ISRAEL:IDF-Offiziere verdarben Netanyahu die Kurzferien
Jacques Ungar
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Tel Aviv (Weltexpresso) - Zwei Themen standen Premierminister Binyamin Netanyahu und seiner Familie bei der störungsfreien Abhaltung von Kurzfeien in einer Golan-Siedlung im Wege: Die wichtigen Diskussionen mit hohen IDF-Offizieren, aber auch die Debatte mit ultra-religiösen Koalitionspartnern über das Dienstbefreiungsgesetz. Die Ferien mussten schließlich verschoben werden.
Eigentlich hätte Israels Regierungschef Binyamin Netanyahu seinen hohen Offizieren am liebsten ans Herzen gelegt, die Sorgen betreffend die Kampfbereitschaft seiner Truppen zu verstecken und zu verharmlosen. Zu diesem Zweck hatte Netanyahu seinen Aufenthalt auf dem Golan unterbrochen und ein «dringendes» Treffen mit Generalstabschef Herzi Halevi anberaumt. Es nützte aber alles wenig: Das Volk bekam viel rascher, als es der Führung Israels lieb war, Wind von der Auswirkung der Dienstverweigerung von Reservisten – speziell der Luftwaffe – auf die Kampfbereitschaft der Truppe.
Die negative Auswirkung könnte laut IDF-Offizieren bereits in den nächsten zwei Wochen Realität werden. Dem Fußvolk reinen Wein einzuschenken, hätte nach Netanyahus Ansicht und derjenigen seiner Leute nichts genützt. So blieb Netanyahu nichts anderes übrig als in eine Dringlichkeitssitzung mit Hezi Halevi, Verteidigungsminister Joaw Gallant, dem Luftwaffenkommandanten Tomer Bar, den Geheimdienstchefs und anderen hohen Offizieren abzuhalten. Der Generalstabschef formulierte es sinngemäß wie folgt: «Wir können nicht beiseite stehen, während unsere Bereitschaft geschädigt wird.» Für die nächsten paar Wochen wird, wenn die Offiziere mit ihren Prognosen Recht bekommen, noch nichts geschehen. Dann aber könnte es, bildlich gesprochen, «brennen». Und dann sollte die Landesführung Gewehr bei Fuß bereitstehen und die Befehle erteilen, auf die das Volk so dringend wartet. Nicht zuletzt auf ein sachtes Abrücken von der bis jetzt mit aller Gewalt verteidigten Justizreform.
Nicht wenige Stimmen aus Opposition wie aus der Koalition stellen zumindest die Frage, ob Premier Netanyahu dann der richtige Mann am wichtigen Platz sein wird. Schließlich geht es nicht nur um die Kampfbereitschaft der IDF, sondern auch um die Abschreckungswirkung Israels seinen Feinden gegenüber. Und weil neben der Sicherheitsdiskussion dieser Tage auch die ultra-religiösen (sprich «charedischen») Koalitionspartner Netanyahus sich immer lauter zu Worte gemeldet hatten und von Netanyahu die Annahme des Dienstbefreiungsgesetzes verlangten, sah der Regierungschef keinen anderen Ausweg als die Ferien, die er zusammen mit Gattin und Sohn auf dem Golan verbringen wollte, zunächst mal zu verschieben, um sich mit voller Kraft den drängenden Alltagsproblemen zu widmen. Zunächst dürfte Netanyahu mit seinem Aufruf an die Orthodoxen Erfolg haben, dass gerade jetzt nicht der geeignete Moment sei, um das Dienstbefreiungsgesetz anzupacken. Früher oder später wird Netanyahu sich aber auch vor diesem Thema nicht mehr drücken können. Ob dann seine Koalition in ernsthafte Gefahr geraten könnte, kann jetzt noch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 14. August 2023