... in Washington und in Hamburg
Klaus Jürgen Schmidt
Norddeutschland (Weltexpresso) - Er sagte zu ihr: „Annalena“, sie zu ihm: „Antony“. Das war „tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni am Abend des Kurzbesuches der deutschen Außenministerin Baerbock bei ihrem U.S.-Kollegen Blinken wichtig zu erwähnen, das „Duzen“.
Er siezte sie natürlich bei seinem Interview, und zusammengefasst erfuhren die Zuschauer aus dem Angebot der „tagesthemen“ zu diesem Tages-Thema an diesem Abend:
„Deutschland und die USA – zwei Regierungen, die durchaus nicht bei allen Themen einer Meinung sind. Doch Baerbock und Blinken liefern bei ihrem öffentlichen Auftritt einen demonstrativen Schulterschluss. Aktuell zählt das gemeinsame Vorgehen beim wichtigsten, drängenden Thema: den Spannungen zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen.“
Dann noch wichtig die Vor-Ort-Beobachtungen der ARD-Reporter:
„"Deutsche Botschaft, können Sie mich hören?'' Es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass der Mann im US-Außenministerium nachfragen muss. Ja, er ist zu hören und auch zu sehen auf einer heruntergelassenen Videoleinwand. Doch es dauert, bis die technischen Kommunikationsprobleme gelöst sind. Deutsche Botschaft Washington. Ein kleiner Saal, der an die Aula einer deutschen Gesamtschule erinnert. Durch die Pandemie ist beim Antrittsbesuch von Außenministerin Baerbock in den USA vieles anders. In den Raum der Pressekonferenz im State Department dürfen neben einem Fotografen und einem Kameramann nur zwei weitere Journalistinnen und Journalisten. Wer genau, entscheidet auf dem Hinflug das Los. Alle anderen müssen sich die technischen Probleme und dann die Pressekonferenz auf der Leinwand ansehen. Vorsichtsmaßnahmen in einem Land, das von der Pandemie hart getroffen ist. Die Corona-Lage ist dramatisch. Auch wenn die Regierungsmaschine am Mittwochabend etwas später als geplant in der US-Hauptstadt zum Rückflug startet, der eigentliche Aufenthalt dauerte keine zehn Stunden. ...“
Und das Interview Ingo Zamperonis mit Annalena Baerbock: genau 5 Minuten, technisch perfekt noch vor ihrem Rückflug aufgezeichnet, routinierte Frage- und Antwort-Präsentation.
Stichwort: „Spannungen zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen.“
„Frau Baerbock, was hat Antony gesagt, als Sie darauf verwiesen, NATO-Truppen hätten sich der russischen Grenze genähert, als auf der anderen Seite noch gar keine russischen Manöver stattfanden. Im Zuge der EU-Erweiterung 2004 sei Litauen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Mitglied der NATO geworden und habe eine Grenze mit Russland. Die NATO-Battlegroup Lithuania sei der Kampfverband der NATO in Litauen. Sie sei seit August 2017 mit Truppenteilen rotierend aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen kampfbereit und habe eine Stärke von 1.200 Mann. Der Verband stehe unter Führung der deutschen Bundeswehr?“.
Hatte ich Ihre Frage verpennt, Herr Zamperoni?
Stichwort „Eigene Glaubwürdigkeit“ – von beiden – von Analena Baerbock u n d von Ihnen, Herr Zamperoni.
Der Auszug aus einem taz-Artikel, veröffentlicht am 4. Januar kurz vor der ersten Washington-Reise der neuen deutschen Außenministerin:
„Seit 1.000 Tagen sitzt Julian Assange am Mittwoch in einem britischen Gefängnis. Rechnet man die Zeit hinzu, in der er sich in der Botschaft Ecuadors der Polizei entzog, ist der Wikileaks-Gründer seit fast 10 Jahren gefangen. Galt er zuerst vielen als Spinner und wegen Vergewaltigungsvorwürfen zu Recht verfolgt, ist mittlerweile offensichtlich: Er sitzt nur noch ein, weil er amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. Eher gestern als morgen gehörte er freigelassen.
Sogar ehemalige Mitglieder der Bundesregierung, wie Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, setzen sich seit geraumer Zeit für Assange ein. Amtierende Kabinettsmitglieder halten es jedoch zuverlässig anders – bislang auch die der Ampel. Die Grünen und ihre Vorsitzende Annalena Baerbock hatten von den Bänken der Opposition aus noch klar vernehmlich gefordert, dass die britische Regierung Assange sofort frei lässt.
Baerbock, die Chefin im Auswärtigen Amt ist, nimmt sich in der Sache zumindest öffentlich wahrnehmbar zurück. Als im Dezember ein Gericht das Auslieferungsverbot für Assange vorläufig kippte, sagte sie nur knapp, sie kenne das Urteil noch nicht und könne ihren früheren Aussagen daher nichts hinzufügen. Mittlerweile hatte sie Zeit, das Urteil zu studieren. Trotzdem heißt es von der neuen Bundesregierung wie von der alten nur stoisch: Die Zuständigkeit liege bei der britischen Justiz.
Stimmt und stimmt nicht: Die britischen Gerichte entscheiden, ob die britische Regierung Assange ausliefern darf – nicht ob sie es muss. Politisch könnte die Bundesregierung sehr wohl London dazu auffordern, den Häftling zu entlassen oder an Washington appellieren, die Anklage fallen zu lassen. Am Mittwoch, pünktlich zum Assange-Jubiläum, fliegt Baerbock zu ihrem Antrittsbesuch in die USA.
Sie muss das Thema dort ansprechen. Allein schon der eigenen Glaubwürdigkeit zuliebe.“
Hat sie, Herr Zamperoni? Ach so, Sie lesen keine taz. ...
Aber noch etwas zum Duzen zwischen Außenministern aus Deutschland und aus den U.S.A.:
Das war schon 'mal umgekehrt: Hier war es ein Mann, dort war es eine Frau, Sie erinnern sich? Hier Joschka Fischer von den Grünen, dort Madeleine Albright von den Demokraten, ebenfalls als erste Frau in diesem Amt. Beide inzwischen durch die Drehtür gegangen: von der Politik ins internationale Beratungsgeschäft: Im September 2008 nahm Joschka Fischer einen Vertrag als Senior-Berater bei einer Madeleine Albright gehörenden Firma an, bei der Albright Stonebridge Group in Washington D.C., ein Unternehmen, das Politik- und Strategieberatung anbietet. ...