Wahl O Mat LogoDer „Wahl-O-Mat“ bringt’s an den Tag, Teil 1

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Bundeszentrale für politische Bildung hat auch zur Bundestagswahl am 26. September einen Wahl-O-Mat entwickelt.

38 Fragen können die Bürger auf den Internetseiten der Rundfunksender oder per Smartphone-App mit "Ja", "Nein", oder "Neutral" beantworten. Ihre Meinungen werden dann mit den Standpunkten der 40 Parteien abgeglichen, die zur Wahl antreten. Ganz wichtig ist den Macherinnen und Machern: Das Tool soll keine Wahlempfehlung sein, sondern wichtige Informationen zur Wahl geben.

Als zweifach „rote Socke“ mit grünen Pünktchen habe ich zunächst meinen je eigenen Standpunkt überdacht, ihn festgehalten und ihn mit den Positionen von SPD, Linken und Grünen verglichen. Dabei überkam mich stellenweise das Entsetzen.

1. Auf allen Autobahnen soll ein generelles Tempolimit gelten.
Ja, dem stimme ich zu. Schnellfahren bringt in den meisten Fällen keinen Zeitgewinn, kostet überproportional Energie und ist ökologischer Unsinn. Die individuelle Mobilität taugt nicht zu einem vermeintlichen Sport. Geschwindigkeitsräusche lassen sogar auf Persönlichkeitsstörungen der Raser schließen. Darum sollten sie sich psychiatrisch behandeln lassen. Auf die Straße gehören sie jedenfalls nicht.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Das lässt hoffen.


2. Deutschland soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen.
Ein Nein ohne Wenn und Aber.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Nein. Hat die SPD das ihr von reaktionären Kräften angehängte Etikett, vaterlandslose Gesellen zu sein, immer noch nicht abgelegt?


3. Bei Bundestagswahlen sollen auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen dürfen.
Nein, liebe Kinder. Nutzt die zwei Jahre bis zum formalen Erwachsensein für die Aneignung politischen Wissens. Vor allem: Lernt mehr, als euch die Schule bietet! Horcht kritisch in die Gesellschaft hinein!
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Das einhellige Votum der Parteien läuft auf ein „Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“ hinaus.


4. Die Förderung von Windenergie soll beendet werden.
Auf keinen Fall. Überhört nicht die Schreckensschreie des Klimas!
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Wieder ein Stück Hoffnung.


5. Die Möglichkeiten der Vermieterinnen und Vermieter, Wohnungsmieten zu erhöhen, sollen gesetzlich stärker begrenzt werden.
Ja. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg zu einer Ordnung, in der Grund und Boden allen Menschen gemeinsam gehören. Genauso wie das Wasser der Flüsse, Seen und Meere, die Luft und die gesamte Atmosphäre.
SPD ja. Linke ja. Grüne ja. Das beruhigt mich, aber mutmaßlich haben wir jeweils unterschiedliche Gründe für unser Ja.


6. Impfstoffe gegen Covid-19 sollen weiterhin durch Patente geschützt sein.
Ja. Weil ich skeptisch bin. Geistiges Eigentum darf nicht zu einer wertlosen Sache werden. Aber auch nicht zum Spekulationsobjekt.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Nein. Hoffentlich hat sich die SPD nicht von Unternehmern überreden lassen.


7. Der für das Jahr 2038 geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung soll vorgezogen werden.
Na klar!
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Das klingt gut.


8. Alle Erwerbstätigen sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein müssen.
Selbstverständlich ja.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Die Hoffnung wächst.


9. Das Recht anerkannter Flüchtlinge auf Familiennachzug soll abgeschafft werden.
Nein, das sollte sich von selbst verstehen.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein.


10. Auf den Umsatz, der in Deutschland mit digitalen Dienstleistungen erzielt wird, soll eine nationale Steuer erhoben werden.
Ja. Wer Kaufkraft und Strukturen einer Volkswirtschaft nutzt, muss dazu mit Abgaben beitragen.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja.


11. Die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern soll stärker als andere Lebensgemeinschaften gefördert werden.
Nein. Denn die Entwicklung der Gesellschaft ist über die biologistische Phase längst hinausgewachsen. Trotz religiöser und völkischer Ultras.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Die Hoffnung wird stabiler.


12. Spenden von Unternehmen an Parteien sollen weiterhin erlaubt sein.
Nein, auf keinen Fall. Es muss ein Ende damit haben, dass Unternehmen neben den Wählerstimmen ihrer Geschäftsführungen und Gesellschafter auch noch ihr Geld in die Wahlurne werfen können.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Nein. Auf welchen heimlichen Unterstützer muss denn die SPD Rücksicht nehmen?


13. Studentinnen und Studenten sollen BAföG unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern erhalten.
Diese Frage scheint mir nicht den Realitäten zu entsprechen. Zumindest dann, falls die Eltern dazu in der Lage sind, sollten sie in der Pflicht stehen.
SPD: Nein. Linke: Ja. Grüne: Ja.


14. In Deutschland soll es generell möglich sein, neben der deutschen eine zweite Staatsbürgerschaft zu haben.
Ein bedingtes Nein. Innerhalb der EU und bei anderen demokratischen Staaten ginge das in Ordnung:
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Ihr seid zu unkritisch.


15. Bundesbehörden sollen in ihren Veröffentlichungen unterschiedliche Geschlechtsidentitäten sprachlich berücksichtigen.
Auf keinen Fall. Die sprachliche Deutungshoheit darf nicht ideologischen Strömungen überlassen werden, auch nicht dem militanten Feminismus. Ohnehin verändert sich eine Sprache ständig. Üblicherweise aber in genuiner Fortschreibung ihrer vorhandenen Wörter und Regeln. Das ist beim Gendern nicht der Fall.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Ihr vermaledeiten Blödiane und Legastheniker. Lest mal Klemperers „LTI“ über die Sprachmanipulation durch das NS-Regime.


16. Die Ostsee-Pipeline „Nord Stream2“, die Gas von Russland nach Deutschland transportiert, soll wie geplant in Betrieb gehen dürfen.
Nein. Objektiv ist dieses Gas überflüssig. Vor dem Hintergrund der Klimaveränderung ist „Nord Stream2“ sogar kontraproduktiv.
SPD: Ja. Linke: Neutral. Grüne: Nein. Da lese ich Abhängigkeiten heraus.


17. Der Solidaritätszuschlag soll vollständig abgeschafft werden.
Nein. Er sollte umgewandelt werden zu einem Solidaritätsfond „Klima & Covid“.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Na, es geht doch.18. 


18. Das Tragen eines Kopftuchs soll Beamtinnen im Dienst generell erlaubt sein.
Nein. Denn es gilt die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Staat und Kirche (Religion) im öffentlichen Raum.
SPD: Nein. Linke: Ja. Grüne: Ja. Liebe Linke, habt ihr total vergessen, was eure Urururgroßväter Marx und Engels über Religion geschrieben haben? Schämt euch!

19. Die Zulassung von neuen Autos mit Verbrennungsmotor soll auch langfristig möglich sein.
Nein. Das angeschlagene Klima gewährt uns keinen Rabatt und keine Verlängerung.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Na, es geht doch.


Die Haltungen der drei Parteien zu für mich entscheidenden Punkten wie Verteidigungsausgaben, Wahlmindestalter, Spenden von Unternehmen, zusätzlicher Staatsbürgerschaft, Gendern und Kopftuch haben meine Bilder von Rot 1, Rot 2 und Grün ziemlich erschüttert.
Habe ich tatsächlich echte Wahlmöglichkeiten? Oder muss ich mich erneut für das vermeintlich kleinere Übel entscheiden?
Der zweite Teil dieses Beitrags verhilft hoffentlich zu einer klaren Entscheidung.

Foto:
Wahl-O-Mat
© Bundeszentrale für politische Bildung