WAS KANN DA HELFEN?

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Medienschaffende in Guinea-Bissau stehen immer mehr unter Druck. Erst kürzlich wurden zwei Journalisten entführt und brutal misshandelt. Systematische Entführungen, Drohungen, Einschüchterungen und Misshandlungen gefährden das Leben, die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten. Das macht auch die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen deutlich, die Guinea-Bissau auf Platz 94 von 180 listet. Die Regierung droht außerdem damit, private Radiosender zu schließen. 

Der Bremer Afrika-Experten Klaus von Freyhold erinnerte sich an meine Arbeit mit afrikanischen Kolleginnen und Kollegen bei "Radio Bridge Overseas". Er schickte mir diesen Hinweis des Weltfriedensdienstes ...


... und er fragte: „Kann Radio-Bridge da etwas initiieren?“ Ich bat ihn, diese – nicht bloß für Guinea-Bissau geeigneten – Erkenntnisse und Empfehlungen weiterzuleiten:


NEUN THESEN ZUR ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN FÖRDERUNG VON MEDIEN

1. Förderung zur Entwicklung von Medien ist konstitutiver Bestandteil eines entwicklungspolitischen Konzepts, das behauptet, es gäbe Hilfsbedürftige und diesen könne kompetent und sogar selbstlos geholfen werden.

2. Dieses einseitig von sogenannten Gebergesellschaften definierte entwicklungspolitische Konzept erhebt zugleich den Anspruch, in sogenannten Nehmergesellschaften demokratische Werte zu entwickeln oder sogar zu verankern.

3. Alle organisierten Initiativen, die diesem entwicklungspolitischen Konzept folgen, also auch solche zur Medienförderung, sind tatsächlich nichts anderes als unterschiedliche Arten von Geschäftsmodellen der sogenannten Gebergesellschaften.

4. Wie in allen anderen Sektoren entwicklungspolitischer Aktivitäten sollen auch bei der Medienförderung konstitutive Merkmale von Gebergesellschaften, also hauptsächlich marktwirtschaftliche Strukturen, in den Nehmergesellschaften etabliert werden.

5. Seminare, Workshops und andere Maßnahmen der Medienförderung sind nicht Instrumente interkulturellen Austausches, sondern Gelegenheit, in Nehmer-Gesellschaften Agenten eines Wandels zu schulen, der ihnen Werte und Kompetenz der Gebergesellschaften als dominant und deshalb als erstrebenswert erscheinen lässt.

6. Bei dieser Förderarbeit wird weitgehend ausgeblendet, dass sich die marktwirtschaftlich organisierten Strukturen in den Gebergesellschaften, und damit deren Medien selbst, in einer dramatischen Krise befinden.

7. Es wird ferner ausgeblendet, dass es in den Nehmergesellschaften Kommunikationsformen gibt, die unter Verwendung kostengünstiger moderner Technologien zu einer Revitalisierung traditionellen Geschichtenerzählens und damit zu Medienformaten führen können, die von Strukturen und Ideologien der Gebergesellschaften unabhängig sind.

8. Medienförderer sind aufgerufen, sich in erster Linie mit solchen traditionellen Kommunikationsstrukturen vertraut zu machen und deren Protagonisten, falls gewünscht, beim Erlernen technologischer Fertigkeiten zu helfen.

9. Dann kann vielleicht als Grundvoraussetzung allen Handelns erkannt werden, dass es sich bei den sogenannten Nehmer-Gesellschaften auf Dauer um Überlebens-Gesellschaften handelt, die Agenten aus der Welt von Erlebnis-Gesellschaften nicht brauchen.

ÜBERLEGUNGEN ...

... zu Möglichkeiten einer inhaltlichen und finanziellen Sicherung lokaler Medien-Häuser oder Community-Multimedia-Initiativen:

Das erste Schlüsselwort ist: Rückkehr zur "Vermittlung journalistischer Qualifikation" durch Eigenanstrengung und durch internationale "Medienhilfe". (siehe www.radiobridge.net/rbomanual)


Das zweite Schlüsselwort ist "Community", das dritte: "Multimedia".

Aufbau und Betrieb attraktiver lokaler Medien-Initiativen:

"Multimedia" heißt in diesem Zusammenhang: Zusammenführung medialer Produktionsprozesse zu neuartiger kommunaler Kultur-Produktion in Verantwortung demokratisch regulierter Vor-Ort-Initiativen.

Wie oben bereits dargelegt, scheint mir die Abkehr von der Vorstellung erforderlich, der Aufbau einer funktionierenden Medienlandschaft (sprich Interaktion) müsse sich überall an den Mustern nördlicher Medienstrukturen orientieren.

Vielmehr wären vor Ort ganz andere Orte interaktiver Kommunikation zu nutzen:

 Gemeindehäuser (Community Halls)

Gemeindebibliotheken

Lokale Bildungseinrichtungen

Lokale Museen

Lokale Tourismus- und Produkt-/Kunsthandwerks-Anbieter

Lokale IT-Anbieter

EINE ANDERE ART VON MEDIENHILFE

Man stelle sich vor: "Medienhilfe" aus der Nordwelt offeriert Schülern an Orten der Südwelt die Möglichkeit, die virtuelle Welt des Web zu meistern. Mit Hilfe lokaler IT-Anbieter (die gerne damit werben dürfen!) etablieren diese an ihrer Schule einen Service, der – gegen Entgelt – der lokalen Gemeinde den Kontakt zu Familienmitgliedern in der Diaspora z.B. per SKYPE ermöglicht.

Nützliche Veröffentlichungen aus dem Internet zur Politik- und Ökonomie-Entwicklung übersetzen sie – gegen Entgelt – in die lokale Sprache.

Lokale aktuelle und kulturelle Ereignisse werden per Handy-Video aufgezeichnet, mit lokal antrainiertem know-how montiert und z.B. in einer wöchentlichen Beamer-Show im lokalen Gemeindezentrum – gegen Entgelt – vorgeführt. Und lokale Unternehmer, vom Bäcker bis zum Bestatter, zahlen für Werbe-Einblendungen.

Schließlich haben die herangewachsenen Schüler (mit internationaler Medien-Hilfe) gelernt, Geschichten aus ihrer Welt so zu erzählen, dass Surfer, Hörer, Zuschauer in der Außenwelt bereit sind, dafür einen kleinen Beitrag zu zahlen. Vielleicht schaffen sie es sogar, auf faire Weise per Internet das zu "vermarkten", was ihre Region offeriert: Farm-Produkte, touristische Ziele für Reisende "ohne footprint", Kunst & Kunsthandwerk, Autoren & darstellende Künstler ... Es gibt nationale Organisationen in der Nordwelt, aber auch UN-Organisationen, die solche Initiativen von "Kleinunternehmern" in der Südwelt fördern.

Am Ende stünde, vielleicht, eine neue Art von Kleinunternehmern, die mit lokalem Medien-Angebot Geld verdienen?

"Medienförderung" würde so zu einem neuen Begriff.

Foto:
© KJS / RBO / WFD

Info:
https://wfd.de/guinea-bissau-pressefreiheit-bedroht
https://wfd.de/thema/guinea-bissau-zivil-militaerischer-dialog
https://wfd.de/ueber-uns
http://www.radiobridge.net/KJS%20Stories.html