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+++ die Updates des Jüdischen Wochenmagazins tachles

Redaktion tachles

Basel (Weltexpresso) - Der LiveTicker+++ berichtet laufend über Entwicklungen rund um den Krieg in Israel. Am Tag des 50. Jahrestags des Jom Kippur Kriegs: Die palästinensische Terrororganisation Hamas greift Israel massiv an, tötet bisher rund 1200 Israeli und nimmt über 241 Geiseln. Im Süden Israels verübten sie ein Massaker an Festivalbesuchern. Das Dossier mit Berichterstattung, Analysen und Podcasts zum Krieg in Israel findet sich hier.


Tag 50: 25. November 2023

21:30
Nach Beginn der Feuerpause im Gaza-Krieg hat die islamistische Hamas eine zweite Gruppe von Geiseln freigelassen. Das Rote Kreuz brachte am Samstagabend 13 Israelis sowie vier thailändische Staatsbürger über die Grenze nach Ägypten, wie das israelische Militär mitteilte. Nach Angaben Katars sollen unter den freigelassenen Israelis acht Minderjährige und fünf Frauen sein. Der Konvoi mit den freigelassenen Geiseln fuhr nach Armeeangaben zunächst zum nahe gelegenen israelischen Grenzübergang Kerem Schalom. Dort wollten Sicherheitsvertreter die Namensliste überprüfen. Schon am Freitag waren 24 Geiseln freigekommen: 13 Israelis sowie 11 Ausländer. Unter ihnen waren auch vier Deutsch-Israelis. Unklar war zunächst, ob auch am Samstag Doppelstaatler unter den freigelassenen Israelis waren. Sie sollen nach einer ersten medizinischen Untersuchung zunächst in Krankenhäuser in Israel geflogen werden. Dort werden sie auch ihre Familien treffen. Im Gegenzug sollten am Abend 39 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Unter ihnen sind der Hamas zufolge sechs Frauen und 33 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Die Häftlinge sollen nahe ihren Wohnorten im Westjordanland oder Ost-Jerusalem freikommen. Nur wenige Stunden vor der Freilassung der Geiseln hatte die Hamas eine Übergabe in letzter Minute überraschend gestoppt. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geisel-Deals verstossen habe. Sie warf Israel unter anderem vor, nicht ausreichend Hilfslieferungen in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Israel wies das zurück und drohte mit einer Aufkündigung des Abkommens, das von Katar vermittelt wurde. Nach Einschreiten Katars lenkte die Hamas am späten Abend ein. Das Abkommen für eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass im Gegenzug für jede Geisel aus Israel drei palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Am Tag zuvor waren so bereits 39 palästinensische Häftlinge freigekommen. Die Kampfpause soll mindestens vier Tage dauern. Gemäss der Vereinbarung sollen in dieser Zeit insgesamt 50 Geiseln freigelassen werden. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte.

08:00
Die israelische Regierung hat eine Liste mit den Namen von weiteren Geiseln der Hamas erhalten, die im Laufe des heutigen Samstags freigelassen werden sollen. Laut Medienberichten soll es sich um 13 Israelis handeln, acht von ihnen Kinder. Ein Beamter im Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu sagte, israelische Sicherheitsbeamte prüften die Liste.  Nach Beginn der Feuerpause war gestern eine erste Gruppe von 24 Geiseln - 13 Israelis und elf Ausländer - freigekommen, die vor sieben Wochen von Hamas-Terroristen in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Darunter waren vier Doppelstaatler, die auch die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Tag 49: 24. November 2023

Die ersten 13 israelischen Geiseln sind frei. Am Nachmittag hat die Hamas am ersten Tag der Feuerpause einen ersten Schwung an gefangenen Israelis freigelassen, wie das Abkommen es vorsieht. Auch die Israelis liessen im Gegenzug 39 Gefangene palästinensische Frauen und Jugendliche frei, die wegen terroristischer Aktivitäten einsassen. Die Israelis wurden zuerst dem Roten Kreuz übergeben, dann kamen sie an die Grenze Rafah zu Ägypten, wurden dort von den Ägyptern in Empfang genommen und dann in mehreren Rotkreuz-Wagen hinüber nach Israel gefahren. Dort kommen sie jetzt erst einmal in ein Krankenhaus in der Militärbasis Hazerim, werden untersucht und treffen dann endlich mit ihren Liebsten zusammen. Doch das Wiedersehen dürfte auch mit Trauer verbunden sein. Die Freigelassenen wissen wahrscheinlich nicht, was alles in ihren jeweiligen Ortschaften geschah und haben noch keine Ahnung, wer alles ermordet wurde, den sie vielleicht kennen oder mit dem sie sogar verwandt sind. 

In ganz Israel hielt man den Atem an und wartete angespannt, bis die Nachricht der Freilassung kam. Zusammen mit den Familien waren viele Israelis in Tel Aviv auf dem sogenannten «Platz der Geiseln» vor dem Tel Aviv Museum und hofften, endlich die Meldung zu hören: sie sind frei. Unter den Menschen: Benny Gantz, der einzige Politiker, der heute ganz nah bei den Familien sein wollte

Morgen sollen die nächsten Geiseln freigelassen werden. Es sind dann 50 Tage seit Kriegsbeginn. Der Krieg indes ist bislang nur unterbrochen und nach Meinung der Politiker und Militärs noch lange nicht zu Ende. Das betonte auch US-Präsident Joe Biden in einer Pressekonferenz. Er sprach davon, dass er es für legitim hält, dass Israel weiter versuchen wird, die Hamas zu vernichten. Aber er wiederholte erneut, dass alles getan werden muss, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen. Und, so Biden, er hoffe, dass der Krieg bald vorbei sein werde. Ein Zeichen nach Israel, dass die USA nicht mehr allzulange ihre uneingeschränkte Unterstützung für den Feldzug der Israelis geben werden.

Tag 48: 23. November 2023 

Den ganzen Tag war es klar in Israel: Ab heute, Donnerstag, werden die ersten Geiseln freigelassen, um 10 Uhr Ortszeit beginnt die Feuerpause. Dann kam am Abend eine Pressekonferenz von Premier Netanyahu mit Yoav Gallant und Benny Gantz. Netanyahu versuchte der Bevölkerung klar zu machen, dass man diesen Deal machen musste, dass er gut sei für Israel und man auf alle Fälle danach weiterkämpfen werde, damit es nie wieder eine Bedrohung aus Gaza geben werde. Dann verkündete er noch das Offensichtliche. Er habe den Mossad beauftragt die beiden Hamas-Führer im Ausland, Khaled Mashal und Ismail Haniyeh zu töten. Wozu er das sagte – keiner weiss es, denn das war ja eh klar, dass Israel alle Hamas Granden umbringen will. Um kurz vor Mitternacht Ortszeit kam dann plötzlich eine Ankündigung von TzachiHanegbi, den nationalen Sicherheitsberater. Der Geiselaustausch werde nicht am Donnerstag beginnen, sondern erst am Freitag. Donnerstag – das sei nur eine Ankündigung der Presse gewesen. Der Freitag sei eigentlich für einen erste Freilassung vorgesehen gewesen. Das ist umso merkwürdiger, da der Mossad-Chef David Barnea in Katar ist, wo er die Namen der ersten Geiseln erhalten hat, die freigelassen werden sollen.

Tag 47: 22. November 2023

08:00
Die Vereinigung der Opfer des Almagor-Terrors wird heute Mittag beim Obersten Gerichtshof eine Petition gegen die Vereinbarung der Regierung über die Rückgabe von 50 Geiseln, die von der Hamas in Gaza festgehalten werden, einreichen. In einem Brief an Justizminister Yariv Levin schreiben Almagor-Gründer Meir Indoor und Vorstandsmitglied Dr. Aryeh Bachrach, dass die Organisation der Meinung ist, dass "die gleichen Minen und Überraschungen in der Vereinbarung auch in fast jedem anderen [Geisel-]Abkommen in der Vergangenheit vorhanden waren".

Almagor fordert Einsicht in die Liste der Gefangenen, die Israel im Rahmen des Abkommens freizulassen gedenkt und die das Justizministerium jetzt auf seiner Website veröffentlicht hat. Die Organisation fordert auch alle Einzelheiten der Verpflichtungen, die Israel gegenüber der Hamas bezüglich der Einschränkungen der Kampfhandlungen während der Waffenruhe macht, einschließlich der Einstellung der Nachrichtenbeschaffung sowie der Lieferung von Treibstoff und anderen Gütern, die der Hamas helfen könnten, Terroroperationen gegen die Bewohner Israels durchzuführen". Darüber hinaus fordern sie Levin auf, "die allgemeinen Verpflichtungen, die Israel gegenüber der Hamas eingeht und die direkt oder über Dritte eingegangen wurden, offenzulegen." Der Oberste Gerichtshof wird alle im Laufe des heutigen Tages eingereichten Petitionen anhören und es wird allgemein erwartet, dass er sie ablehnt, so wie er es bei den Petitionen gegen den Shalit-Deal im Jahr 2011 getan hat.

03:00
Israels Regierung hat einer viertägigen Feuerpause im  Gazakreig sowie dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zugestimmt. Eine Mehrheit des Kabinetts stimmte für eine entsprechende Vereinbarung mit der islamistischen Hamas , teilte das Büro von Regierungschef Binjamin Netanyahu mit.

20:00
Am Abend kam die israelische Regierung zusammen, um über das geplante Abkommen mit der Hamas abzustimmen. Das Abkommen sieht vor, dass etwa 50 Geiseln, Frauen und Kinder, für etwa 300 palästinensische Frauen und Jugendliche in israelischen Gefängnissen freikommen. Ausserdem soll es eine fünftägige Feuerpause geben. Jeden Tag sollen etwa 10 Geiseln freigelassen werden. Die beiden rechtsextremen Koalitionäre, Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir, sind gegen das Abkommen. Aus der Partei Smotrichs gab es Stimmen, die besagten, man erwäge den Austritt aus der Koaliton. Aus der Partei von Ben Gvir am frühen Abend so etwas nicht zu hören. Premier Netanyahu sagte bei dem Treffen, dass man ausgehandelt habe, dass das Rote Kreuz die weiter festgehaltenen Geiseln besuchen und medizinisch betreuen dürfe. Verteidigungsminister Gallant erklärte, man werde nach der Waffenruhe mit voller Macht weiter gegen die Hamas kämpfen, um sie militärisch zu vernichten. Netanyahu dürfte eine Mehrheit für das Ja zum Abkommen erhalten. Wahrscheinlich dürfte am morgigen Mittwoch dann der Deal in Kraft treten.

Tag 46: 21. November 2023

Das Thema der Stunde: die Freilassung der Geiseln. Angeblich stehe man kurz davor einen Deal zu haben, erklärt inzwischen auch ein wichtiger Offzieller aus der israelischen Regierung. Die Armee geht aber unterdessen in Gaza mit ungebremster Härte vor. Laut eigenen Angaben habe man inzwischen das Flüchtlingslager Jabaliya umzingelt, wobei es heftige Kämpfe mit Hamas-Leuten gäbe. Man habe bereits einige Tunnel zerstört und Waffen gefunden, ebenso viele Hamas-Kämpfer getötet, doch die Kämpfe dauern natürlich an. Inzwischen beschwert sich der Bürgermeister von Metula, der nördlichsten Stadt Israels an der Grenze zum Libanon, dass die Armee de facto eine 5 km Sicherheitszone südlich der Grenze eingerichtet habe. Man solle sie lieber 5 km nördlich der Grenze auf libanesischem Territorium einrichten, wütete der Bürgermeister, man befände sich doch schon längst im Krieg mit der Hizbollah. Unterdessen ist die Zahl der gefallenen israelischen Soldaten auf 68 gestiegen. Beinahe täglich kommen ein bis zwei Tote dazu, aber es sind insgesamt sehr viel weniger als die Armee zu Beginn des Krieges befürchtet hatte. Wer nun die Verantwortung für das Sicherheitsdebakel Israels am 7. Oktober hat, wird weiter heftig diskutiert. So hat nun Amit Saar sich öffentlich geäussert. Er ist der Chef der Rechercheabteilung des Militärischen Geheimdienstes. Laut seinen Aussagen erklärte er, dass er zweimal Premier Netanyahu davor gewarnt hatte, dass Iran, Hizbollah und die Hamas eine militärische Aktion gegen Israel planen.

Tag 45: 20. November 2023

05:00
Israel hat weitere Details zu einem mutmasslichen Tunnel der militant-islamistischen Hamas unter dem Komplex des Al-Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen veröffentlicht. Der vor wenigen Tagen freigelegte Schacht führe zu einem Tunnel mit einer Länge von rund 55 Metern in einer Tiefe von zehn Metern, teilte die Armee mit. Dazu lieferte das Militär Aufnahmen von zwei Geräten, die den Tunnel von Innen zeigen sollen. Am Ende des Tunnels befinde sich demnach eine "explosionssichere Tür". Was sich genau hinter der Tür befindet, war unklar. Die israelischen Truppen seien zudem damit beschäftigt, "die Route des Tunnels aufzudecken", hieß es vom Militär. Der Tunneleingang war der Armee zufolge im Bereich des Al-Schifa-Krankenhauses unter einem Fahrzeug freigelegt worden. Die Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen.

Foto:
©tachles


Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 25. November 2023