Robert HabeckRobert Habeck besteht bei Illner nicht nur den Konflikt mit Friedrich Merz – er erweist sich kraft seines hellen Verstandes auch gänzlich überlegen  Teil 1/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Denn das Gegenüber hängt einer eigenmächtigen, zwangshaften Konstruktion von Wirtschaft an. Bei Maybrit Illner ging es gut zur Sache, wir möchten uns dem zentralen Konflikt von Zweien, die unterschiedlicher nicht sein können, widmen.
Merz gehen regelmäßig die Gäule durch, weil er einer Fiktion, wenn nicht Verzerrung von Wirtschaft anhängt. Er macht sich selbst eine. Er ist Jurist, nicht aber Ökonom. Habeck geht mit klarem, aufgeräumtem Verstand vor. Wirtschaft hat viel mit Urteil und Augenmaß zu tun, weniger mit Theorien a priori.

Merz will alle Initiativen ganz auf die private Wirtschaftsseite ziehen, weil er dort nach Anerkennung lechzt. Habeck geht mit Verstand zu Werk. Er weiß, dass die Wirtschaft nicht von alleine alles richtig macht, da sie dem Eigennutz der Egomanen unterworfen ist (wie auch Merz einer ist). Gesellschaftliches Handeln braucht Kooperation und Interessenausgleich. Das Thema, das uns alle auf Jahre beschäftigen wird, ist der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft. Habeck weist die Unterstellung Linders ab, der Staat sei quasi ein Gespinst von Kleptokraten. Wir dürfen unter der gegebenen Bonität uns selbst mit einem Gemeinschaftswerk belohnen. Hohe Zinsen sind auf absehbare Zeit Vergangenheit, also warum nicht voll reingehen ins Werk des Umbaus. Umbau aber ist nicht ohne Innovation zu machen, diese wartet nur darauf, endlich losgelassen zu werden.


Kontrahent geht auf Habeck los wie Fury gegen denkende Substanz

Merz ist überhaupt kein Denker. Nicht ohne Reiz ist die Mimik, die Merz gegen Habeck richtet, der für ihn ein rotes Tuch ist. Habeck möchte auch Innovation aus China abziehen und wieder hier heimisch machen. Der groß angelegte Zug zur Klimaneutralität schaffe neue Wertschöpfungsketten und neue Arbeitsplätze. Der kommende Fortschritt – wohlverstanden – lohnt die Schulden, denn das schwache Wachstum ist sprichwörtlich, Wirtschaft bringt alleine nicht die neue Innovation zustande, denn sie dreht im Rade. Habeck will die Schuldenbremse beibehalten, aber in diese eine neue Logik, eine Erweiterung einführen, indem er ausführt: „Das, was neues Vermögen aufbaut, also neue Werte des Staates, neue Infrastruktur, neue [...] Prosperität schafft [...], das darf finanziert werden“. Merzens Kommentar dazu: er schaut Habeck mitleidig an. Diesem Gesichtszug werden noch viele despektierliche folgen. Es soll nicht nur einfach der Haushalt konsolidiert werden, sondern auch „die öffentlichen Vermögen, die Gebäude, die Schienen, Schieneninfrastruktur, das Glasfasernetz usw.“ umgebaut und erhalten werden (Habeck). Würde denn der private Haushalt sein volles Sparbuch beibehalten, „wenn das Dach einfällt“; wohl kaum, aber für die öffentliche Hand gelte das scheinbar nicht. Merz lacht an dieser Stelle dreckig. Illner kommt auf die Enteignung durch fehlende Zinsen zu sprechen, aber gibt es denn wirklich ein Anrecht auf fehlende Zinsen, wenn rundum alles darbt und auf Erweckung wartet?

Habeck entgegnet, die niedrigen Zinsen seien „ein Ausdruck dafür, dass wir eine Wachstumsschwäche in Europa haben“. Illner bestätigt. Das heiße, so Habeck, die Zentralbank sei genötigt, „damit das Geld in Umlauf bleibt, immer das Geld billiger zu machen [...]“. Und mit wieder mehr Wachstum und mehr Nachfrage würde auch der Zins wieder steigen. Der niedrige Zins dürfe kein Missverständnis werden, es fehlt an einem innovativen Impuls. Merz wiegt bedenklich den Kopf. Es müsse mehr Geld ausgegeben werden, denn wenn alle sparen, haben wir eine Wirtschaftskrise. Und wenn alle sparen, hielten auch die Unternehmen das Geld zurück. Ist doch einsichtig, oder? Doch Merz steigert sich nur mit Grinsen. Habeck führt das weiter aus, geht etwas in die Redundanz, Merz reagiert damit, dass er den Kopf senkt und in sich hinein grinst.- Nun ist wieder Illner dran, sie fragt den zugeschalteten Wirtschaftsweisen Armin Truger, der als jemand bekannt ist, der aneckt. Illner kürzt die Sache auf den Nerv und führt die Unterscheidung gute Schulden, schlechte Schulden ein. Zusätzlich zur Schuldenbremse solle es also „noch die Möglichkeit geben, zu investieren“.

An Truger gerichtet, fragt sie: „Kann man das einfach tun?“- Truger entgegnet: Ja, natürlich, Schulden müssten zurückgezahlt werden. Und weiter führt er aus: „Die Regel, die Herr Habeck beschreibt, ist aber eigentlich keine neue Idee, sondern das ist die traditionelle finanzwissenschaftliche Regel, die goldene Regel der öffentlichen Investitionen“. Man könne sich streiten, wie grenze man die Investitionen ab, „aber man kann bsw. auf die ganz normale Statistik zurückgreifen, die von Eurostat angewendet wird, das ist ne klare Definition“. Es wird augenscheinlich ersichtlich, Merz kapiert das nicht. Illner fragt noch einmal:

An Truger gewandt lässt Illner sich bestätigen: „Und Sie glauben, man kann das machen?“ - „Herr Merz, ich frage sie, die Union setzt ja darauf, aus den Schulden herauszuwachsen. Wir gehen davon aus, dass diese Schuldenbremse nicht über Gebühr strapaziert werden muss [...], dass es gelingen kann, all das, was vor diesem Land steht, Klimaneutralität, große Revolution, riesiger Umbau, dass wir das schaffen, herauszuwachsen“.


Merzens Philippika

Merz muss was loswerden. „“Mmh, bevor ich darauf antworte, muss man doch etwas zu dem sagen, was Herr Habeck gerade gesagt hat“. – „Wo ist denn das volle Sparbuch des Staats, der jetzt das Dach reparieren muss. Der hat kein volles Sparbuch. Wir haben Schulden und zwar in großer Zahl“. – Habeck geht dazwischen: „Leute haben aber auf dem Sparbuch“ – könnten beliehen werden, Geld ist also an der falschen Stelle allokiert – Merz: „Wenn das richtig wäre, was sie sagen, dann hätten wir die höchsten Zinsen aller Zeiten (Eingewendet: Wieso aber mit Negativzins) – „Im übrigen, Herr Habeck, die Zinsen sind nicht Ausdruck einer Wachstumsschwäche. Wir haben vor Corona 10 Jahre das wachstumsstärkste Jahrzehnt in Europa in der Welt gehabt, das wir überhaupt seit dem 19. Jh. gehabt haben“. – „Die Zinsen sind niedrig wegen der EZB und der Zentralbankpolitik“. Werde in Amerika korrigiert, doch die EZB hält daran fest. „Was ich zunehmend problematisch finde, obwohl wir mittlerweile Inflationsraten haben, 4 Prozent, 5 Prozent im nächsten Jahr.“. An Habeck gewandt: „Das Thema Wachstum und Zinsen hat mit dem, was sie hier zusammengestellt haben, nun gar nichts zu tun“. – Einwand: Ob wohl das Wachstum durch die EZB auf Sand und Staub gebaut und ein Strohfeuer sein könnte?

Jetzt kommt für Merz der Zeitpunkt, mit Klischees und Halbwahrheiten zu operieren: „So und dann haben Sie gesagt, der Staat schafft Arbeitsplätze. Der Staat schafft überhaupt keine Arbeitsplätze. Der Staat hat einen Beamtenapparat, der immer größer wird. Wir haben eine Bürokratie, die immer schwerfälliger wird. Die Arbeitsplätze werden in der Privatwirtschaft geschaffen“. (Habeck schaut Merz fast nachsichtig an, weil der sich so blöd stellt.) Merz stellt richtig fest, dass privates Kapital für Investitionen mobilisiert werden könnte. Doch der Staat gebe für diese nicht aus. Merz: „Der Staat hat Investitionsmittel nicht ausgegeben, weil sie einfach nicht ausgegeben werden können [...], wir haben eine Bürokratie, die das nicht erlaubt, selbst bei den von ihnen so geliebten Windrädern brauchen wir 3-7 Jahre bis so ein Ding mal steht. Da liegt das eigentliche Problem“. – Einwand: Ob nicht die Politik etwas durch Abstandsregeln daran mitgedreht hat, dass der Bau von Windrädern blockiert wird?

Parteien stehen also mit hinter dem Problem. Und auch solche, die der Klimaneutralität gegenarbeiten, indem ein Laschet meint, wegen einer so großen Flut könne man nicht gleich die ganze Politik umstellen. Das Gerede von der Bürokratie ist eine Finte. Wir sind nicht nur zu bürokratisch, selbst die Privatwirtschaft kommt nicht von selbst in die Puschen, weil sie keine klaren Ansagen seitens der Politik erhält. Der Einsatz von Kapital braucht den Staat als ordnende und anweisende Hand. Das hat auch nichts mit Staatsgläubigkeit zu tun, wie Merz noch zu insinuieren versucht. Merz will Habeck schulmeistern, ihm den Schneid abkaufen. Erinnern wir uns noch an einen Satz von Fritz Kuhn (Grüne): die Wirtschaft ist ökologisch blind.


Habecks Rechtfertigung

Tatsächlich müssten wir schneller in die Aktion kommen und die Bürokratie überwunden werden, konzediert Habeck. Er kommt auf den Punkt. Es geht nicht ohne Begleitung und Zutun des Staates. Der BDI (wirklich kein grüner Kreisverband) habe errechnet – mit Wirkung auf Unternehmen -, was die Klimaneutralität der deutschen Wirtschaft kosten würde: ungefähr 2 Billionen Euro! und BDI wie Wirtschaft sagten selbst, „wir brauchen dafür Sicherheit, Bürgschaft, Zuschüsse, ähnlich wie bei der Corona-Pandemie, von ungefähr 15 Prozent“. Und die Deutschen Banken sagten: Wir können das nicht allein bezahlen, das sind unsichere Märkte, da entstehen neue Techniken, die Ausfallbürgschaften sind zu hoch. Merz guckt wieder gänzlich ungehalten und ungnädig. Er hat sich verrannt. Habeck weiter: „Wir reden von einem Investitionspaket von 50 Mrd. jährlich [..], dann wird dadurch privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgelöst. Wenn es nicht passiert, dann unterbleiben die Investitionen oder die Unternehmen gehen weg ins Ausland, wo sie bessere Bedingungen vorfinden. Beides können wir nicht wollen“. Habeck könnte andauernd weit mehr noch argumentieren. Er wurde garantiert von dritter Seite für den Disput mit Merz vorbereitet, aber das ist normal. Seine Vorbereitung war exzellent.

„Insofern ist es richtig, Herr Merz, es geht nicht darum, dass der Saat alles macht, es geht darum, dass wir die Möglichkeit des Staates nutzen, um wirtschaftliches Wachstum zu initiieren...“. Und jetzt folgt der entscheidende zweite Teil: „... und die Frage, die die Union beantworten muss und vor der sie sich permanent drückt, ist, wie entsteht Wachstum?“ – Habeck nimmt noch einen Punkt von den vier, fünf Fehlern von Merz auf: „Wir hatten zuvor eine Wachstumsschwäche, vor der Corona-Krise hatten wir eine Wachstums- und Innovationsschwäche in Deutschland“. Genauer: wir hatten im Verhältnis zum europäischen Durchschnitt des Wachstums unterdurchschnittlich in Deutschland nur 2,5 % des BIP, während der europäische Durchschnitt bei 3 % lag. Daraus folgt: “Und das ist die summierte, dann schlechte Infrastruktur, die wir haben“. – Es sei auch nicht richtig, dass wir Geld wie Heu ausgegeben hätten. Ganz im Gegenteil, man hat Schulden in den Büchern vor die Schuld in der Wirklichkeit gestellt“ (siehe EZB) „und völlig verkannt, dass sich die Situation der Wirklichkeit aufgrund der niedrigen Zinsen geändert hat“. Unser Schluss daraus: das ganze EZB-System war und ist aufgebläht und nichts aber auch gar nichts war und ist wirklich dahinter. Es war ein großes leeres Rad.


Merz kann's einfach nicht lassen

Illner fragt Merz: „Herr Merz, wie würden Sie diese 2 Billionen denn finanzieren? Wo wollen Sie Ausgaben kürzen?“ – Um ja keine Schulden zu machen.- Habeck geht dazwischen: „Sie wollen Steuern senken und hoffen, dass die Unternehmen dann investieren. Schulden für Steuersenken sind ok, aber Schulden für Investitionen sind“ - für Sie - „nicht ok.“. Merz versucht noch die 2 Billionen in Zweifel zu stellen. Habeck besteht darauf, dass 2 Billionen keine Annahme sind. Daher Merz: „Dass die Investitionen sehr viel Geld kosten ist doch unbestritten“. Merz gibt weiter zurück: Habeck wolle ein Viertel des großen Geldes aus den öffentlichen Kassen aufbringen. Habeck dagegen: „Das ist falsch“. Merz: „Steht in Ihrem Programm“. Habeck: „Sie sind nicht alle für die Industrie, sondern da ist auch der Ausbau der Bahnlinien, der Glasfaser, der Ladesäulen, Infrastruktur, der Renovierung der öffentlichen Liegenschaften, der Schulen, der Kitas – die 15 Prozent, die der BDI fordert, die sind da drin“. Und jetzt folgt der konkurrierende Satz Habecks: „Wir haben ein wirtschaftsfreundliches Angebot, während Sie die Leute im Regen stehen lassen“.

Foto:
©robert-habeck.de

Info:
Schwarz und Grün im Wahlkampf – Rivalen, Feinde, Partner?
"Maybrit Illner" – Der Polit-Talk im ZDF vom 26. August 2021
Robert Habeck und Friedrich Merz bei Maybrit Illner
Im Stream zu verfolgen ab Min. 36:32 der Sendung