Kardinal MarxAnders als durch Verwegenheit ist die Katholische Kirche nicht zu retten

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Erzbischof von München, Kardinal Reinhard Marx, verspürt einen tiefen Schnitt, der durch die Katholische Kirche ginge.

Er selbst sei „erschüttert und erschrocken“, vor allem über das Leid der Opfer. Missbrauch und Gewalt offenbarten die dunkle Seite der Kirche. Dennoch wolle er sich angesichts der Skandale nicht „aus dem Staub“ machen. Allerdings klebe er nicht an seinem Amt.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, zeigte sich bei „Anne Will“ hinsichtlich rascher Konsequenzen, die aus den Geschehnissen gezogen werden müssten, skeptisch. Denn die deutschen Bistümer seien Teil der Weltkirche und die habe ihren Sitz in Rom. Den emeritierten Papst Benedikt XVI (bürgerlich: Joseph Ratzinger), der sich ebenfalls Inaktivität bei Verfolgung und Verhütung von Verbrechen vorwerfen lassen muss, schätzte er als schlecht beraten ein. Das lässt sich auch als Blockade der Kurie interpretieren, die sich gegen jede Veränderung wehrt.

Falls dem so sein sollte (und ich als ungläubiger Protestant halte das für realistisch), schlüge doch jetzt die Stunde des Reinhard Marx. Er könnte als Begründer eines religiösen Marxismus in die Geschichte eingehen, der die Trennung der deutschen Katholiken von Rom durchgesetzt hat. Und der dem zaghaften Schritt Martin Luthers vor 500 Jahren den notwendigen zweiten folgen ließ.

Eine Trennung von Rom würde die Abkehr vom päpstlichen Lehramt, von den Dogmen, von der Beschränkung des Priesteramts auf Kleriker und Männer und nicht zuletzt vom Zölibat bedeuten. Also jenes Milieu austrocknen, das den sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener und eine inhumane Sexualmoral seit jeher befördert hat. Der Austritt aus der Weltkirche würde auch dazu führen, dass die katholische Theologie vom Kopf auf die Füße gestellt würde. Dass sie anerkennen müsste, dass die Rede von einem Gott den Erkenntnissen der historisch-kritischen Forschung widerspricht, dass sich ebenso der historische Jesus nicht beweisen lässt, dass die Legenden um Maria und Josef nichts anderes als fromme Geschichten sind. Dass es an der Zeit ist, sich auf eine Religion der Vernunft zu beschränken, in welche die positiven Errungenschaften der Kirchengeschichte einfließen könnten. Und dass die Katholische Kirche keine Parallelgesellschaft mit eigenen Gesetzen sein darf.

Ein Katholizismus ohne Vatikan böte die Chance, den Menschen die praktische Karitas zu verkünden und sie vor allem zu praktizieren. Das wäre ein Jahrtausendprojekt. Kardinal Marx, bitte übernehmen Sie!

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Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising
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