inge deutschkron 101 v gross20x9Einer Mitstreiterin im Kampf gegen das Vergessen zum Gedenken

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Als  ich hörte, Inge Deutschkron sei gestorben, wusste ich auf Anhieb, wo ich nachschlagen musste, um etwas über die tapfere Mitstreiterin im  Kampf gegen Neonazismus und Antisemitismus zu finden, hatte ich sie doch in einem meiner Bücher mit einer Aussage zum deutschen Umgang mit dem Rechtsextremismus  zitiert.

Für eine Überlebende des Holocaust war der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland schwer zu ertragen. Immer wieder wich sie unter anderem nach Israel aus, um nicht jeden Tag etwas über das immer frecher werdende Auftreten der geistigen Nachfahren des Naziverbrechertums lesen zu müssen. 1980 hatte sich der Herausgeber und Chefredakteur des in München erscheinenden antisemitischen Hetzblattes „Nationalzeitung“, Gerhard Frey, damit gebrüstet, dass soeben das 500. Strafverfahren gegen ihn ohne Ergebnis zu Ende gegangen sei.  Das Landgericht München hatte ihn vom Vorwurfe der Volksverhetzung freigesprochen. (Conrad Taler, Skandal ohne Ende, PapyRossa Verlag  2012).

Als Inge Deutschkron Ende der 1980er Jahre nach Berlin zurückkehrte, war ihr der Skandal um den Münchner Verleger sehr geläufig. Gegenüber dem Magazin „stern“ ließ sie ihrem Zorn  freien Lauf. „Da ist dieser Dr. Frey, der die ‚Nationalzeitung’ herausgibt. Ich verstehe nicht, weshalb ihm das seit Jahren erlaubt ist. Im Grunde ist er ein Verbrecher. Jede Woche schüttet er Gift und Lügen aus. Das ist nach allem, was passiert ist, ein Skandal.“(Nr. 52/1992).

Dabei ahnte die wortgewaltige Journalistin noch nichts von der engen Verbindung zwischen Frey und dem Verfasser des Standardkommentars zum Grundgesetz, Theodor Maunz. Als dieser 1993 starb, rückte die „Nationalzeitung“ damit heraus, dass ihre Herausgeber mit Maunz „seinen wunderbaren Wegbegleiter“ verloren hatte, der ein Vierteljahrhundert maßgeblicher Berater von Dr. Frey gewesen sei.  Eineinhalb Jahrzehnte hindurch habe er ohne Angabe seines Namens zudem beinahe allwöchentlich in der „Nationalzeitung“ seine hervorragenden politischen Beiträge veröffentlicht.

Als die Bundesregierung dem Herausgeber das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit absprechen lassen wollte, half ihm Theodor Maunz nach Darstellung Freys vor dem Bundesverfassungsgericht mit einem Gutachten aus der Patsche, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“  am 11. Februar 1994 schrieb.

Nun ist Inge Deutschkron im Alter von 99 Jahren in Berlin gestorben. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhaus, Dennis Buchner, sagte, die Journalistin habe Deutschland mit ihrer Rückkehr „die  größtmögliche Ehre erwiesen“. Nach den Worten der Regierenden Bürgermeisterin  Franziska Giffey hinterlässt Inge Deutschkron  das Vermächtnis, niemals zu vergessen, was ihr und Millionen europäischer Juden angetan worden sei.

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