1 CDU Hessen.de 2Während die Gesellschaft in weiten Teilen darbt - wovon sie sich grosso modo aber keine Rechenschaft abgibt – daher sie auch keine Kämpfer für die Entrechteten hat

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Diese Art des gesellschaftlichen Verhältnisses reicht am ausgeprägtesten in die CDU hinein. Sie wurde daher auch zur Partei des kleinen Bürgerleins, das den Großen zuzugehören strebt. Die CDU macht es größer als es ist.

Lindner, der den Porsche zur politischen Signatur erhob, mit dem er selbst etwas nachholt, dienert jenen, die den neueren Porsche Marke Flunder spazieren fahren, vor der Lindners Gefährt zum Spielzeug schrumpft. Es muss ein Gen geben, das den die Macht- und Einfluss Habenden in die Hände spielt. Im Übrigen aber: ein alter Porsche ist eine Legende, schon aufgrund seiner unverwechselbaren klanglichen Rauheit. Dieses Auspuff-Element macht ihn edel, ganz im Unterschied zu dem Teil, das der Dicke-Schlitten-Poser zu quälen beliebt.

Gibt es so etwas wie DM-Nostalgie?

Mag sein, dass der Gedanke der DM-Nostalgie etwas überzeichnet ist. Dennoch haben wir gesellschaftlich ein Problem, das den Kundigen zuinnerst niederschmettert. Und dieses wurzelt in der Wende zur Finanzmarktdurchdringung aller Lebensbereiche oder genauer gesagt: aus dem Mangel an Phantasie und Denkkraft nach dem Ende der Rekonstruktionsperiode, die mit den Schröderschen Reformen ihren Abschluss findet. Bei allem Euro hat das kleine Bürgerlein immer noch die DM im Hinterkopf, wie nach dem Höhlengleichnis des Platon der Blick nach vorne nur eine Selbstbeschwichtigung liefert, die das eigentlich ‚Wahre‘ im Hinterkopf (Hintergrund) verdrängt.
FDP-Issing hält es mit einer Klasse, der aktuell Martin Hagen („Bayern-Lindner“, laut SZ) und eben Lindner gleichfalls substantiell nicht angehören. Von der sie aber gelobt und grenzenlos und geliebt werden wollen. So heischt der Koffer- und Wasserträger nach Bestätigung und Anerkennung.

Mag sein, dass das mit der DM-Nostalgie etwas überzeichnet daherkommt. Doch aber haben wir nicht gesellschaftspolitisch ein Problem damit?

Boutiquen für Kinder des Nachkriegsdeutschlands

Exkurs: Das schlichte Einkaufen ist für den Beobachter ein Problem geworden. Einkaufen, seit den Fünfzigern zur gepflegten Angelegenheit geworden, geht nicht mehr. Ehemals renommierte Kaufhäuser an der Zeil sind verschwunden, Das Kaufhausmäßige wurde im Galeria Zeil für die letzten Bessergestellten nochmal in Szene gesetzt. Bad Homburg liegt hierin (noch) zurück. Es hat z. Zt. noch viel von einer ehemaligen Zeil.
In Frankfurt oder Offenbach gibt es immer weniger eine gepflegte Ware zu erstehen, wie noch zu der Zeit als die Großmutter einen nachkriegs durch das Warenhaus zog. Dieses Geziehe hat geprägt wie wenig anderes von irgend ähnlicher Art und Weise, das die Lebensführung betrifft. Es gibt immer weniger Ware von Werthaftigkeit, abgesehen vom bemühten Hochleben dieses Segments in Talk-Shows oder bei ‚hallo deutschland‘. Á propos Talkshow. In jenen waren die Gekommenen in den 80er-Jahren viel besser gekleidet.

Im studentischen Viertel in Frankfurt-Bockenheim, in Offenbach und in der Großen Eschenheimer Straße Frankfurts gab es in den Sechziger und Siebziger Jahren gediegen gefertigte Jeans - und Jeansartige - in kleinen Fachgeschäften zu erstehen. Heute überwiegt das Fetzenartige oder Outdoormäßige. So ging es also über die Jahre überschaubar in Offenbach nieder. Die Schwester kann das bestätigen. Relativ gesehen waren die damaligen Stücke eben auch ein wenig teurer als die des heutigen Durchschnittskrams.

Offenbach ist gesellschaftlich lohn-und-sozial-gedumpt worden. Durch Schließung von renommierten Firmen und die Egal-Politik des Aussteigens weg vom ehrbaren Kaufmann. Edelbetriebe wie Collet & Engelhardt wurden dicht gemacht und die Grundstücke reihenweise verwertet. Von der Offenbacher Politik unterstützt. Ein neues Heil ward ausgebrochen. Von da ausgehend gibt es eine direkte Linie zu Benko.

Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) ist in Bad Homburg enorm tragfähig und wird sozusagen geupgradet. Es bekommt einen neuen Edel-Küchengeräte-WMF-Shop hinzu. Denn Bad Homburg ist ein aussichtsreiches Umfeld. Der Standort stand nie zur Disposition. Der traditionsreiche Komplex gehört nicht der Signa-Gruppe von Renè Benko, sondern der Hansa-Invest. Die Mieten seien nicht mit den hohen Mietpreis-Arealen anderer Orte zu vergleichen. Die Leute gingen wieder bummeln und einkaufen, betont die Chefin der Karstadt-Filiale. Das Warenhaus ist auch an den Aktionen in der Kurstadt beteiligt.

Nachdem die Gabardine-Beinkleider sich noch durchgesetzt hatten, nahm der Klimbim in der Einkaufsbeziehung über die Jahre aber schleichend überhand. Schon immer lebendig war der Offenbacher Biergrund, der aber war überschaubar. Den Straßennamen gibt es noch und er wird bleiben. Offenbach wurde seit den Siebzigern gesellschafts- und sozialpolitisch abgewirtschaftet und abgewickelt. Heutige Nachfolgende jener abgehalfterten Politik haben nicht den Mut nochmal was zu betreiben. Und gut, dass es noch die italienisch betriebenen Eiscafés gibt. Im Winter harren die BetreiberInnen im Süden aus. Und auch nicht zu vergessen sei der Leder-Meid direkt am zentralen Marktplatz.

Durch Benkos Luftgebilde, mit überbewerteten Warenhäusern und verschiedenerlei dubiosen Immobilien sowie erpresserischen Mieten (auch für Galeria Kaufhof) ist die Situation des ehrbaren Kaufhauses, das sehr viel früher von jüdischen Mitbürgern zu einem Erlebnis gemacht und zu dem Herausragenden gemacht wurde, nochmals prekärer geworden.

Regression im phantasielosen politischen Raum

Seltsam, dass Leute wie Christian Lindner, die den Eigen- wie Klientelinteressen strikt bewahrenden Clans - wie auch ein langfristig vom politisch gewendeten Vater sich stutzen haben lassender CDU-Boris Rhein in Frankfurt - gar nicht angehören, sich mit den herrschenden Gruppierungen des Geldes und besitzbürgerlichen Machtanspruchs überzogener Weise identifizieren und deren Interessen vollstrecken. Sie machen sich in Person damit zu Abhängigen und Fremdgelenkten. Ein Westerwelle war der Ausbund dieses Typs. Zudem darf vermutet werden, dass mehr als eine Spur Sadomasochismus und Selbstverleugnung in die Politikerleben hineinspielen. Schon nach einer kleinen politischen Weile nämlich ist kein Entrinnen mehr. So wird ein Typ geboren. Der des Berufspolitikers, was ein Widerspruch in sich ist. Denn in der Politik hat kein Politiker von Beruf etwas zu suchen.

Boris Rhein verspricht Politik für die Mehrheit (Schwarzschwarzrot, lt. FR)

Rhein kündigt also Regression an. Damit ist eine simple Masche eingeläutet, die noch nicht mal versucht, sich zu verhüllen. Mit Mehrheit meint er Bedienung der Interessen einer bestimmten Klientel, der Kapitalinteressen und des Zweidrittel. Um Gelder einzutreiben, benötigt es dieses Junktims. Rot in der Regierung wird zum Anhängsel. Der rechte Rand muss bedient werden. Das Gendern will er in Behörden und im schulischen Bereich verboten haben. Das ist Stil der Fünfziger Jahre. Als ich eine Studentin vor wenigen Jahren in Marburg fragte, was grad so das Hauptthema an der Universität sei, entgegnete sie unvermittelt: Gender. Gendern folgt daraus, muss es aber nicht. Niemand wird gezwungen. Die FR gendert mit Bedacht. Wer als Mann nicht auch mal an zuständiger Stelle gendert, kommt nicht ohne das schlechte Gewissen aus. Es gibt nun mal so etwas wie einen gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt, der unausweichlich ist.

Es gibt keinen Politiker außer Boris Rhein, dem auf jedem Foto ein verkrampftes Lächeln ins Gesicht geschrieben ist. Er wirkt ununterbrochen gequält. Er sollte sich über seine Situation mal im Klaren werden, denn er leidet an seiner Lage und Situation in der Politik.

Klientelbedienung

Die berufspolitische Klientel macht sich über ihre Privilegierung selbst lustig und meidet den großen Blick aufs Ganze. Will Lindner sich bei den ihn aus dem Off drängenden Netzwerken der Macht Lieb Kind machen, um von ihnen anerkannt zu werden und mit ihnen bei Tisch zu sitzen - und Rabbi genannt zu werden? Was hat er an schulischer, beruflicher, kultureller und höher gesteckter Bildung denn angesammelt? Durch welche Literatur hat er sich durchgekämpft, welche bürgerlichen Kreise haben ihn geprägt? – Eine höher angesetzte Bildungsentwicklung – etwas Unverzichtbares – scheint bei ihm nicht vorzuliegen. Oder ist Politik doch nur Spielwiese eingespielter Machtgruppen und ihrer beiher gesprungenen Helfer wie Helfershelfer, ohne ein gerüttelt Maß Geist, noch?

Lindner kommt einem nicht wie einer vor, der sich noch auf irgendetwas anderes als ein nicht Nichtmachtgruppen-Kompatibles nachzusinnen sich traut. Er erscheint eisern durchweg überangepasst und kulturell-geistig von schlichter Natur. Wohl auch nicht mal irgendwann hat er wohl einer Stadtkommune oder einer sub-urbanen Wohngemeinschaft im Vorstädtischen oder Ländlichen angehört, wie sich das für aufgeweckte, neu ins Leben getretene Jugendliche ziemt. Und einer Landkommune mit Selbstversorgung und Gruppenrat hat er wohl schon gar nicht angehört.

Aber frühzeitig vielleicht einer gegen Sozis und Alternative verschworenen jungen neoliberalen Truppe?
Bei alledem, Lindner vertritt Interessen zu denen er faktisch exterritorial angesiedelt ist. Aber er ist rührig, Tag und Nacht für fremde Interessen der Begehrlichkeit eingespannt zu sein. Was an ihm ist noch Individuum? Er ist ein rastlos medial Getriebener.

Politik als dauernde Qual

Ein Boris Rhein wirkt in jeder öffentlich kommunizierten Szene Hessens gequält. Ach, hatte er ein gutes Leben noch in der Frankfurter Lokal-Politik vergangener Zeiten. Der Beobachter macht sich ernsthaft Sorgen um ein Wohlergehen. Er hat doch immer so kameradschaftlich nett rüber gegrüßt zum Dornbusch Stand der Grünen Partei. Wer einen Verwandten als Arzt hat bedenkt das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit (mental verstanden) zu jeder Sekunde mit. Auf den ersten Blick! – Boris Rhein erscheint als ein im Geist Getriebener seiner Herkunft aus dem Vaterstall. Er ist angetreten, die Kehrtwende, die Vater Peter Rhein in der SPD unternahm, kompromisslos an sich auszuagieren. Jedoch ist er darin nur ein Fall unter Vielen. Als Achtundsechziger hatte man sich da anders entschieden, das war erbaulich für die Seelenökonomie.

Die neoliberale Wende hätte ein Marx mit ausgedehntem Zusatz zum alten Kapital beantwortet

Vielleicht auch nur im Feuilleton. Wo versteckt sich heutzutage der Kopf für ein derartiges Projekt. Schätze, dass die Resignation ob der Verhältnisse - mit der zunehmenden Armut und deren Nichtbeachtung - im Begriff ist ganze Generationen zu neutralisieren und zu deprimieren. Warum kommen dessenungeachtet so viele aus dem Süden her. Weil sie das komplementäre Gegenstück zur Lage im zunehmend rückschrittlichen Norden hatten, wovon sie noch wenig ahnen.

Durch die neoliberale Wende wurde die Gesellschaft sozial und mental zerrüttet. Der verbliebene, gut versorgte Rest blickt auf das abgeschriebene Zweidrittel wohl oder übel hinab. Das gewöhnliche System breitet sich aus. Diese mindere Art rückt unablässig voran, geführt von CDU und FDP. Für die FDP konnten wir zuletzt ´73 zu Zeiten der sozialliberalen Koalition taktisch optieren. Es war die FDP eines Karl-Hermann Flach. Noch gibt es die Karl-Hermann-Flach-Stiftung, von der an FDP-Ständen das kleine, faltbare Hochformat zur Beschreibung der Leistung eines Karl-Hermann Flach ausliegen. Hinterfrauen und Hintermänner benutzen Flach aber für Zwecke, die nie die seinen waren. Allein Gerhart Baum und Wolfgang Gerhardt sind die noch letzten Recken der ehemals sozialliberalen FDP.

Seit etlichen Jahren haben wir es mit einer Destruktivität der Politik zu tun, einem System, das der Untergrabung des Menschen in all seiner Fähigkeit zum gerechten und wohlbedachten Miteinander dient. Ohne es zu wollen oder ändern zu können sind insbesondere die gesellschaftlich immer mitgefangenen Jugendlichen die Leidtragenden eines Systems, das den besseren Neigungen und Leidenschaften weder wohl noch zugetan ist. Tatsächlich sind Jugendliche zumindest eine Zeit lang über das Bestehende hinaus und haben nicht nur die Ahnung von einer möglichen, besser eingerichteten Welt. Für CDU und FDP gilt Anti-68. Diese vollziehen mit Gusto ein System, das wir einst zu verachten begannen, insofern die bessere Möglichkeit nicht wahrgenommen wurde. Daran hat sich nichts geändert. Längst aber waren die Verhältnisse durchschaut. Sie schleppen sich fort, ohne noch rege beachtet zu werden.

Lindner verbrüdert sich mit Kreisen, denen er nicht angehört. Das freut diese köstlich. Der mit Kant, Hegel, Marx und Schopenhauer aufgeklärte Bürger ist einer zur Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse befähigten Jugend mehr verbunden als den Polit-Gestalten, die in ihren schon nicht mehr besten Jahren ihr nur noch wenig verhülltes Geschäft betreiben.

 
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