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Aufruf zur demokratischen Mobilmachung wurde überhört

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Gut zwei Wochen ist es mittlerweile her, seit den politisch verantwortlichen Menschen von der Schlei bis zur Donau die nachstehend zitierten Sätze auf den Tisch flatterten: „Noch nie war die Gefahr für die Demokratie in Deutschland so groß wie 2024. Noch nie seit Gründung des Bundesrepublik standen Neonazis so zahlreich vor den Toren zur Macht.“

 

Mit diesen Worten beschrieb der Autor und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, am  29. Dezember 2023 die Situation angesichts der bevorstehenden Wahlen in drei ostdeutschen Ländern. Auf Thüringen bezogen vermerkt er: „Die AfD des Neonazis Björn Höcke liegt dort fast bei Prozentzahlen, wie sie Adolf Hitler bei der letzten freien Reichstagswahl 1932 erzielt hatte. Die AfD greift nach dem Amt des Landtagspräsidenten, sie greift nach dem Amt des Ministerpräsidenten; sie nutzt die Demokratie, um ebendiese zu zerstören.“ Jetzt müsse sich zeigen, ob die wehrhafte Demokratie wehrhaft sei.

 

Demokratie sei ja viel mehr, als ein Abstimmungssystem, sie sei ein Wertesystem, fährt Prantl fort.  Wenn eine Partei und ihre Politiker diese Werte massiv bekämpften, dann sei es Zeit für die demokratische Mobilmachung.  Zu dieser Mobilmachung gehöre es, eine verfassungsfeindliche Partei zu verbieten. Dafür sei es zu spät in Anbetracht der Wahl zum Europaparlament am 9. Juni, der Landtagswahlen am 1. September in Sachsen und Thüringen  sowie am 22. September in Brandenburg.

 

Den Umfragen nach wird die AfD aus allen drei Landtagswahlen als stärkste Kraft hervorgehen. Damit steht ihr automatisch in allen drei Ländern das Amt des Landtagspräsidenten zu. Für das Land Brandenburg werden ihr 32 Prozent vorhergesagt, für Thüringen 36 Prozent und für Sachsen 37 Prozent. Ein geradezu katastrophales Resultat werde der SPD hier mit 3 Prozent vorhergesagt. Damit würde die traditionsreiche Partei  zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte aus einem Landesparlament hinausfliegen. Dasselbe Schicksal  steht den Freien Demokraten in allen drei neu zu wählenden Landtagen bevor. Für Thüringen  werden den Grünen 3 Prozent vorhergesagt, sodass sie dort ohne ein Landtagsmandat blieben.

 

Der Vorschlag von Prantl, den Neonazis, die an die Macht drängten, unter Berufung auf Artikel 18 des Grundgesetzes das aktive und das passive Wahlrecht sowie die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden durch das Bundesverfassungsgericht zu entziehen, führt in eine Sackgasse. Das höchste Gericht hat bisher alle Versuche ins Leere laufen lassen, ihm diese Entscheidung aufzubürden. Die Krux besteht darin, dass das  Wahlrecht und das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden in ihrer Wertigkeit  den Grundrechten  gleichgesetzt werden. Die wiederum dürfen nach  Artikel 19 des Grundgesetzes in keinem Fall in ihrem Wesensgehalt angetastet werden. Hinzu kommt demselben Artikel zufolge, dass ein Grundrecht nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden kann, das allgemein und nicht nur für den Einzelfall gilt. Mit anderen Worten. Der Schwarze Peter liegt beim Gesetzgeber, also beim Bundestag.

 

Dreimal haben Bundesinnenminister der CDU seit 1952 versucht, rechten Hetzern mittels des Artikels 18 des Grundgesetzes den Mund zu stopfen, dreimal hat  das Bundesverfassungsgericht die Antragsteller auf  unterschiedliche Art und Weise abgewimmelt. In einem Fall ließ es einen Antrag acht Jahre schmoren, bevor es ihn als „nicht ausreichend begründet“ zurückwies. Wer angesichts des Höhenfluges der AfD darauf hofft, dass es wirklich zu einer demokratischen Mobilmachung kommt, sollte seine Verbündeten nicht unbedingt beim höchsten deutschen Gericht suchen.

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