Unter den Linden 9Weitere Verlegungen von Stolpersteinen in Schlüchtern, Teil 3


Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Neue Stolpersteine in  
                                              Unter den Linden 9

Salomon (Sally) und Ida Rosenbaum besaßen ein einträgliches Geschäft für Handarbeitszubehör in Schlüchtern Unter den Linden 9. Doch als der Judenhass zunahm, hatten die beiden mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. 


Die Schaufenster des Ladens wurden ständig eingeschlagen und verwüstet. Täglich standen Nazischergen vor dem Laden und zwangen die Kunden ihre Einkäufe in „arischen“ Läden zu tätigen. Wie viele Schlüchterner Juden flohen die Rosenbaums 1937 nach Frankfurt, wie es ihnen dort erging weiß man nicht. 1941 wurden sie von den Nazis in das Ghetto von Minsk verschleppt und sind dort umgekommen, ihr genauer Todesort ist nicht bekannt.

Ida Karola and Ottillie

Ihre Töchter Karola und Ottilie Rosenbaum (Foto links mit Mutter Ida ) ahnten rechtzeitig die Bedrohung durch die Nazis und versuchten mehrfach nach Palästina zu entkommen, was ihnen nach etlichen Schwierigkeiten gelang. Karola konnte dort die Karriere als Musiklehrerin nicht fortsetzen und musste, wie ihre Schwester Ottilie, anfangs als Hausmädchen arbeiten. Beide gründeten Familien, bekamen jeweils zwei Kinder und arbeiteten in der Landwirtschaft. Später bewirtschafteten sie gemeinsam einen Bauernhof. Von ihren abenteuerlichen Erlebnissen wird Mika Maman, die Urenkelin Karola Rosenbaums, am kommenden Mittwoch bei der Verlegung der Stolpersteine berichten. Wir stellen vorab Auszüge aus ihrer Rede vor. 



„Über die Familie Rosenbaum“ von Mika Maman (überarbeiteter Auszug)
„Wir schreiben das Jahr 1935. Ein Schiff fährt über das Meer nach Palästina. Eine junge Tennisspielerin ist auf dem Weg zu den Maccabiade-Spielen (die größte internationale jüdische Sportveranstaltung, ähnlich wie die Olympischen Spiele konzipiert), die in Kürze beginnen werden. Diese junge Tennisspielerin war Karola Rosenbaum. 


Nun, um genau zu sein, war sie keine Sportlerin und reiste nicht wegen eines Sportereignisses über das Meer – der Zweck der Reise war es, Nazideutschland zu entkommen, bevor es zu spät war. Jahre der Unterdrückung hatten sie gelehrt, dass man als Jude in Europa nicht sicher ist, und sie wusste, dass es nur noch schlimmer werden würde. Aus Angst vor ihrem Schicksal verkleidete sich Karola als Leichtathletin und gab vor, auf dem Weg zu den Maccabiade-Spielen in Palästina zu sein, in der Hoffnung, unter der dort wachsenden jüdischen Bevölkerung Schutz zu finden.

Karola Rosenbaum wurde durch harte Arbeit eine phänomenale Pianistin und spielte Stücke von den großen Musikern wie Mozart, Beethoven, Chopin, Mendelssohn und Schumann. Sie besuchte das Konservatorium für Musik in Fulda, um Musiklehrerin zu werden. Sie gab währenddessen regelmäßig Musikunterricht, und nach ihrem Abschluss begann sie, privat intensiv Klavierunterricht zu geben. Sie unterrichtete eine große Zahl von Schülern. Allerdings, Klavierlehrerin zu sein, schützte sie nicht vor Diskriminierung. Sie führte zum Verlust all ihrer nicht-jüdischen Schüler. Da sie nur noch jüdische Schüler hatte, konnte Karola ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und beschloss, nach Frankreich zu emigrieren. 

Doch sie erhielt dort keine Lehrerlaubnis und zog nach Darmstadt, wo sie für den Jüdischen Frauenbund in der Großküche einer Hachschara arbeitete (die Vorbereitung von Juden für die Besiedlung Palästinas vor allem in den 1920er und 1930er Jahren). Als sie 1935 nach Palästina reiste, musste Karola jedoch wieder ausreisen, da sie kein (sog. Chaluz-) Zertifikat zum Verbleib erhielt. Doch entschlossen unternahm sie einen weiteren Versuch, nach Palästina auszuwandern und reiste mit dem Zug von Frankfurt nach Triest, wo sie an Bord des Schiffes „Roma“ ging. Das Boot setzte nach Palästina über, dieses Mal gelang es Karola, in Palästina zu bleiben…“

Ida Rosenbaum Kopie 2Salomon Rosenbaum Kopie


















Ida. und Salomon   Rosenbaum


Fortsetzung morgen

Fotos
© teilweise nicht bekannt, entnommen aus der von der Stolperstein-Initiative herausgegebenen Broschüre

Info:
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