foto:
Ein Querdenker aus Kassel – irre und gefährlich
© hr-Fernsehen