rbb inforadiound damit gegen die gesamte westliche freie Welt, sondern fast unbemerkt von der Öffentlichkeit mit neuen hybriden Formen auch auf anderen Ebenen

A. von Loew

Berlin (Weltexpresso) - Ginge es nach Putin, soll Oligarch Ruben Karlenowitsch Vardanyan, der in der Ukraine sowie von der EU auf die Sanktionsliste gestellt wurde, der nächste Friedensnobelpreis-Träger werden. Die Medienholding RBK, die sich im Besitz des Putin-Gefolgsmanns Grigori Bereskin befindet, der ebenfalls auf der EU-Sanktionsliste geführt wird, und die russische Nachrichtenagentur Sputnik, eines der wichtigsten Sprachrohre der Kreml-Propaganda, informierten die Weltöffentlichkeit als Erste über die Kandidatur.

Vardanyan, den die Welt unter dem Spitznamen „Putins Finanzier“ kennt, ist kein Unbekannter. Nach dem Zusammenfall der Sowjetunion gründete er die Privatbank „Trojka Dialog“, die mit diversen Untergruppen bald darauf eine der führenden Investmentbanken Russlands wurde. Neben seriösen werden ihm auch dubiöse Finanzgeschäfte mit führenden russischen Oligarchen vorgeworfen, denen er half die Sanktionen zu unterwandern sowie zahlreiche Bestechungen, Oppositionsführer Alexej Nawalny beschuldigte Vardanyan im Jahr 2020 für diesen Zweck insgesamt 50 Mrd. Dollar gezahlt zu haben. Kurz nachdem Putin die Krim unrechtmäßig annektiert hatte, verkaufte Vardanyan seine Anteile an „Trojka Dialog“ in Höhe von 63,6 Prozent an die Sberbank.

Der Oligarch war auch Haupteigentümer des Luftfrachtunternehmens „Wolga Dnepr Group“, die Hubschrauber, Panzer und militärische Ausrüstungen für die russische Armee an die Grenze der Ukraine lieferte. Mit diesen Waffen begann der Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine. Von der EU unterstützt, setzte Kiew Ruben Vardanyan daraufhin ebenfalls auf die Sanktionsliste. Die ukrainische Regierung beschuldigt Vardanyan als „Komplize bei den Verbrechen der russischen Behörden gegen die Ukraine“ aktiv mitgewirkt zu haben.

Das alles verschleierte der Kreml bewusst, als er den Vorschlag machte Vardanyan wegen angeblicher „Entwicklung von Friedensinitiativen“ für den Nobelpreis zu nominieren und die verhängten Sanktionen somit ins Lächerliche zieht. Putin-Freund Ruben Vardanyan, der von den Sanktionen unbehelligt blieb, investierte große Summen in Projekte die halfen, sein Image aufzupolieren. Wie andere Oligarchen auch, gründete er Schulen und weitere Bildungseinrichtungen. Vardanyan wurde hierbei in seinem Geburtsland Armenien sowie in Afrika aktiv. Auch unterstützte er finanziell Museen und ihre Forschungsarbeit, sowie die wissenschaftliche Aufarbeitung der historischen armenischen Kultur. Doch dies und großzüge Spenden für wohltätige Zwecke verschaffen ihm jedoch keinen Persilschein. Ein „Philanthrop“ und „großer Humanist“, wie ihn seine Freunde und einige von seiner Familie beauftragte internationale PR-Unternehmen darzustellen versuchen, ist Ruben Vardanyan deshalb noch lange nicht. Doch genau darum geht es dem Kreml, der hofft, dass die von ihm gestreuten Informationen unreflektiert übernommen werden.

Der sich in der Rue Froissart, in unmittelbarer Nachbarschaft zu EU-Regierungssitzen und diversen Unterorganisationen befindende „Press Club Brussels Europe“ hatte Parlamentarier aus der Ukraine und der Europäischen Union eingeladen, die anwesenden Journalisten der internationalen Presse vor Bestrebungen Russlands warnten, mit bewusst gezielten Kampagnen und Desinformationen auf demokratische Prozesse in Europa Einfluss zu nehmen. „Das Beispiel Vardanyan ist ein Präzedenzfall“, erklärt der ukrainische Parlamentsabgeordnete Yuri Kamelchuk, „um einen engen Mitstreiter, der auf Sanktionsliste der Ukraine steht, und gegen den die Ukraine Strafbefehl erlassen hat, zu sanktionieren und reinzuwaschen“. Unerklärlicherweise hat das Nobelkomitee den Antrag zur Prüfung angenommen. Die dänische Europaabgeordnete Karen Melchior schlug eine Liste mit Kriterien für den Nobelpreis und die Einführung von Regeln für diejenigen vor, die die Kandidaten nominieren. „Sollten Angehörige von Ländern, die in andere Länder einmarschieren und den Frieden und die Demokratie im Westen untergraben, Menschen für den Nobelpreis nominieren oder nominiert werden dürfen“, fragte sie und fügte hinzu: „Eigentlich nicht!“.

Abgeordneter Kamelchuk zeigte ein von 118 Abgeordnete aus Rumänien, der Ukraine, Lettland und Litauen unterschriebenen Brief an das Nobelpreiskomitee in Norwegen mit der Bitte, Putins Machenschaften nicht zuzulassen und dem entgegen zu wirken. Bisher folgte darauf keine Reaktion. Das Nobelkomitee hüllt sich weiter in Schweigen und gibt weder die Funktionen noch die Namen der Entscheidungsträger bekannt.

„Es geht nicht nur um Vardanyan“, betonte die per Videokonferenz auf der Leinwand zugeschaltete Viola von Cramon-Taubadel von der Partei „ Bündnis 90/Die Grünen“. Der Fall Vardanyan ist ein typisches Beispiel für eine hybride Operation der Russischen Föderation, die unbedeutend erscheint, aber einer der vielen Versuche ist, Einfluss auf Entscheidungen der freiheitlichen westlichen Welt zu nehmen und diese zu entzweien. Auch geht es Russland darum, die Front der Ukraine-Unterstützer aufzuweichen. Cramon-Taubadel wies auf ähnliche Fälle hin, in denen Russland durch Bestechung, Desinformation oder Cyberangriffe die Staaten der Europäischen Union zu schwächen und die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben versucht. Bisher reagierte die internationale Gesellschaft wenig sensibel auf diese Art der hybriden Kriegsführung, die teilweise gar nicht als solche gesehen wird. Doch muss, warnen Cramon-Taubadel und alle anwesenden Parlamentarier, „endlich die Gefahr durch solche Angriffe auf unsere freiheitliche demokratische Ordnung erkannt“ werden.