NetanjahuDie digitale Revolution - beim Immer weiter des Rationalisierens - wird mehr und mehr zu einem Problem des Angriffs auf echte Demokratie

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nichts neues unter der Sonne also. Immer wieder kam es einem schon so vor, als ob die herrschenden Regierungssysteme, die durch Wahlen nur bedingt legitimiert sind, zur dauerhaften Ausmanövrierung und Überwältigung der Opposition ansetzten.

Erschreckend, dass selbst Israel mit seinem rechtspopulistischen Regierungskartell unter Netanjahu, ganz auf dieser Schiene operierend unterwegs war, nicht nur weil er sich mit allen Tricks der richterlichen Rechtsprechung entziehen wollte.

Förderung von Regierungskriminalität rund um den Globus

Im heute journal vom 25.07.2021 wurde die Überwachungseinheit Pegasus der NSO Group, ein Schadprogramm, das unbemerkt auf Handys zugreift und ausspioniert, über 10 Minuten thematisiert. Der Hauptvorwurf von Reporter ohne Grenzen an die Firma aus Israel lautet, dass sie nicht nur mutmaßlich dazu missbraucht werde, sich entgegen Weltrecht illegal gegen Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, unliebsame Regimekritiker, Politiker- und Politikerinnen, Menschenrechtsaktivisten und -Aktivistinnen, Journalistinnen und Journalisten zu wenden - was sie allerdings bestreitet. Die Firma wird im globalen Diskurs als Waffe eingeschätzt, weil sie in enger Verbindung mit dem israelischen Geheimdienstapparat steht. Tatsächlich werde die Bekämpfung des Terrorismus nur als Vorwand für eine laxe Profileration, d.h. mangelnde Regulierung, benutzt.

Das weltweite Recherchenetzwerk hat Belege und es liegen ihm Enthüllungen vor, dass in autoritären Staaten mit Hilfe des Programms Öffentlichkeit und Presse überwacht und unter Druck gesetzt werden. Die Firma bestreitet alle Vorwürfe. Christian Sievers vom heute journal zitiert Edward Snowden, der sagt: das ist ein Geschäftszweig, ein Industriezweig, der alles andere als so etwas wie Schutz verkaufe. Snowden verwendet das Bild, „dass er keine Impfung verkaufe, sondern immer nur neue gefährliche Viren“ verbreite. Reporter ohne Grenzen hat weltweite Verstöße dokumentiert. Es bahnt sich ein Tsunami an Menschenrechtsverstößen an.

Die heimlich aufgesetzte Software ermöglicht es, „ein Handy zu verwandeln, um ein Mikro anzumachen, eine Wanze draufzuschalten. Es erlaubt, das komplette Signal an Whatsapp-Kommunikation mitzuschneiden“ (Chr. Sievers im heute journal). Es wurden zeitliche Nähen zwischen NSO-System und dem Vorgehen gegen Menschenrechtsaktivisten festgestellt.

Netanjahu ist in das Geschäft in Pegasus verstrickt. Er braucht es selbst und es bringt was ein. Der Verkauf nicht nur von Späh-Software und weiterem gehe mit dem Konzept von Diplomatie und dem Besuch Netanjahus in jeweiligen Ländern zusammen. Knesset, Sicherheitsrat und Verteidigungsministerium bleiben außen vor. Pegasus rangiert unter dem Schutzschirm Außen- und Wirtschaftspolitik, ist deren Instrument. Das Cybersystem von Abhören und Überwachen kontrolliere sich selbst. Die israelische Zeitung Haaretz spricht von Israels Regierung als Patron der Cyberindustrie (Christian Sievers in seinem einführenden Kommentar).

Mit Pegasus ist die Demokratie weltweit in Gefahr

Im schönen Lande Hessen wurden wir bereits mit der Spähsoftware Palantir (Software Gotham) – klingt nach etwas Dunklem - bekannt gemacht. Laut Wikipedia ist das ein US-amerikanischer Anbieter von Software und Dienstleistungen, der sich auf die Analyse großer Datenmengen (Big Data) spezialisiert. Die Polizei setzt hier das Produkt unter ‚Hessendata‘ ein, entsprechend eines Gesetzes. Und Palantir expandiert weiter.

Der zugeschaltete Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland, Christian Mihr wird befragt. Er bemängelt, dass entgegen der Vorschläge zur Regulierung und des Exports von Pegasus der politische Wille fehle. Es gebe im Rahmen des Wassenaar Arrangements zu konventionellen Waffen ein Regulierungsprogramm, in dem aber Israel nicht Mitglied sei. Leider hätten Bulgarien und Zypern, EU-Länder, Export-Lizenzen vergeben. Viel Geld sei also im Spiel, so Sievers. Christian Mihr hat gleichwohl Hoffnung auf eine bessere Regulierung. Die Nichtregierungsorganisation fordert ein sofortiges Moratorium, des Exports, des Verkaufs und des Einsatzes von Pegasus, staatenübergreifend. Der Pegasus Name ist eigentlich kulturell besetzt und die Verwendung eigentlich ein Missbrauch durch Ignoranten, die Ökonomen, Politiker und Menschenschänder eben im Allgemeinen so sind.

Die Regulierung könnte bzw. müsse von Europa ausgehen, damit „endlich die Staaten dieser Welt, die das blockieren, auch für eine bessere Regulierung eintreten“ (Chr. Mihr). Eine solche müsse auf die Agenda der völkerrechtlichen Ebene kommen. „Und ich hoffe, dass die Enthüllungen dieser Woche den politischen Willen endlich befördern“ (Christian Mihr).

Christian Sievers zitiert nochmal Edward Snowden: „Wenn wir das nicht stoppen, dann wird es nicht bei 50 000 Betroffenen bleiben, es werden 50 Millionen“.

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Info:
heute journal 25.07.2021