Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Im Zentrum der Diskussionen steht Oded Goldreich vom Weizmann-Institut, Rechovot, der den Preis in der Kategorie Mathematik und Computerwissenschaften hätte erhalten sollen. Daraus wurde aber nichts. Ein Sieg von Rechts über Links? Oder gibt es in der Kontroverse nur Verlierer? – Der Text basiert auf Auszügen aus einem «Haaretz»-Artikel der Journalistinnen Juy Malz und Allison Kaplan Sommer.
Mit dem Israel-Preis, der höchsten kulturellen und akademischen Ehrung des Landes, werden in der Regel die grössten Erfolge und die respektiertesten Köpfe des Landes ausgezeichnet. Dieses Jahr aber wurde, und dies nicht zum ersten Mal, die Feststimmung von einer Kontroverse überschattet, die ein grelles Licht wirft auf eine weniger attraktive Seite des Landes: Auf seine tiefen und anhaltenden politischen Spaltungen.
An der diesjährigen Zeremonie wurde Goldreich mit keinem Wort erwähnt, obwohl doch das Selektionskomittee des Israel-Preises ihn auserwählt hatte, die Auszeichnung für 2021 in Mathematik und Computerwissenschaften zu erhalten. Der Grund: Die Behauptung von Erziehungsminister Yoav Gallant, dass Goldreich die Boykott-, Sanktions- und anti-Investitionsbewegung BDS gegen Israel unterstütze. Das wiederum veranlasste Kabinettsmitglieder des Likuds, die Preisverleihung an Goldreich zu verweigern.
Gallant, der den Israel-Preis als die «prestigeträchtigste Ehre», bezeichnete, die Israel zu vergeben habe, folgerte: «Wem der Staat Israel und seine Gesetze nicht nahe zu seinem Herzen ist, verdient den Israel-Preis nicht». «Goldreich mag», so fuhr er fort, «ein brillanter Wissenschafter» sein, doch wer die BDS-Bewegung unterstütze, der «spuckt dem Sraat Israel und der israelische Akademie ins Gesicht, und könnte vielleicht sogar das Gesetz verletzen».
Goldreich seinerseits erklärte öffentlich, dass er BDS nicht unterstütze, obwohl er ein ausgesprochener Gegner der Besetzung und der Siedlerbewegung in der Westbank sei. «Würde ich BDS unterstützen, hätte ich nicht zugestimmt, den Preis anzunehmen, sondern hätte ihn boykottiert», entgegnete der Professor Minister Gallant. Er kritisierte die Ansicht des Erziehungsministers als «politische Verfolgung», mit der die Linke delegitimiert werden sollte. Der Erziehungsminister suche, sagte Goldreich weiter, nach Argumenten, mit denen die Verweigerung des Preises an ihn wegen seinen linken Ansichten zu rechtfertigen sei. Gallant wiederum nannte einen Brief von 2019, in dem der Professor das deutsche Parlament aufforderte, ein Gesetz nicht zu verabschieden, das BDS als antisemitisch charakterisiert hätte. «Wir sollten gegen jede antisemitische Äusserung und Handlung protestieren, egal, ob sie von Unterstützern von BDS stammen oder nicht», heisst es in dem Brief. BDS als solches sei aber nicht antisemitisch, weshalb Goldreich in dem Brief das Recht jeder Person oder Organisation verteidigte, die Bewegung zu unterstützen.
Viele Leute interpretierten den Brief eher als eine Verteidigung der Freiheit der Ausdrucksweise als eine explizite Unterstützung für die BDS. Sie nannten den Brief ein «schwaches Argument», um Goldreich den Preis zu verweigern. In der Folge versorgte jedoch die rechtsgerichtete Gruppe «Im tirzu» (wenn Ihr wollt) Gallant mit weiterer Munition. Als Beweis für Goldreichs angebliche Unterstützung eines Israel-Boykotts wies die Gruppe auf die Tatsache hin, dass der Professor im vergangenen Monat zusammen mit hunderten Akademikern aus aller Welt die Europäische Union aufgefordert hatte, keine Projekte zu finanzieren, die mit der Ariel Universität affilliert seien. Diese israelische Uni steht in der Westbank-Siedlung Ariel. Gallant erklärte, er würde keinen «Boykott-Unterstützer» sehen wollen, wie er am Unabhängigkeitstag von Staatsoberhäuptern einen Preis erhalte.
Rund um den Israel-Preis hat es schon mehrere Male Kontroversen gegeben, meistens aus politischen Motiven. So disqualifizierte 2015 der damalige Vize-Erziehungsminister Binyamin Netanyahu drei Mitglieder der Preis-Jury wegen deren linksgerichteter Ansichten. 2017 löste die Ankündigung, dass der umstrittene rechtslastige Aktivist David Beeri einen Israel-Preis erhalten würde, einen Sturm der Entrüstung auf der Linken aus. Beeri war der Gründer von «Elad», einer Organisation, die den Kauf von Liegenschaften für jüdische Einwohner in den muslimischen Vierteln von Ost-Jerusalem fördere. 1993 hatte der verstorbene Rabbi Yeshayahu Leibowitz ebenfalls einen Israel-Preis erhalten. Leibowitz war umstritten, weil er israelische Soldaten zur Befehlsverweigerung aufgefordert hatte. Deshalb drohte der damalige Premier Yitzchak Rabin damit, die Zeremonie zu boykottieren. Aus diesem Grund beschloss Leibowitz, auf den Preis zu verzichten. Weitere Preisverweigerer waren unter anderen neben David Ben-Gurion, yuval Neeman letztens auch Yehuda Meshi-Zahav.
Als jüngste Beispiele reihten sich Präsidenten israelischer Universitäten in die Reihe der Prominenz ein, die gegen die Politik protestierte, die mit der Verleihung des Israel-Preses getan wurde. In einem Brief an Gallant hiess es unter anderem: «Einer Person einen Preis vorzuenthalten wegen seiner politischer Prinzipien, widerspricht den grundlegenden Prinzipien des Israel-Preises und beeinträchtigt aufs Schärfste die Rede- und Gedankenfreiheit. Ihr Entscheid schafft den schwierigen Eindruck, dass nur «linientreue» Menschen belohnt werden. Jeder, der es wagt, eine politische Meinung ausserhalb des Konsens zu äussern, wird dagegen bestraft».
Foto:
Oded Goldreich fehlt unter den diesjährigen Israel-Preisträger
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 16. 4. 2021
Viele Leute interpretierten den Brief eher als eine Verteidigung der Freiheit der Ausdrucksweise als eine explizite Unterstützung für die BDS. Sie nannten den Brief ein «schwaches Argument», um Goldreich den Preis zu verweigern. In der Folge versorgte jedoch die rechtsgerichtete Gruppe «Im tirzu» (wenn Ihr wollt) Gallant mit weiterer Munition. Als Beweis für Goldreichs angebliche Unterstützung eines Israel-Boykotts wies die Gruppe auf die Tatsache hin, dass der Professor im vergangenen Monat zusammen mit hunderten Akademikern aus aller Welt die Europäische Union aufgefordert hatte, keine Projekte zu finanzieren, die mit der Ariel Universität affilliert seien. Diese israelische Uni steht in der Westbank-Siedlung Ariel. Gallant erklärte, er würde keinen «Boykott-Unterstützer» sehen wollen, wie er am Unabhängigkeitstag von Staatsoberhäuptern einen Preis erhalte.
Rund um den Israel-Preis hat es schon mehrere Male Kontroversen gegeben, meistens aus politischen Motiven. So disqualifizierte 2015 der damalige Vize-Erziehungsminister Binyamin Netanyahu drei Mitglieder der Preis-Jury wegen deren linksgerichteter Ansichten. 2017 löste die Ankündigung, dass der umstrittene rechtslastige Aktivist David Beeri einen Israel-Preis erhalten würde, einen Sturm der Entrüstung auf der Linken aus. Beeri war der Gründer von «Elad», einer Organisation, die den Kauf von Liegenschaften für jüdische Einwohner in den muslimischen Vierteln von Ost-Jerusalem fördere. 1993 hatte der verstorbene Rabbi Yeshayahu Leibowitz ebenfalls einen Israel-Preis erhalten. Leibowitz war umstritten, weil er israelische Soldaten zur Befehlsverweigerung aufgefordert hatte. Deshalb drohte der damalige Premier Yitzchak Rabin damit, die Zeremonie zu boykottieren. Aus diesem Grund beschloss Leibowitz, auf den Preis zu verzichten. Weitere Preisverweigerer waren unter anderen neben David Ben-Gurion, yuval Neeman letztens auch Yehuda Meshi-Zahav.
Als jüngste Beispiele reihten sich Präsidenten israelischer Universitäten in die Reihe der Prominenz ein, die gegen die Politik protestierte, die mit der Verleihung des Israel-Preses getan wurde. In einem Brief an Gallant hiess es unter anderem: «Einer Person einen Preis vorzuenthalten wegen seiner politischer Prinzipien, widerspricht den grundlegenden Prinzipien des Israel-Preises und beeinträchtigt aufs Schärfste die Rede- und Gedankenfreiheit. Ihr Entscheid schafft den schwierigen Eindruck, dass nur «linientreue» Menschen belohnt werden. Jeder, der es wagt, eine politische Meinung ausserhalb des Konsens zu äussern, wird dagegen bestraft».
Foto:
Oded Goldreich fehlt unter den diesjährigen Israel-Preisträger
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 16. 4. 2021