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Zur verdrängten Geschichte der Bundesrepublik, Teil 3/4

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) - Auf einer Gedenkveranstaltung zum 20. Todestag der Geschwister Scholl in Rom übte der Direktor des Historischen Instituts in der Toscana, Professor Francovich, Kritik an der Diskriminierung kommunistischer Widerstandskämpfer in der Bundesrepublik.


Es sei bedauerlich, dass man in Westdeutschland die Widerstandsbewegung gegen Hitler nicht als einheitliches Ganzes betrachte, sondern die kommunistischen Opfer zu diskriminieren versuche. Für den von den Nazis aus rassischen Gründen verfolgten Publizisten Ralph Giordano war es ein Zeichen für die Unwahrhaftigkeit, mit der das Thema Widerstand in der Bundesrepublik behandelt werde, dass ein „gewisser Widerstand“ nie gesellschaftsfähig geworden sei und von der konservativen Rechten bis hin zur Sozialdemokratie schlicht unterschlagen werde, nämlich der Widerstand links von der SPD. „Die Aussparung wird begründet mit dem Argument, die Kommunisten wollten selbst eine Diktatur errichten. Ja, gewiss - und die haben sie dann auch dank der Tatsache, dass der Überfall auf die Sowjetunion diese ins Herz Europas hineinprovoziert hat, in einem Teil Deutschlands etabliert. Und deshalb dürfen historische Tatsachen, wie der Widerstand deutscher Kommunisten, minimalisiert oder gar völlig geleugnet werden? Wie ungefestigt, wie schwach muss eine Gesellschaft sein, die sich solchem Opportunismus verschreibt? Aber dahinter lauert noch etwas anderes, nämlich die verbreitete These, dass Hitler ‘in diesem Punkt’, in seinem Antikommunismus, ‘jedenfalls recht gehabt hat’. Wir sehen, mit wem wir es zu tun haben: mit dem nichtdemokratisch, nicht humanitär motivierten, mit dem aus der Nazizeit überkommenen Antikommunismus, der in der Bundesrepublik immer noch, und das bis in die höchsten Ränge, exemplarisch ist und der sich im Streit mit seinen stalinistischen und nachstalinistischen Kontrahenten nur noch einmal ausweist als das Kampfgetue zwischen Brüdern im Ungeist totalitärer Rivalitäten.“ (R. Giordano, „Die zweite Schuld oder Von der Last, Deutscher zu sein“, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur, München 1990, S. 70 f.).

 

Im Deutschlandvertrag von 1952 hat sich die Bundesrepublik gegenüber den Westmächten verpflichtet, den Verfolgten des Naziregimes zumindest jene Rechtsstellung zu garantieren, die das US-Entschädigungsgesetz vorsah, und zwar „ohne Diskriminierung irgendwelcher Gruppen oder Klassen verfolgter Personen“. Gegen diese Verpflichtung verstieß die Bundesrepublik nicht nur mit dem Ausschluss von Kommunisten von Entschädigungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, sondern auch mit ihrem Verhalten gegenüber Opfern des NS-Regimes nach der Wiedervereinigung. Mit dem Gesetz vom 22. April 1992 über die Entschädigung solcher Opfer in den neuen Bundesländern werden Leistungen ebenfalls vom Verhalten der Anspruchsberechtigten nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus abhängig gemacht und damit in Prämien für politisches Wohlverhalten in der Gegenwart umgewandelt.

 

Aber manch einem genügte es nicht, Opfer nationalsozialistischer Verfolgung mit dem Entzug von materiellen Leistungen dafür zu bestrafen, dass sie ihre Weltanschauung nicht preisgeben wollten,  sie sollten auch in ihrer moralischen Existenz getroffen werden. Franz Josef Strauß erklärte: „Wer als Antifaschist gelten will, der muss Anti- Totalitarist sein, der muss gegen alle totalitären Systeme sein.“ (Frankfurter Rundschau, 14. Januar 1987).  Der „Antifaschismus“ sei eine Wortschöpfung der Kommunisten, die sich zu Tarnzwecken schon in den 30er Jahren dieses Firmenschild zugelegt hätten,  schrieb die rechtsradikale „Deutsche Wochenzeitung“ am 5. Oktober 1979.  Ähnlich äußerte sich der stellvertretende CSU-Vorsitzende Friedrich Zimmermann im „Bayern-Kurier“ vom 6. Oktober 1979: „‘Antifaschismus’ ist ... eine Vokabel zur Verschleierung der Gründe, aus denen die Kommunisten ... gegen Hitler waren und kämpften ... Sie dient zur Verschleierung der Ziele des Kommunismus und überdies als Brücke einer verlogenen Gemeinsamkeit, auf die vor allem die Sozialdemokratie gelockt werden soll.“  Hingegen meinte der nordrhein-westfälische Kultusminister Jürgen Girgensohn (SPD), ehemals Angehöriger der Waffen-SS: „Ich unterscheide sehr wohl, wer im Zweiten Weltkrieg die anderen Völker überfallen und die Juden vergast hat - das waren die Rechtsradikalen und nicht die Kommunisten. Die saßen in Konzentrationslagern.“ Als es Ende der 1980er Jahre in Berlin zu einem Konflikt wegen einer katholischen Ausstellung über den Widerstand gegen Hitler kam, wandte sich die damalige Bürgermeisterin und Schulsenatorin Hanna-Renate Laurin (CDU) dagegen, den kommunistischen Widerstand wegzulassen. In einem Brief schrieb sie: „Ich kann Ihre Auffassung nicht teilen, den kommunistischen Widerstand von anderem, so genanntem freiheitlichen Widerstand wertend zu unterscheiden. Wer gegen Hitler aufstand, tat dies im Namen der Menschlichkeit.“ (AP, 11. Juli 1988). 

Schluss folgt

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Info:
Aus Conrad Taler, „Gegen den Wind“, PapyRossa Verlag 2017