Peter Feldmann 2Staatsanwaltschaft klagt Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann an

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zwei Agenturmeldungen gingen fast gleichzeitig ein. Beide vermitteln das Gefühl von Willkür.

Die erste: Putins Pseudo-Justiz verurteilt Alexej Nawalny zu neun Jahren Haft wegen Untreue - zurzeit sitzt der Kreml-Kritiker eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe ab. Die Gründe sind in beiden Fällen konstruiert und dienen der Ausschaltung eines politischen Gegners. Ein Giftanschlag des russischen Geheimdienstes gegen ihn im August 2020 schlug fehl. Die Ärzte der Berliner Charité konnten sein Leben retten.

Die zweite informierte darüber, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann wegen des Verdachts der Vorteilsnahme im Amt erhebt.

Oder lautet die Anklageerhebung auf Vorteilsgewährung? Konkret geht es um den Arbeitsvertrag seiner Ehefrau, von der er mittlerweile getrennt lebt. Diese hatte bei ihrem Arbeitgeber AWO (Arbeiterwohlfahrt) besonders gute Konditionen für die Stelle als Kita-Leiterin ausgehandelt. Seitens der Arbeiterwohlfahrt wurde der Vertrag nicht von Peter Feldmann unterschrieben, der hatte einen völlig anderen Arbeitsbereich geleitet. Und auch nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister hat er keinen solchen Vertrag mit seiner Frau geschlossen.

Oder will die hessische Justizministerin (CDU) die Sippenhaft wieder einführen? Misst man die Dame an ihren fachlichen Äußerungen in Vergangenheit und Gegenwart, würde man ihr das zutrauen. Möglicherweise bereitet sie eine Regelung vor, der zufolge sich eine Ehefrau über ihren Ehemann definieren muss. Dann müsste die Ehefrau ihren Arbeitsvertrag dem Partner zur Genehmigung vorlegen, wie es im Adenauer-Staat vorgeschrieben war. Möglicherweise allmonatlich auch die Gehaltsabrechnung, um so etwas wie Kostgeld einzufordern.

Tatsache ist, dass die Ehefrau des Oberbürgermeisters ein Gehalt bezog, das für ihre Position ungewöhnlich hoch war. Zusätzlich stand ihr ein Dienstwagen zur Verfügung. Da diese gemeinnützige Organisation ihre Kosten für soziale Einrichtungen (z.B. Kitas) von der öffentlichen Hand erstattet bekommt, sind Nachfragen berechtigt.

Doch warum stellt man diese Fragen dem Oberbürgermeister?

Aber auch die mit dem Fall betrauten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sollten sich klar machen, dass gemäß BGB Vertragsfreiheit besteht und selbst im öffentlichen Dienst sowie den ihm gleichgestellten Diensten bei Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen nicht jede Aufgabe in ein starres Besoldungssystem passt. Falls man nicht in Mittelmäßigkeit verharren will, ist es unerlässlich, sich bei Bedarf fachliche Kompetenz zu den Konditionen des Marktes einzukaufen. Ob Letzteres bei Frau Feldmann der Fall war oder ob man ihr einen nicht gerechtfertigten Vorteil verschaffte, erschließt sich aus den bekannt gewordenen Fakten nicht.

Der Hessische Rundfunk veröffentlichte im November 2019 die Kopie einer Personaldatei, die mutmaßlich illegal beschafft wurde und als Beweis unzulässig sein dürfte. Auch Frau Feldmanns Anstellungsvertrag gibt offenbar keine Hinweise auf eine strafrechtlich relevante Beteiligung ihres Mannes.

Als außenstehender Beobachter habe ich zunehmend den Eindruck, dass der Verdacht auf Vorteilsgewährung, Vorteilsnahme, Bestechlichkeit, Bestechung, Betrug oder Untreue ausschließlich an der langjährigen Praxis der AWO Frankfurt festgemacht wird. Deren Leitungsebene hatte ein System von Vetternwirtschaft installiert. Diese nachweisbaren Verstöße taugen jedoch nicht, jeden verdächtigen Einzelfall pauschal und ohne Prüfung der Sachlage abzuurteilen. Glücklicherweise lässt unser Rechtssystem eine Aburteilung, wie sie in Putins Unrechtsstaat möglich wurde, de jure nicht zu.

Formalrechtlich jedenfalls nicht. Unterhalb dieser Schwelle scheint jedoch allem Anschein nach dagegen verstoßen zu werden. Hier ein Beispiel:

Im Oktober 2016 wurde ich im Außenbereich meiner Wohnung von einem mir Unbekannten niedergeschlagen, nachdem ich ihn aufgefordert hatte, die auf dem Privatgelände befindliche Ein- und Ausfahrt der Garage freizumachen. Obwohl ich blutüberströmt zu Boden gegangen war, gelang es mir noch, den Polizeinotruf auszulösen. Innerhalb weniger Minuten trafen zwei Streifenwagen mit jeweils zwei Polizistinnen bzw. Polizisten ein. Meine Verletzungen wurden protokolliert. Trotz der Indizien, die meine Schilderung des Tathergangs bestätigten, behauptete der Täter, von mir verletzt worden zu sein, wozu er vernarbte Kratzspuren an seinem Oberkörper präsentierte. Während die männlichen Polizeibeamten dies als Schutzbehauptung werteten, schienen die weiblichen Beamten eine Gegenwehr, eventuell sogar einen Angriff durch mich nicht ausschließen zu wollen. Die Polizistinnen ignorierten auch meinen Hinweis, dass in meinen Briefkasten - zeitgleich mit der Blockade des Grundstücks - Propagandamaterial der AfD eingeworfen worden war. Mir wurde lediglich angekündigt, dass ich zu einer Vernehmung in das 8. Polizeirevier in Frankfurt-Sachsenhausen geladen würde.

Zur Vorbereitung dieser Ladung sandte ich am Folgetag Fotos meiner Verletzungen, die von meinem Hausarzt attestiert wurden und ein eigenes Protokoll. Nach zwei Monaten traf ein Bescheid der Amtsanwaltschaft ein, dass das Verfahren gegenseitiger (!) Körperverletzung eingestellt worden sei. Eine Beschwerde bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass ich erst im Nachgang Angaben zum widerrechtlichen Eindringen in meine Wohnung gemacht hätte. Auch Dokumentationen zu meiner Verletzung lägen nicht vor. Man hätte die Sache aber zur endgültigen Klärung an die Amtsanwaltschaft zurückverwiesen. Die schrieb wenige Wochen später, dass der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nicht erfüllt sei. Zu den anderen Punkten äußerte man sich nicht. Das Verfahren blieb eingestellt.

Theoretisch wäre mir das Rechtsmittel der Klageerzwingung möglich gewesen. Doch ein solches Verfahren ist langwierig und kann teuer werden. Zudem hatte ich den Eindruck, dass Beweismittel unterschlagen worden waren. Ich verfüge lediglich über die E-Mail-Protokolle sowie über das ärztliche Attest. Ein ausführlicher Brief an den Staatssekretär im hessischen Justizministerium wurde bis heute nicht beantwortet. Seither hat sich mein Eindruck verfestigt, dass in Teilen der hessischen Justiz Willkür herrscht. Er wird bestärkt durch einen laxen Umgang einiger Behörden mit dem Waffenrecht (siehe den Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke) oder den unberechtigten Zugriff auf persönliche Daten von Politikern und Anwälten an hessischen Polizei-Computern, durch wen auch immer. Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs überkommt mich die Befürchtung, dass wir einem Unrechtsstaat näher sind als je zuvor (von der NS-Zeit abgesehen).

Oberbürgermeister Peter Feldmann kann ich nur raten, klug zu sein wie die Schlangen, ja, sogar listig. Denn die Gegner sind verschlagen.

Foto:
Peter Feldmann
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