SüddeutscheDer Historiker und Literaturkritiker Gustav Seibt warnt -„Wir stehen sehenden Auges am Abgrund“

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Unter der Überschrift „Wenn alles auf dem Spiel“ steht“ warnt der deutsche Historiker Gustav Seibt unter Hinweis auf Ereignisse der jüngsten Zeit, dass „bisher Undenkbares wahr wird“.

An herausragender Stelle der „Süddeutschen Zeitung“ vom 2. Juli 2024 schreibt der angesehene Wissenschaftler, das „verkorkste“ Duell zwischen dem jetzigen US-Präsidenten Joe Biden und Donald Trump eröffne den Weg zu einer zweiten Amtszeit Trumps, sofern Biden nicht resigniere und einem besser geeigneten Kandidaten Platz mache. Den Sieg der Rechtsextremen um Marine Le Pen in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl deutet er als bevorstehende Rückkehr Frankreichs zu nationalistischer, europafeindlicher Politik..

“Wir blicken in einen Abgrund, in dem die Europäische Union und die Nato paralysiert werden könnten“, schreibt Seibt. Er erwartet unmittelbare Folgen für den Krieg Russlands in der Ukraine, dessen Ausgang welthistorische Bedeutung für die kommenden Jahrzehnte haben könne. Wenn sich die Tendenz des vergangenen Jahrzehnts verstetige, könne „das bisher Undenkbare wahr“ werden.

Scharf kritisiert der Wissenschaftler die Demokratische Partei der USA, die es in den vergangenen Jahren versäumt habe, einen starken Nachfolger für Biden aufzubauen. Jetzt mache sich Entsetzen breit. Ebenso viel Zeit hätten die Republikaner gehabt, sich von dem Putschisten Trump zu befreien und eine absehbar destruktive zweite Kandidatur Trumps zu unterbinden. Dabei sei wenigstens einem Teil von ihnen die fortdauernde Gefahr durchaus bewusst gewesen, die „von dieser kriminellen Person“ ausgehe.

Den Höhepunkt der Kritik bildet folgende Passage: „Dass sich nach den Erfahrungen mit Trumps erster Präsidentschaft, vor allem mit ihrem tumultuarischen Ende, in Amerika nicht genügend Kräfte fanden, eine zweite, mutmaßlich viel verheerendere Amtszeit von vornherein auszuschließen – wie soll man das nennen? …Es ist eine Ungeheuerlichkeit, zugelassen mit sehenden Augen.“

Wann hat man jemals Ähnliches in einer deutschen Zeitung über eine der wichtigsten Personen unseres Hauptverbündeten gelesen? Wann hatte ein prominenter deutscher Historiker jemals den Mut, sich auch nur annähernd so kritisch über die verantwortlichen Politiker der Vereinigten Staaten von Amerika zu äußern? Und wie reagiert die deutsche Politik ? Sie schweigt.

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