Anregung für eine tiefere Beschäftigung mit diesem trüben Kapitel westdeutscher Geschichte
Von Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Auf Anregung von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat der Historiker Norbert Frei den Umgang des Präsidialamtes mit der NS-Vergangenheit untersucht und ist dabei auch auf den Skandal um die Ehrung eines namhaften Ruhrindustriellen gestoßen, der nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Gericht der Alliierten wegen der Ausbeutung von Auschwitzhäftlingen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Sein Name: Heinrich Bütefisch.
Der Wissenschaftler hat das Ergebnis seiner Nachforschungen in einem Buch mit dem Titel Im Namen der Deutschen zusammengefasst. In einer Besprechung für die Süddeutsche Zeitung schreibt der Publizist Volker Weiß, diese Ehrung sei für das Präsidialamt zum Debakel geraten. Als Grund nennt er die Mitgliedschaft von Bütefisch in der SS, die ihm den Rang eines Obersturmbannführers verliehen hatte. In Wirklichkeit lagen die Ursachen des Skandals ganz woanders. Der Chemie-Boss trug den Rang ja nur ehrenhalber als Zeichen der Verbundenheit der Ruhr-Chemie mit Hitlers Elitetruppe.
Tatsächlich musste Büttefisch den Orden zurückgeben, weil der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke durch den Anruf einer jüdischen Zeitung aus der Schweiz erfahren hatte, dass der Geehrte zu den Nutznießern der verbrecherischen Ausbeutung von jüdischen Auschwitzhäftlingen gehört hat. Der Zeitung lag ein entsprechender Artikel von mir vor. Alle an der Ordensverleihung beteiligten deutschen Stellen haben über diese schwere Belastung großzügig hinweggesehen.
Niemand kennt die Einzelheiten dieser peinlichen Affäre besser, als der Verfasser dieses Zeilen. In meinem Buch über den Auschwitz-Prozess Asche auf vereisten Wegen habe ich sie vor zwanzig Jahren eingehend geschildert, sozusagen als Lehrstück für die unbewältigte Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland. Da die Wissenslücken der nachgewachsenen Generationen in der Zwischenzeit nicht kleiner geworden sind, werde ich das trübe Kapitel in den nächsten Tagen hier noch einmal ausbreiten.
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