Protestierende sehen auch die Frauenrechte mit der Justizreform in Gefahr
Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Die meisten Israeli sind pessimistisch über die Zukunft der Demokratie. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Umfrage des Israelischen Demokratie-Institutes (IDI), von der hier einige Auszüge zitiert werden.
Gemäß der neuen Umfrage, die im Anschluss an die letzten Monat erfolgte Verabschiedung der Gesetzgebung zur Widerrufung der Autorität des Obersten Gerichtshofes erstellt wurde, stehen viele Israeli diesem Regierungsbeschluss sehr kritisch gegenüber. 58 Prozent der Israeli glauben Folgendes: «Wegen der besonders schweren internen Krise ist der Staat Israel... am Rande eines ökonomischen, sozialen und politischen Zusammenbruchs». Nur ein Drittel der Antwortenden stimmt mit dieser Aussage nicht überein. Ein großer Teil des linken Flügels ist mit dem Statement einverstanden (94 Prozent). Demgegenüber wurde die Aussage grösstenteils zurückgewiesen von den vorwiegend religiösen Juden und der politischen Rechten (37 Prozent).
Gemäss israelischem Gesetz bezieht sich der Begriff «Vernünftigkeit» auf ein Gleichgewicht zwischen politischen und öffentlichen Interessen ohne genügend Rücksicht für öffentliches Vertrauen und dessen Schutz.. Das gilt eher für administrative Entscheidungen und Regierungsernennungen als für Gesetzgebungen durch die Knesset. Der Vernünftigkeits-Begriff wurde früher dieses Jahr benutzt, um den Shas-Vorsitzenden Arie Deri zu disqualifizieren, als Gesundheits- und Innenminister zu dienen. Da Deri drei Mal wegen krimineller Vergehen verurteilt worden war, sei diese Ernennung «extrem unvernünftig». Er hatte es in der Folge versäumt, der Öffentlichkeit «loyal und gesetzestreu» zu dienen. Über 60 Prozent der Befragten brachten das Gefühl zum Ausdruck, die neue Gesetzgebung sei schlecht für die Demokratie. Nur 35 Prozent sahen diese als gut oder als Durchbruch an. Das folgte auch religiösen und politischen Parteilinien: 72 Prozent von Unterstützern der Koalition befürworteten die Veränderung im Gegensatz zu nur 4 Prozent von Wählern der Opposition. – Die Verabschiedung der Legislation führte zu unverzüglichen Warnungen von grossen internationalen Finanzinstituten. Diese Ansicht teilten zu einem oder anderen Grad 49 Prozent der Israeli. Diese Ansicht war laut IDI «eng verhängt mit der politischen Orientierung der Antwortenden». (...)
Davon ausgehend, dass in der Zwischenzeit die Koalition Netanyahu weiter im Amt bleibt, glauben 35 Prozent der Israeli, dass die Regierung fortfahren wird mit ihrem Legislativ-Programm, sobald die Knesset-Pause beendet sein wird. Weitere 31,5 Prozent glauben, dass sie mit einem verlangsamten Tempo fortfahren wird, und nur 4 Prozent glauben, dass die Koalition ihre Bemühungen total beenden wird. In diesem Fall haben 56 Prozent der Israeli wissen lassen, dass sie damit rechnen, dass die Proteste gegen die Reformbewegungen stärker sein werden.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 15. August 2023