Yves Kugelmann
Zürich (Weltexpresso) - Es musste alles schnell gehen, als vor zwei Jahren mitten in der Pandemie in Zürich Schilder mit dem Begriff «Mohren» aus Zürichs Innenstadt entfernt wurden. Stadtpräsidentin Corine Mauch wollte das so. Letzte Woche erlitt der Zürcher Stadtrat eine erste Niederlage. Das Baurekursgericht hat der Stadt nicht erlaubt, die Hausinschriften «Zum Mohrenkopf» und «Mohrentanz» in der Zürcher Altstadt abzudecken.
Hierbei handle es sich um Häuser mit geschützten Fassaden, so das Baurekursgericht. Am Dienstag nun kommt eine umfassende Studie der ETH zum Schluss, dass die beiden Inschriften «Zum Mohrenkopf» und «Zum Mohrentanz» erst im 20. Jahrhundert angebracht worden seien. Der Stadtrat möchte nun gegen den Entscheid des Baurekursgerichts vorgehen.
Zürichs potentielle Kolonialgeschichte, soll gecancelt werden aus dem öffentlichen Stadtbild. Mit dieser konsequenten Haltung sieht es anders aus, wenn es in der Schweiz um das Verbot von Nazisymbolen, rechtsextremen Hooligan-Agitationen in Fussballstadien oder ausbleibende Positionierung der Stadtpräsidentin gegen Antisemitismus oder – wie geschehen – antisemitische Bedrohungen geht.
Auf eine Anfrage der Gesellschaft Schweiz-Israel zur Intervention gegen ein Konzert des ehemaligen Pink-Floyd-Musikers Roger Waters, bleibt die Stadtpräsidentin ebenso zurückhaltend wie bei früheren Bitten um klare Positionierung in Sachen Antisemitismus etwa nach Attacken in Zürich auf jüdische Bürger. Nicht zu erwähnen, dass Stadtpräsidentin Mauch dem NS-Kollaborateur Bührle eine Plattform bietet, die in einer anderen europäischen Stadt so nicht möglich gewesen wäre. Inzwischen kostet das die Stadt Millionen, statt dass die Familie dafür gradesteht: rund acht Millionen Franken Zwangsarbeiterentschädigung, bis jetzt 500 000 Franken für Provenienz. Die Zahl wird bald höher, wenn der Vertrag mit der Expertenkommission Bührle in diesen Tagen zu Ende verhandelt ist.
Irgendwie hat Zürich eine hohe Treffsicherheit, in Sachen Aufklärung gegen Diskriminierung Trends aufzusitzen und falsch zu reagieren. Denn wer im öffentlichen Raum Mohren-Referenzen verbieten möchte, nun auf einmal in Sachen Bührle unter massivstem Druck eine 180-Grad-Kehrtwende macht, müsste Auftritte von Roger Waters längst verbieten. Opportunismus war noch nie Ersatz für Haltung – und jegliche Formen des Ablasshandels sowieso nicht. Besser allerdings wäre gewesen, die Causa Bührle vor Eröffnung der Ausstellung zu lösen, die Mohren mit Hinweistafeln in Zürich und Auftritte von Roger Waters zu belassen, allenfalls mit einem öffentlichen Schreiben an den Künstler oder einem Plakat im Hallenstadion mit Aufruf gegen Antisemitismus.
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Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 31. März 2023