Was wäre noch alles ganz anders gekommen, wenn nicht durch Fügung im Ablauf unserer offenen Geschichte möglich gemacht
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Seit dem Kriegsbeginn Russlands mit der Ukraine fühlen wir uns in die Fünfziger Jahre zurückversetzt. Und gleichzeitig in Empfindungsweisen als wir zu jenen Zeiten im Kino zu den Guten hielten und uns in Opposition zu den Bösen stellten. Vielfach.
Mit Spartacus gegen das Römisches Reich, in Fort Alamo gegen Santa Ana, der Aufstand des altbiblischen Richters Samson gegen die Philister, obgleich von Delilah, Geliebter des Philister-Königs, durch Verrat ausgeliefert. In diese kurz gefasste Reihe gehört auch Jesus Christus gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer.
Anfang 2020 gab es bereits schon einen kritischen Moment, der noch von 2014 herrührte („Annexion“ der Krim) als ich im Disput über jüngst dräuende Gefahren - zu denen auch China und alle neuerlich aufgekommenen Despoten, Autokraten und Diktatoren, wie auch Trump gehören - die angetreten sind, die Völker zu stressen und zu quälen, im kleinen Sportkreis mich auf die Force de Frappe bezog, die eine sein könnte, die wir durchaus noch brauchen könnten. Da kommt also manches zusammen, was fatalerweise weltweit sich über den Globus gefressen hat. Denn z.B. trägt auch Indien die Sanktionen gegen Putin nicht mit und kuschelt mit ihm, da der indische Subkontinent mit Modi von einem neuerlich zugespitzten hinduistischen Unfug, eingenommen wird, der als Erzählung wohl noch anginge, aber nicht als Konzept für die moderne, von religiös-weltanschaulichem Angstschweiß vielfach befreite Welt.
Neuerlich wieder höchlich dubios erscheint auch, wie die mehr als 50 Jahre alte stalinistische DKP-Linie Wiederauferstehung erlebt, indem von van Ooyen geäußert wird, es gebe nur Stalin gegen Hitler, wo jene doch als Zwillinge des totalitären Modells zu betrachten wären und sich als durchaus innerlich verwandt herausstellten. Hatte Ihn unvermittelt in Frankfurt am Römer beim Friedenstreff kurz nach dem Mainufer-Umzug der Ukrainer gegen Putins Aggression erblickt, bei dem er selbstverständlich durch Abwesenheit glänzte. Denn garantiert stimmt er in das Vorurteils- und Rechtfertigungssystem Putins mit ein. Auch Frau Wissler erweist sich immer mehr als Ziehkind der DKP, wenn sie Putin nicht weh tun will. Sie ist ein Ziehkind van Ooyens. Die Bundesebene ist für sie Nummern zu groß.
Lügen. Propaganda, Diffamierung
Unter diesem Zeichen taucht vieles auf, was lange Zeit nicht mehr möglich schien. Hannes Jaenicke hielt dem Verwirrspiel in Abgrenzung zu Alice Schwarzer und Dieter Nuhr hinsichtlich eines Aufrufs zur seidigen Erneuerung von Friedenspolitik entgegen: Frau Schwarzer als prädestinierte Salonpazifistin solle sich doch bitte nur noch zu Steuerfragen äußern. Als Sechziger Jahre-Geborener blieb ihm die ausgebrannte Frankfurter Oper immer im Gedächtnis. Herr Putin führe ja nicht den ersten Angriffs- und Vernichtungskrieg. Wir wüssten doch seit 20 Jahren wie er lügt und betrügt und wie er tickt. Sich nicht reinziehen lassen, wie die Unterschreibenden meinen, sei ein bisschen wie Chamberlain, der mit Hitler noch verhandelt habe.
In der Sendung Maischberger vom 25.05.2020 traten mit Claudia Major und CNN-Journalist Frederik Pleitgen zwei Expert*innen für Sicherheitspolitik auf, deren Ausführungen sich verschränkten. Major: „Am Anfang hat keiner geglaubt, dass die Ukraine lange bestehen kann.“ – Russland hingegen hat „Schwächen gezeigt, die keiner erwartet hat“. Wie es weiter gehe hänge auch von uns ab. Das 3-er-Paket Waffenlieferungen, finanzielle und humanitäre Unterstützung sowie Sanktionen gegen Russland haben dazu geführt, dass die Ukraine deutlich länger widerstanden habe. Die nächsten Monate seien also entscheidend dafür wie es weitergehe.
Im Donbass finde gerade die Hölle statt. Russland führe einen Vernichtungskrieg, die Taktik sei „wirklich eine Zerstörung der gesamten Region – ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur“. Frau Maischberger verweist auf den sog. Kreis – also eine Landbrücke - die Russland offenbar schlagen wolle, vom Donbass Richtung Moldau und Transnistrien. Die Kraft dafür fehle aber gerade. Auf jeden Fall ist jedoch weiterhin das Ziel, „die Ukraine als eigenständigen Staat infrage zu stellen, zu vernichten“. Letztendlich ist das Ziel die Bestreitung des Existenzrechts der Ukraine. Zunächst bleibe es beim „Sequenzkrieg“.
Frederik Pleitgen war bei der Schlacht um Kiew vor Ort als die Ukraine dann vormarschiert ist. Die Ukraine sei der Meinung, dass sie selbst im 21. Jahrhundert kämpft, Russland aber noch im Zwanzigsten. Die Ukraine habe eine klassische Armee mit Raketenwerfern, aber auch ein ganz großes Guerilla-Element. Das erinnert an die Aussage von Marina Weisband, die im Vorhinein feststellte, dass die Ukraine für einen schnellen Sieg zu groß sei und Russland mit einem Guerilla-Krieg zu rechnen habe. Pleitgen: Die Ukrainer sind klassisch sehr gut ausgebildet, aber auch mit Territorialverteidigung vertraut. Und die geht quasi von unten.
„Es waren ein paar Typen mit einer Drohne“
Russland hat es also mit einem schwer greifbaren Gegner zu tun. Pleitgen: „Und ich war bei einer Einheit, die fliegen Drohnen, die DGI-Drohnen, die 20 Minuten lang fliegen, die haben eine Panzergruppe von den Russen ausgespäht und haben mit dieser Drohne, weil sie auch Artillerie gelenkt haben, die haben es geschafft, 20 Panzer zu zerstören“. Daher rührt vermutlich auch die blanke Wut, die zum Massaker von Butscha geführt hat. Frau Maischberger führt diese Kampfhandlungen dafür an, dass die russischen Truppen so eine unglaubliche Vernichtung hinterlassen hätten. Pleitgen bestätigt, die Russen hätten geglaubt, das wird total einfach. In Belgograd sei ihm aufgefallen, dass sie mit vielen Raketenwerfern reingeschossen hätten, während diese russischen Soldaten blutjung gewesen wären. Man habe sich gefragt, wo denn die mittleren Ränge sind. Übrigens sei das Gerät der Russen komplett veraltet, weil sich die Haubitzen kaum bewegen könnten. Und viele Fahrzeuge seien zusammengebrochen. Frau Major weiß davon auch. Und zu alledem hätten sie gedacht, dass sie als Sieger empfangen werden würden.
„Butscha, das war schon grauenhaft“
Pleitgen, gefragt zur Lage im beginnenden 4. Monat des Krieges, sieht die Lage noch eher positiv. Zwar gebe es den Rückzug im Donbass, aber in Charkiw wurden die Russen zurückgedrängt. Das war den Ukrainern wichtig. Und zudem seien ein Großteil an Waffen seitens der USA noch nicht an der Front angekommen. Da kommt einem der Gedanke: deshalb wartet Scholz auch noch ein wenig. Er will sich ja nicht exponieren. Von 108 amerikanischen Haubitzen seien erst 12 im Einsatz, doch noch nicht genug Leute seien ausgebildet. Hinzu kämen Kamikaze-Drohnen und Haubitzen aus Frankreich und anderen Staaten. Putin droht daher. Dennoch könne die Ukraine „in ein paar Wochen“ eine Gegenoffensive starten. Der Krieg dürfte nach vorherrschender Meinung noch sehr lange dauern, das gilt als sicher. Major: beide Seiten meinten eben, dass sie noch gewinnen können. Wie der Krieg ende, so werde es nachher sein, deswegen wolle die Ukraine „so viel wie möglich“ zurückerobern. Pleitgen: Vorschnell einen Frieden einzugehen, wäre für Präsident Selenskij politischer Selbstmord. 82 Prozent der ukrainischen Leute sind nicht für einen Waffenstillstand.
Zudem müsse man erkennen, so Pleitgen, dass etwas Größeres am Werk sei. Und das geht vor allem die USA an. „Da sitzen die besten Experten..., die sich Tag und Nacht Gedanken machen, wie können wir was liefern, um den Russen so viel wie möglich weh zu tun, ohne dabei offiziell als Kriegspartei genannt zu werden.“ Haubitzen und Drohnen wurden „extra für diesen Krieg entwickelt...“. Und er schließt: - „...aber da ist ein großer Verbund am Werk und Deutschland muss sich halt entscheiden, ob sie dabei sind oder nicht.“ Kein Mensch glaube, da doch Deutschland die besten Autos der Welt baue und Logistik-Weltmeister sei, es hätte keine Ahnung, wo es Munition herkriege. - Das fordert Frau Major heraus: Ob die Ukraine den Krieg gewinne oder verliere, das sei wichtig in der Frage, in was für einem Europa wir langfristig leben wollten. Wenn Russland den Krieg gewönne, ziehe es den Schluss daraus, es lohnt sich, einen Angriffskrieg zu führen. Wollten wir also in einem Europa leben, wo das Recht des Stärkeren gilt?
Wenn die Ukraine der russischen Artillerie widerstehe wolle, dann brauche sie schwere Waffen. Der Bundestagsbeschluss hierfür gelte daher gemeinsam mit unseren Partnern. Die Ukraine braucht Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Flugabwehr. Hinzu käme die finanzielle Hilfe für den ukrainischen Haushalt und die humanitäre Hilfe. Und es geht auch um konsequente Wirtschaftssanktionen. Ohne das Militär werde es nicht gehen. Pleitgen war kurz nach dem Massaker in Butscha. Es wird ein Bild gezeigt mit Untertitel wie Mass Graves, Bodies Lining Streets as Russians Leave Towns; F. Pleitgen, Senior Intern. Correspondent. Er hat alles gesehen. Ein russischer Konvoi schob sich durch die bekannte Straße in Butscha - der von Cyber-Drohnen abgeschossen worden war. Ein einziges Trauma für Putin.
Brutalität – Dein Name wird im Krieg gegen die Ukraine unterfüttert
Es handele sich um einen Krieg an der oberen Kante. Leichen lägen absolut übel zugerichtet. Aber erst die ukrainische Bevölkerung, die zurückgeblieben und dann in die Dörfer und Städte zurückgekommen ist, die sei absolut traumatisiert gewesen. Pleitgen fuhr mit der russischen Nationalpolizei. In Budjanka, der Stadt nördlich von Kiew, da sagten Leute, russische Soldaten wären bei ihnen in Haus und Garten. Da lagen Leichen, die die Hände und Beine verbunden hatten und die Hosenbeine waren heruntergezogen, die waren voller Blutergüsse und eine Patronenhülse lag daneben. An anderer Stelle wurden Leichen eingesammelt und vier Leichen wurden aus einem kaputtgeschossenen Auto gezogen.
Doch mehr oder weniger offiziell wird von Russland verlautbart, Russlands größtes politisches und militärisches Problem sei die totale geopolitische Isolation. „Die ganze Welt ist gegen uns“. Auf diesen Kommentar hin aber wurde zurückgerudert, wohl auf Druck von oben. Wirklich bewegen tue sich nichts, aber es gebe verschiedentlich Anzeichen, dass Russland anerkenne, „dass es nicht nach Plan läuft“ – „Aber auf der Rede vom 9. Mai hat Putin selber von Verlusten gesprochen. Es sind hohe Militärs gefeuert worden“. Die Operation dauert jetzt schon lange. Major erkennt kein Zurückrudern der Ziele. Vielmehr: „Der Geheimdienstchef hat gesagt, wir müssen die Entnazifizierung der Ukraine zu 100 Prozent umsetzen, Russland rückt nicht von dem Ziel ab, die Ukraine als eigenständigen Staat auszulöschen“. Insofern besteht auch keine Bereitschaft zu Verhandlungen.
Pleitgen weiß davon, dass die Moderatorin der ukraine-feindlichen Sendung (die er von einer Geburtstagsparty kennt) selbst nicht an sowas wie Entnazifizierung glaube. Einer habe gesagt, dass er sich wundere, „dass jedes Mal die Leute ihm sagen, er muss immer über die Ukraine reden, die ganzen letzten Jahre“, das heißt auch, „die Ukraine entmenschlichen, sagen, dass Selenskij und seine Regierung alle auf Drogen sind, sagen, dass dort überall Nazis sind“. Und das schließt ein, dass es eigentlich „russisches Territorium ist, dass es eigentlich alles nur Geschenke sind, die Lenin [!] und andere der Ukraine gemacht haben“ und so sei in der Bevölkerung auch der Rückhalt für diese Offensive wie sie sei. Und von seinen Chefs wurde immer wiederholt: „Ihr müsst immer weiter Ukraine [d.h. Hetze] machen. Und das sei auch das, was die höchste Quote mache.
Maischberger richtet eine Nachfrage an Frau Major, was 1., 2. und 3. WK angeht: Wie hoch ist denn tatsächlich die Gefahr..., dass sie dann auch strategisch-taktisch die Atomwaffe einsetzen, um... weiterzukommen? – Major antwortet damit, dass alle Drohungen darauf abzielten, „den Amerikanern, westlichen Staaten zu sagen, mischt euch nicht ein!“ Für Russland gelte als Ziel, „Unruhen in den Öffentlichkeiten zu schüren und Angst zu verbreiten...“ – „Das wirkliche Risiko für den Einsatz von Atomwaffen halte ich für gering...“ Solche Drohungen stellten sich als rhetorisch schwankend dar, Putin sende wohl sehr klare aus, dann aber geschehe es häufig, dass der Außenminister das wieder zurücknehme, der wolle natürlich auch keinen Atomkrieg und den könne man nicht gewinnen. Und dann käme noch der Kremlsprecher und drehe es nochmal zurück.
Es handele sich um rhetorische Drohungen, die nicht militärisch unterlegt werden, es gebe keine Verlegung beispielsweise von Sprengköpfen zu Waffen. „Wir haben keine zusätzlichen Scharfstellungen oder ähnliches, „d.h. es ist lange rhetorisch, militärisch...nicht hinterlegt“. Welchen Gewinn sollte Russland dadurch auch haben? Viel diskutiert worden sei die Frage einer taktischen Atombombe, also einer, die man im Gefecht einsetzen könnte. Oder gar ein Demonstrationsschlag über der Ostsee, der sage: bis hierhin und nicht weiter. - Aber hierzu müsse man sagen, „das wäre ein Bruch des nuklearen Tabus, was das erste seit dem Zweiten Weltkrieg wäre. Die Kosten wären enorm hoch. Auch die anderen Staaten, wie beispielsweise China, „könnten einen Bruch des nuklearen Tabus nicht hinnehmen, d.h. die Kosten für Russland wären enorm hoch“.
Was mit der Ukraine passiert gehört zu den Nachwehen des totalitären Zeitalters, das von Patriarchalisch-Autoritären in der Welt gerne wieder neu aufgebracht wird. Weil sie keine tragfähigen Konzepte und Entwürfe haben, gehen sie auf Kriegstour oder verbreiten Fake-News. Hierin gleicht sich übrigens auch extrem Links und Rechts auf seltsame Art. Das hat mit dem Mangel des Respekts vor der eigenen Art zu tun. Gerade die Pandemie und das Impfen war für die Rechte ein gefundenes Fressen. Die Linke ist in ihren Statements zur Ukraine zu keinerlei Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls im Hinblick auf die Betroffenen fähig.
Foto © Öffentlich-Rechtliche
Info:
Sendung Maischberger ARD 25.05.2022