grundrecht auf doofseinGerichtlich bestellter BetreuerQuerdenker-Anwalt will keine Corona-Impfungen für Betreute

Volker Siefert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Als Anwalt ist er Betreuer von 79 Menschen im Main-Kinzig-Kreis: Holger Fischer, aktiv in der Querdenker-Szene, hält Corona-Impfungen für Völkermord und fordert auf seinem Telegram-Kanal dazu auf, den Staat lahmzulegen. Seine zu Betreuenden will er nicht impfen lassen. Dies haben wir fassungslos in einem Beitrag der Hessenschau original erlebt und uns sofort um nähere Informationen bemüht, die die Hessenschau auch lieferte. Die Redaktion

Querdenker-Anwalt verweigert Betreuten Impfung

Eigentlich ging Walter Müller (Name von der Redaktion geändert) davon aus, dass Rechtsanwalt Holger Fischer aus Hanau als gesetzlicher Betreuer nur das Beste für seinen geistig behinderten Bruder Hans will. Doch als sich der Anwalt in seiner Funktion als Betreuer vor einem Jahr offiziell gegen eine Corona-Impfung seines Bruders mit einem mRNA-Impfstoff einsetzte, seien ihm Zweifel gekommen.

Der 74 Jahre alte Bruder lebt aufgrund seiner Behinderung in einem Heim im Main-Kinzig-Kreis. "Dort war damals Corona eingezogen. Mein Bruder zählte zur Risikogruppe, es war für ihn lebensgefährlich, nicht geimpft zu werden", erinnert sich Müller. Er wollte gerne, dass sein Bruder eine Impfung erhält.


Betreuungsanwalt in Querdenkerszene aktiv

Müller recherchierte im Internet, er wollte Informationen über den Betreuer seines Bruders bekommen, die verweigerte Impfung habe ihn "stutzig gemacht". Dabei stieß er nach eigenen Angaben auf eine Demonstration so genannter Querdenker in Gelnhausen (Main-Kinzig), bei der Rechtsanwalt Fischer als Redner aufgetreten war.

Diese Information habe er an das Amtsgericht Hanau weitergegeben, das für die Beauftragung Fischers als Betreuer zuständig ist. "Allerdings habe ich auch reingeschrieben, es ist sicherlich seine eigene Sache, ob er den Querdenkern angehört oder nicht", sagt Müller. Aber er dürfe diese Meinung nicht seinen zu Betreuenden "überstülpen".


Gericht bestätigt zwei Fälle der Impfbeeinflussung

Nach Angaben des Main-Kinzig-Kreises hat Rechtsanwalt Fischer die Betreuung von 79 Menschen übertragen bekommen. Das Amtsgericht Hanau bestätigt den Fall Müllers auf hr-Anfrage. Anwalt Fischer sei "auf Anregung eines Angehörigen" als bisheriger Betreuer entlassen worden.

In einem weiteren Fall, in dem Fischer einen Menschen nicht impfen lassen wollte, habe sich der Betreute selbstständig über Fischers Einfluss hinweggesetzt. Weitere Fälle dieser Art seien nicht bekannt, so das Amtsgericht Hanau.


Fischer: Demo-Redner und 26.000 Follower bei Telegram

Rechtsanwalt Fischer ist "seit mehr als zwanzig Jahren auf die gesetzliche Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung, psychischen Erkrankungen oder Altersdemenz spezialisiert". So beschrieb er selbst seine Arbeit Ende 2020 in einem Interview mit dem Online-Portal "Klagepaten". Dort tummeln sich Anwälte, die Gegnern der Corona-Maßnahmen rechtliche Tipps geben.


Seit dem Interview vor einem Jahr entwickelte sich Fischer offenbar immer stärker zu einem der führenden Aktivisten der Querdenker-Bewegung im Rhein-Main-Gebiet. Neben der Demo in Gelnhausen trat er als Redner bei Kundgebungen der Querdenken-Bewegung in Wiesbaden im März 2021 auf. Dort sprach er vom Impfen als "Völkermord". Auch in Frankfurt sprach er bereits mehrfach bei Kundgebungen.

Auch auf seinem Kanal beim Messenger-Dienst Telegram, den er mit dem Zusatz "Rechtsanwalt" versehen hat, erreicht er inzwischen mehr als 26.000 Teilnehmer. Die fordert er etwa dazu auf, den Staat mit "Dienstaufsichtsbeschwerden, mit Einsprüchen, Widersprüchen, Strafanzeigen und hier und da anschließenden Rücknahmen derselben" lahmzulegen.

Auch gegen die Regierung und Politiker im Allgemeinen schreibt er an und prophezeit, ihm werde nach der Pandemie niemand mehr in die Augen schauen. "Entweder habt Ihr uns bis dahin getötet mit Euren Maßnahmen und Euren Spritzen, oder Ihr seid selbst deren Opfer geworden. Direkt oder indirekt."


Aufklärer sieht Agitation gegen die Gesellschaft

Problematisch findet Fischers Reden auf Demos und seine Einträge bei Telegram der Pastoralreferent der katholischen Kirche in Wetzlar, Joachim Schäfer. Sie wirkten auf ihn wie "die eines Agitators gegen Repräsentanten von Staat und Gesellschaft". Der Pastoralreferent betreibt das Videoprojekt "hessencam". Dort dokumentiert er Demonstrationen der Querdenken-Bewegung und will damit über mögliche Gefahren für die Demokratie durch die Unterwanderung durch Rechtsextreme aufklären.

"Ich merke bei Fischer keinen Respekt mehr vor Vertretern des Staates. Für mich ist er kein Rechtsanwalt mehr, er ist ein Scharfmacher, ein Scharfrichter, der davon träumt, selbst irgendwann Urteile über andere Menschen zu fällen."


Keine neuen Betreuungsfälle für Anwalt Fischer

Hans Müller im Pflegeheim ist inzwischen geimpft, sein Bruder hat die Betreuung übernommen. Die Behörden scheinen durch die Vorgänge um Fischers Versuche, Betreute nicht impfen zu lassen, hellhörig geworden zu sein.

"Herr Rechtsanwalt Fischer erhält keine neuen Mandate mehr. Im Übrigen sind alle Betreuungsrichter*innen am Amtsgericht Hanau hinsichtlich der Einstellung des Herrn Rechtsanwalts Fischer informiert und sensibilisiert", so die Direktorin des Amtsgerichts Hanau in einer schriftlichen Antwort an den hr. Der Kreis bestätigte dies und betont: "Über die Gründe sowie zu einzelnen Vorgängen werden wir uns öffentlich nicht äußern."


Anwalt zieht Anzeige gegen hr-Journalisten in Betracht

Rechtsanwalt Fischer selbst reagierte empfindlich auf die hr-Anfragen zu den Vorgängen. Journalistische Fragen zu seinen Aktivitäten als Querdenker stellte er öffentlich in seinen Telegram Kanal. Die Teilnehmenden reagierten mit Empörung. Einzelne forderten ein "Tribunal. Strang" oder ein "Schnellgericht" für denjenigen, der so frage.

Fragen im Zusammenhang mit seiner Betreuertätigkeit stellte Fischer jedoch nicht ins Netz, sondern antwortete direkt: "Da würde ich schon gern einmal Strafanzeige gegen Sie und die Auskunftgeber wegen Verleumdung, übler Nachrede erstatten." Bislang ist das nicht geschehen.

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