tandiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2024, Teil 

Claire Burger

Paris (Weltexpresso) - „Sich zu verstecken ist ein Vergnügen,

nicht gefunden zu werden eine Katastrophe.“ - D.W. Winnicott


TANDEM wurde von meinen Erfahrungen inspiriert, die ich als Teenager bei Sprachaufenthalten im Ausland gemacht habe. Diese Erinnerungen wollte ich in die Gegenwart übertragen und über die Jugend von heute sprechen. Vor allem aber haben die aufeinanderfolgenden Krisen, die wir kollektiv durchlebt haben, mich beim Schreiben beeinflusst. Sie haben mich in meinem Wunsch bestärkt, über die Jugendlichen unserer Zeit zu erzählen - über ihr Gefühl der politischen Ohn- macht, ihr frustriertes Bestreben sich zu engagieren, ihr großes und legitimes Bedürfnis nach Revolte angesichts drohender Katastrophen. Die Themen des Films fanden in den aktuellen Er- eignissen ein besonderes Echo.

Doch auch wenn es diesen politischen Hintergrund des Films gibt, sind es die intimen Gefühle und die Begegnung mit dem „Anderen“, die die Figuren ihren inneren Wahrheiten näherbringen. Fanny und Lena sind nicht die rebellischen und außergewöhnlichen Teenager, die das Kino gerne darstellt. Da sie mitten in der Entwicklung ihrer Identität stecken, habe ich mich dafür entschie- den, sie in einem Zustand des Zweifels, der Suche und der Frustration in ihrem Wunsch nach Emanzipation zu zeigen. Sie möchten ihren Platz in einer zerrissenen Welt finden und sich in emotionaler, sexueller und politischer Hinsicht selbst verwirklichen.

Fanny ist auf der Suche nach Liebe, Lena ist auf der Suche nach Sinn. Trotz ihrer Gegensätze werden sie zueinander finden. Mit ihnen möchte ich etwas von der Adoleszenz einfangen, diesem Moment im Leben, in dem man extrem empfindsam ist, und die Emotionen unter die Haut gehen. Die Zeit, in der man so stark wie nie an seine Ideen und Gefühle glaubt.

Fanny und Lena suchen, jede auf ihre Weise, nach einem Weg, der Zukunft entgegenzutreten und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Doch ihre Beziehung zur Welt und zu anderen Menschen ist geprägt von Phantasmen und Projektionen, von Lügen und Fiktionen.

Ich wollte diese Idee der Fantasie wortwörtlich umsetzen, indem ich Fanny zu einer Mythomanin machte. Mir geht es nicht darum, die Mythomanie als Krankheit zu betrachten, sondern als einen Zustand, der typisch für die Adoleszenz ist, dieses Alter der Möglichkeiten, in dem es darum geht, seine eigene Geschichte zu erschaffen.

Die Lüge ist für mich ein Vektor für Fantasien und Fiktionen, der die Wahrhaftigkeit der Gefühle nicht ausschließt. So wird Lena sich schließlich entscheiden, sich gemeinsam mit Fanny in die Fiktion zu begeben. Das ist ein Liebesbeweis. Es ist auch eine Gelegenheit für beide, sich zu ver- wirklichen, politisch wie emotional.

Meine vorherigen Filme, PARTY GIRL und C‘EST ÇA L‘AMOUR, sind einer realistischen Ader des Filmemachens zuzuordnen. Ohne diesen Realismus in TANDEM aufzugeben, wollte ich auch Traumsequenzen und Halluzinationen filmen. Ich wollte die Thematik der Fantasie, der Projektion und des falschen Scheins erforschen. Über den gesamten Film hindurch spiele ich mit Ähnlichkeiten, Unterschieden und Spiegeleffekten.

Zwei Teile, zwei Länder, zwei Kulturen, zwei Sprachen, aber auch zwei Befindlichkeiten, zwei Arten, der Welt und der Wahrheit gegenüber zu stehen.


Foto:
©Verleih

Info:
„Langue Étrangère“, F, D, B 2024. 105 Minuten. Regie und Buch Claire Burger mit
Lilith Grasmug (Fanny)
Josefa Heinsius (Lena)
Nina Hoss (Susanne)
Chiara Mastroianni (Antonia)
Jalal Altawil (Anthar)