Israel geht nach den Abstimmungen in eine neue Realität
Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Wohl noch nie in seiner modernen Polit-Geschichte stand der Staat Israel vor einer derart ungewissen Zukunft wie jetzt. Nach dem Zusammenbruch der Kompromiss-Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition am Montag und den anschließenden Abstimmungen im Eilzugstempo aller hängigen Vorlagen entwickelte sich eine Ungewissheit, die derart tiefschürfend ist, dass sogar Persönlichkeiten noch Gehör der Öffentlichkeit fanden, die sonst mit dem aktuellen Geschehen nur noch wenig zu tun haben .
An erster Stelle wäre hier ex-Premierminister Ehud Olmert zu nennen, der nach den Abstimmungen in der Knesset vor nicht mehr oder weniger warnte als einem bevorstehenden Bürgerkrieg für Israel. Die Polizei verhaftete in den von tausenden Demonstranten im ganzen Land besuchten Kundgebungen – vor allem in den Großstädten Tel Aviv und Jerusalem – 18 beziehungsweise 21 Personen.
Insgesamt wurden bei Zusammenstössen bei der Räumung der Auto-Schnellstrasse Ayalon bei Tel Aviv zehn Polizisten verletzt.
In einer kurzen TV-Rede schlug Premier Netanyahu einen versöhnlichen Ton an, die aber von der Opposition erwartungsgemäß als «leere Worte» in Bausch und Bogen verurteilt worden waren. Nicht wenige Reaktionen nahmen den bevorstehenden Fasttag des Tischa beAw (Er wird zum Andenken an den zerstörten Tempel zu Jerusalem alljährlich begangen.) im Mittelpunkt.
Ein Journalist des Masseblattes «Yediot Achronot» orakelte, dass das Volk heute wieder vor einem Abgrund stehe. «Haaretz» übertitelte seinen Bericht mit den prophetischen Worten «Das ist erst der Anfang». In seinem publizisizischen Auftritt versicherte Netnayahu, bald mögluchst Gespräche zwischen Koalition und Opposition zu beginnen. An sich ein löbliches Versprechen. Nimmt man allerdings die bisherigen Gespräche und deren Ausgang zum Masssab, kommt dem Leser eher das Gleichnis vom «Spielen auf Zeit» in den Sinn. Oder wie die «Jerusalem Post» am Dienstag ihren Leitartikel überschreibt: «Nach der Annahme des Vernünftigkeits-Gesetzes schwebt die Nation im Durcheinander».
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Durchnässte Demonstrierende in Tel Aviv am Montag
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