Constanze Weinberg
Buxtehude (Weltexpresso) – Dass eine sozialdemokratische Politikerin es gewagt hat, ihre Gedanken zur rechten Hetze im Internet in einer Zeitung zu veröffentlichen, die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten herausgegeben wird, bringt manche Leute immer noch aus der Fassung.
Als der Artikel in der antifaschistischen Zeitung „antifa“ erschien, war Nancy Faaeser, um die geht es hier, noch nicht Bundesinnenministerin, sondern Abgeordnete im hessischen Landtag. Im Weser-Kurier vom 10. Februar 2022 darauf angesprochen sagte der wissenschaftliche Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, inzwischen hätte sie sich aber dafür entschuldigen können, aber auch als Ministerin halte sie es für richtig, mit Verfassungsfeinden zu kooperieren. Als Verantwortliche für den Verfassungsschutz und die innere Sicherheit könne sie nicht gemeinsame Sache mit Verfassungsfeinden machen.
Was es mit dieser vermeintlichen Feindschaft auf sich hat, wurde kürzlich vom Berliner Finanzamt für Körperschaften klargestellt. Demnach braucht sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschisten den Vorwurf, sie sei linksextremistisch beeinflusst, nicht länger gefallen zu lassen. Die Steuerbehörde hält ihn für widerlegt und wies den Antrag auf Aberkennung der Gemeinnützigkeit zurück Der Bayerische Rundfunk und die FDP verteidigten die Bundesinnenministerien mit den Worten, Antifaschismus könne nie verkehrt sein. (WK 10. 2. 2022).
Die rechtsradikale „Deutsche Wochenzeitung“ hatte in ihrer Ausgabe vom 5. Oktober 1979 behauptet, Antifaschismus sei eine Wortschöpfung der Kommunisten, die sie sich zu Tarnzwecken zugelegt hätten. In dasselbe Horn blies damals der CSU-Vorsitzende Friedrich Zimmermann, der am 6. Oktober 1979 in seinem Parteiorgan „Bayernkurier“ schrieb, Antifaschismus sei eine Vokabel zur Verschleierung der Ziele des Kommunismus.
Die Historiker Eva Hahn und Tobias Weger dagegen verstehen unter Antifaschismus eine kulturhistorisch gesehen höchst bemerkenswerte europäische Tradition des 20. Jahrhunderts, die einen grundlegenden Beitrag zum gegenwärtigen Wertekanon der Europäischen Union geleistet habe. Warum sie weniger häufig in unseren gängigen Geschichtsbildern auftrete als ihre Gegner, sei nicht ohne weiteres ersichtlich. (Mehr dazu in Kurt Nelhiebel, Im Wirrwarr der Meinungen, Peter Lang Edition, 2013).
Einer der Gründe für die in Deutschland betriebene Diffamierung des Antifaschismus als umstürzlerisches Gedankengut, liegt in der tiefen Verstrickung des Bürgertums in die Verbrechen des Faschismus. Dabei ist selbst der Ruf nach einer grundlegenden Änderung der bestehenden Wirtschaftsform durch das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt. Es entschied am 20. Juli 1954: „Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche, aber keineswegs die allein mögliche. Sie beruht auf einer vom Willen des Gesetzgebers getragenen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidung, die durch eine andere Entscheidung ersetzt oder durchbrochen werden kann.“
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