dw.comhandWie steht es um die Korruptions-Bekämpfung  in der Ukraine?

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) -  Wenige Tage vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, auf dem über die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union entschieden werden soll, hat die scheidende  Vertreterin des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Kiew, Gusta Ljungström, eine nach Darstellung der Süddeutschen Zeitung „vernichtende Bilanz“ der Bemühungen um die Eindämmung der Korruption gezogen. Immer noch verliere die Ukraine durch Korruption  jedes Jahr Milliarden Dollar, mehr als sie durch IWF-Kredite bekomme.

Der slowenische Leiter einer Arbeitsgruppe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD )zum Thema Bestechung, Drago Kos, äußerte sich ähnlich. Die Süddeutsche Zeitung vom 20. Juni zitiert ihn mit den Worten: „Die Ukraine wird immer noch  von Korruption auf hoher und höchster Ebene zerfressen.“ Gleichwohl erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an die Adresse der Ukrainer gerichtet: „Ihr gehört mitten in die EU“. Logischerweise sei das ein schwieriger Prozess, aber es gelte jetzt, „nicht nach Schema F zu verfahren.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hielt den Kritikern in Dänemark entgegen, eine so entwickelte Anti-Korruptions-Infrastruktur wie in der Ukraine existiere „selbst in vielen Ländern der EU nicht“.

Der Süddeutschen Zeitung liegt exklusiv ein vom dänischen Außenministerium für die EU  in Auftrag gegebener Bericht über die Arbeitsbedingungen der Anti-Korruptions-Behörde NABU in der Ukraine vor, dessen Erkenntnisse so alarmierend seien, dass das 48 Seiten umfassende Papier bis heute geheim halten würden. Die Detektive der Behörde hätten in Kiew „einen  generellen Mangel an echtem Willen zur Korruptionsbekämpfung“ festgestellt. Ihre Arbeit sei absichtlich erschwert oder verhindert worden. Die Vorwürfe träfen auch auf den von Selenskijs Jugendfreund Ivan Bakanow geführten Inlandsgeheimdienst SBU und die  Generalstaatsanwaltschaft zu, die von Selenskijs vormaliger  Wahlkampfjuristin Irina  Wenediktowa geleitet werde.

Die Erschwerung oder Sabotage von Anti-Korruptions-Ermittlungen in der Ukraine  sei offenbar „extrem gut koordiniert oder von sehr hoher Ebene in Auftrag gegeben“ worden, heiße es in dem Report. Besonders besorgniserregend sei der zunehmende Glaube ukrainischer  Entscheidungsträger, dass sie Staatsanwälte als ihr Werkzeug zum eigenen und dem Schutz politischer Verbündeter vor der Strafjustiz behandeln könnten.

Abschließend heißt es in der Süddeutschen Zeitung, weder das Kiewer IWF-Büro  noch die EU-Delegation in Kiew seien  zu einem Gespräch  bereit gewesen. Das Gleiche gelte für Mitglieder der Präsidialverwaltung und  etliche Parlamentarier der Selenskij-Partei. IWF, EU und andere westliche Geldgeber wollten die durch den Krieg vom Bankrott bedrohte Ukraine stützen  - wie sich das mit den ausgebliebenen Reformen vertrage, sei zur Zeit als Thema tabu.

Bleibt nur noch nachzutragen, dass die Ukraine im jüngsten Korruptionsindex von Transparency International Platz 122 von 180 zu vergebenden Plätzen belegt, wie  im Stern vom 17. Juni nachzulesen war. Dort hieß es in diesem Zusammenhang, in der Ukraine existiere ein Netzwerk von Oligarchen, die durch ihr Geld erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung, auf die Regierung, die Justiz und die Wirtschaft ausübten. Dem Präsidenten nahe stehende Personen würden bei der Strafverfolgung ausgenommen.

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