Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Akkordeon hat sie gespielt im Mädchenorchester von Auschwitz, die kleine Esther. Die Mörder mit dem Totenkopf an der Mütze verlangte es nach Unterhaltung, wenn die Schreie der Opfer in den Gaskammern verstummt waren. Jetzt ist die Überlebende des grausamen Geschehens mit 96 Jahren in Hamburg gestorben.
Wie viele andere wanderte sie nach dem Ende der NS-Herrschaft nach Palästina aus und kehrte 1960 über die Schweiz nach Deutschland zurück, wo sie in Hamburg ein neues Zuhause fand. Dort begann ihre Karriere als Sängerin und dort erwachte in den siebziger Jahren auch ihr politisches Bewusstsein. Sie schloss sich der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten an und erhob immer wieder ihre Stimme gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus.
Zusammen mit Harry Belafonte und weiteren Künstlern trat sie im September 1982 auf einer Friedenskundgebung im Ruhrstadion auf und wurde 2008 zur Ehrenvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten ernannt. Im selben Jahr erhielt sie das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Dieser Auszeichnung folgten viele andere, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, die Carl-von-Ossietzky-Medaille, die Ehrendenkmünze in Gold des Hamburger Senats und die Herbert-Wehner-Medaille.
Dass der von Esther Bejarano repräsentierten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes von einem Berliner Finanzgericht die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde, wirkt vor diesem Hintergrund gerade zu als aberwitzig. Zur Begründung bezogen sich die Richter auf den bayerischen Verfassungsschutz, der die Verfolgtenorganisation als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und sich dabei auf deren Bekenntnis zum Schwur von Buchenwald beruft, in dem die befreiten Häftlinge die Ausrottung des Faschismus mit seinen Wurzeln gefordert haben.
In einem Offenen Brief an Olaf Scholz forderte Esther Bejarano den Bundesfinanzminister auf, gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit anzugehen und „alles zu tun, um diese unsägliche, ungerechte Entscheidung rückgängig zu machen.“ Sie empfinde sie angesichts alltäglicher rechtsextremer Bedrohungen als Kränkung. „Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus“, schrieb sie.
Als Sängerin stand Esther Bejarano seit 2009 vor allem mit der Rapgruppe Microphone Mafia aus Köln auf der Bühne. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher bezeichnete die Verstorbene als „außergewöhnliche Bürgerin, die sich bis ins hohe Alter für das Gemeinwohl engagiert“ habe. Kultursenator Carsten Brodsa sagte, als Künstlerin und Aktivistin habe Bejarano die Erinnerungskultur unseres Landes geprägt wie kaum eine zweite Persönlichkeit.
Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit würdigte Esther Bejarano als „eine bewundernswerte, beeindruckende Persönlichkeit mit einer starken klaren Haltung. Sie habe sich niemals den Mut nehmen lassen, mit der Macht der Worte und der Musik gegen Unterdrückung und Diktatur anzugehen. „Ihre Botschaften gegen das Vergessen werden bleiben.“
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