Bildschirmfoto 2021 06 18 um 00.33.53Verletzte und Verhaftete an unnötigem Flaggenmarsch

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Der Flaggenmarsch, den rund 5000 israelische Nationalisten am Dienstagabend mit Bewilligung der Behörden in Jerusalem durchführten, hätte noch viel schlimmere Folgen zeitigen können. Die Teilnehmer beschränkten sich vorwiegend auf das Singen nationalistischer Lieder, doch waren auch Slogans wie «Tod den Arabern» zu hören gewesen.

Der bekannte Extremist Itamar Ben-Gvir, seines Zeichens Knessetabgeordneter, warf Premier Bennett vor, «mit der linksgerichteten Regierung zu marschieren anstatt mit der Flaggenparade». Autobusse hatten israelische Extremisten aus mindestens 29 Orten in Israel und der Westbank nach Jerusalem gefahren. Zwei durch Steinwürfe verletzte Polizisteioffiziere und mindestens 33 verletzte Palästinenser, sowie 17 in Ost-Jerusalem vor dem eigentlichen Marsch verhaftete palästinensische Demonstranten, sind rein zahlenmässig zwar ein relativ bescheidenes Ergebnis.

Andererseits deuteten die dutzenden von Palästinensern im Süden des Landes geworfenen Brandbomben an, dass Israels Gegner bereit sind, wenn nötig wieder zu den Taktiken zu greifen, die erst vor kurzem Israeli und Palästinenser elf Tage lang in einen heftigen Konflikt im Gazastreifen und in Israel (durch palästinensische Raketen) verwickelt hatte. Nach der vorläufigen Beruhigung der Lage meinten Sprecher der Hamas-Terroristen siegesbewusst, dass die Änderung der Marschroute auf Druck der Palästinenser geschehen sei.

Hätten die Israeli den Marsch gemäss ihren ursprünglichen Wünschen und Absichten durchgeführt, wäre, so hiess es in Gaza, die palästinensische Reaktion viel heftiger ausgefallen. Auch so dürfte die neue israelische Regierung aufatmen und hoffen, dass das Ereignis sowohl wegen der zufriedenen Nationalisten in den eigenen Reihen, als auch wegen der einen vermeintlichen Sieg feiernden Palästinenser relativ glimplich abgelaufen ist.

Das Team rund um Premier Bennett sei aber gewarnt: Immer werden Konfrontationen mit den Palästinensern nicht so harmlos verlaufen. Dass es solche Konfrontationen schon bald wieder geben dürfte, ist wohl so sicher wie das Amen nach dem Gebet in der Kirche. Die israelische Regierung hat ihre Feuertaufe zwar bestanden, doch wird sie sich eine häufigere Widerholung solcher Zwischenfälle nicht leisten können. Die Extremisten auf beiden Seiten haben Blut gerochen und warten  nur darauf, und irgendwan einmal wird es nicht bei ein paar verletzten und vehafteten Demonstranten bleiben.

Foto:
Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich am Flaggenmarsch
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 16. 6. 2021