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Das israelische Sicherheitskabinett beschloss nach Terrorattacken in Jerusalem Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Nach einer über dreistündigen Sitzung verabschiedete das israelische Sicherheitskabinett am Samstagabend gegen Mitternacht die folgenden Beschlüsse zur Bekämpfung des Terrorismus:


1.    Das Zuhause des Terroristen, der die Terrorattacke in Jerusalem verübt hat, wird unverzüglich noch vor seiner Zerstörung versiegelt.
2.    Die Rechte der Nationalversicherung und weitere Vergünstigungen für die Familien von Terroristen, die den Terrorismus unterstützen, werden aberkannt.
3.    Die Gesetzgebung zur Aberkennung der israelischen Identitätskarten der Familien von Terroristen, die den Terrorismus unterstützen, wird im Rahmen der Regierungssitzung diskutiert         werden.
4.    Die Lizenzen für Feuerwaffen werden beschleunigt ausgegeben und ihre Vergabe ausgedehnt, um tausenden weiterer israelischer Bürger zu ermöglichen, Waffen zu tragen.
5.    Als Antwort auf die schrecklichen Attacken und den Feierlichkeiten in ihrem Anschluss, hat Premier Binyamin Netanyahu Schritte zur Stärkung von Siedlungen beschlossen. Diese Schritte werden diese Woche unterbreitet.
6.    Die Verstärkung von Militär- und Polizeieinheiten, Verhaftungen und konzentrierte Operationen, um illegale Waffen einzusammeln, werden durchgeführt.

Die israelische und die palästinensische Bevölkerung erlebten Tage, die an die schlimmsten Höhepunkte der Intifada-Unruhen der letzten Jahre erinnern. Viele Staaten von den USA über die Ukraine, Russland, Frankreich, Taiwan oder dem arabischen Friedensblock bringen den Israeli ihr Mitgefühl zum Ausdruck und verurteilen den Terror, fordern aber gleichzeitig beide Seiten zur Zurückhaltung und zur Einhaltung der internationalen Gesetze auf.

«Mutter, du wirst stolz auf mich sein», schrieb der 13-jährige Ost-Jerusalemer Terrorist dieses Wochenende in sein Schulheft, bevor er mit einer Feuerwaffe einen Fallschirmspringer-Offizier der Israel Defense Forces (IDF) und dessen Vater erheblich verletzte. Eindrücklicher als viele gescheite Überlegungen und Spekulationen widerspiegeln diese Worte des Knaben die effektive Aussichtslosigkeit der Situation im israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Aussichtslosigkeit aus der heutigen Lage ist so offensichtlich, dass vielleicht gerade deswegen aus ihr die Chance auf einen gangbaren Ausweg emporwächst. Wenn nur den Entscheidungsträgern die Zeit nicht davonläuft.

Am Donnerstag attackierten IDF-Truppen in Jenin in Nord-Samaria in den besetzten Gebieten Einheiten des Palästinensisch-Islamischen Jihads (PIJ), darunter Gruppierungen, die sich laut IDF angeschickt hatten, zur Verübung von Terroranschlägen nach Israel auszurücken. Resultat der israelischen Aktion: 9 palästinensische Tote, vorwiegend Terroristen.
In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag wurden zwei Raketen von Gaza in Richtung Aschkelon abgefeuert. Beide Geschosse konnten durch das Luftverteidigungssystem «Iron Dome» unschädlich gemacht werden.

Einige Stunden später schossen die Terroristen drei weitere Raketen gegen jüdische Gemeinden entlang der Grenze zum Gazastreifen. Eine der Raketen wurde vom «Iron Dome» abgefangen, eine zweite landete im offenen Gelände, während die dritte Rakete laut den IDF innerhalb des Gazastreifens niederging. Die israelische Armee führte Vergeltungsschläge auf Ziele durch, zu denen ein militärisches Lager der Hamas im nördlichen Gazastreifen zählte, und eine unterirdische Produktionsfabrik für Raketen der Hamas. Laut IDF wurden den Bemühungen der Hamas, sich zu bewaffnen und zu stärken, «bedeutender Schaden» zugefügt. Die Hamas als herrschende Fraktion im Gazastreifen wird für alle Attacken von dort aus verantwortlich gemacht.

Israels Verteidigungsminister Yoav Galant, der angesichts der dringenden Lage noch am Schabbat aus den USA zurückgekehrt war, erklärte, er habe das Verteidigungsestablishment instruiert, sich auf Aktionen «mit einer Reihe von offensiven Massnahmen» vorzubereiten, die sich gegen hoch-qualitative Ziele zu richten hätten. Wenn nötig, sollen die Aktionen laut Galant so lange fortgesetzt werden, bis der «Friede für die Bürger Israels wieder hergestellt ist».

Die Kette der Terrorverbrechen wurde am Freitagabend fortgesetzt, als ein Terrorist in Neve Yaacov nördlich von Jerusalem sieben Israeli erschoss und drei weitere teils schwer verletzte. Entgegen anfänglichen Meldungen hatten die Toten und Verletzten nichts zu tun mit einer nahe dem Ort des Zusammenstosses befindlichen Synagoge, sondern waren Passanten. Wie aufgrund der Erfahrung zu befürchten war, folgte bereits am Samstag ein «Nachahmungs-Attentat»: Ein israelischer Vater und sein Sohn wurden in der Ir David (Davidsstadt) in der Jerusalemer Altstadt durch Schüsse schwer und mittelschwer verletzt. Das alleine wäre schon mehr als schlimm genug. Noch gravierender ist allerdings die Tatsache, dass es sich beim Täter um einen 13jährigen Knaben handelte, der wahrscheinlich die Tatwaffe bei einem Familienmitglied entwendet hat. Der Knabe wurde bei seinem Verbrechen durch israelische Sicherheitskräfte ernsthaft verletzt.

Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob mit weiteren Nachahmer- und Racheakten zu rechnen ist, oder ob die Appelle besonnener Kräfte in Israel, aber auch im näheren und weiteren Ausland erfolgreich sein werden mit ihren dringenden Appelle zur Beruhigung. Vergessen wir nicht: In wenigen Wochen beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan, der potentiell weiteres Material zur Erhitzung der Gemüter beinhalten kann. Vor Beginn der Krisensitzung erklärte Premier Netanyahu, es würden «harte und rasch wirksame» Massnahmen getroffen werden. Ob die Erleichterung des Tragens von Feuerwaffen für die breite Bevölkerung oder die Verstärkung des Siedlungswerks in den besetzten Gebieten zur Beruhigung der Gesamtlage wesentlich beitragen werden, ist allerdings mehr als fraglich.

 
Foto:
Israelische Grenzpolizisten im Osten Jerusalems neben dem Haus der Familie eines palästinensischen Schützen, der bei einem Anschlag vor einer Synagoge mehrere Menschen getötet hat ©tachles

Info: 
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 30. Januar 2023