Bildschirmfoto 2025 02 06 um 08.49.15Trump will Gaza «langfristig in Besitz» nehmen und Palästinenser ausschaffen

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Neuaufbau des Küstenstreifens durch die USA mit Geldern ungenannter Geber; maximaler Druck auf Iran; Netanyahu signalisiert Zustimmung.


Angetreten als Totengräber der amerikanischen Rolle als Weltpolizist, hat Donald Trump Dienstagabend an der gemeinsamen Pressekonferenz nach Gesprächen mit Binyamin Netanyahu die Übernahme des Gaza-Streifen durch die USA auf Jahrzehnte hinaus zu einem Wiederaufbau in Aussicht gestellt. Die Region sei viel zu lange von ««Tod, Zerstörung und Pech» geplagt worden und würde unter amerikanischer Regie zu «einer wundervollen Heimat für Menschen aus aller Welt» transformiert werden – «zu einer grossartigen Riviera des Nahen Ostens».

Kaum zwei Wochen im Amt, hat sich Trump damit auf atemberaubende Weise aus dem Fenster gelehnt. Von dieser Zinne wieder herunterzuklettern, könnte schwierig werden. Allerdings hatte Trump zuvor am Nachmittag neben Netanyahu im Weissen Haus erklärt, das Geld für den Wiederaufbau würde von «anderen, sehr reichen Ländern» bereitgestellt werden. Gemeint können hier eigentlich nur Golf-Staaten sein, wobei Saudi Arabien neuerdings aufgrund ehrgeiziger Zukunftspläne und sinkender Ölpreise an Geldnöten leidet. Aber ohne Finanziers fiele das Projekt vermutlich flach.

Wer an der Wiege dieses wahrhaft historischen Unterfangens stand, ist anhin unklar. Allerdings hatte etwa Jared Kushner nach dem 7. Oktober Visionen einer Landschaft von Strandvillen an den Ufern Gazas ins Gespräch gebracht. Praktisch gesehen, würde der «Plan» zu einem unüberschaubaren Engagement der USA an der Seite Israels in der Region und damit zu einer Rolle in Nahost führen, die weit über die seit den 1940er Jahren stetig wachsende US-Präsenz hinausführen würde. Trump verurteilte aber auch die «Billionen Dollar teuren» Militär-Interventionen der USA in der Region nach 9-11. Jedenfalls will er hier ein ganz grosses Rad drehen, dass sämtliche «MAGA»- und «America First»-Parolen auf den Kopf stellt. So fragt der Aussenpolitik-Experte Stephen Wertheim auf «X«, warum Trump nicht mit der Parole «Gaza übernehmen» in den Wahlkampf gegen Biden gezogen ist (Link).

Gleichzeitig signalisierte Trump Entschlossenheit, Iran mit «maximalem Druck» durch Sanktionen, notfalls aber auch Waffengewalt von Atomwaffen abzuhalten. Andere Aspekte der komplexen Rolle der Islamischen Republik. Von Netanyahu am Podium nebenan als weitsichtiger Denker und überragender Problemlöser gerühmt, erklärte Trump – durchaus bei den Fakten bleibend – Gaza sei ein Höllenloch. Dies habe schon vor den Bombardements seit dem 7. Oktober 2023 zugetroffen. Viele – ungenannt bleibende» «Führer in Nahost» seien von der Idee begeistert, die Palästinenser aus Gaza auszusiedeln. 

Wer die von Trump mit 1,8 Millionen bezifferte Bevölkerung in «vier, fünf oder sechs Gebieten» aufnehmen wird, blieb ungesagt. Der Präsident nannte Jordanien und Ägypten erneut als Zielländer. Beide hatten das Ansinnen entrüstet zurückgewiesen. Die Palästinenser nach ihren Wünschen zu fragen, kam ebenfalls nicht zur Debatte. 

Einem Schlag ins Gesicht von Biden, Blinken und führenden Demokraten wie Chuck Schumer kam die Bemerkung Netanyahus gleich, wonach Trump der «grösste Freund Israels und des jüdischen Volkes im Weissen Haus» sei. Schliesslich hat die Biden-Regierung durch enorme Waffen-, logistische und diplomatische Hilfen an Israel seit dem 7. Oktober mit für den heutigen Zustand Gazas, aber auch die Zerschlagung der weithin als strategische Bedrohung des Landes geltenden «Achse des Widerstandes» Iran-Hisbollah-Hamas gesorgt. 

Doch am Dienstagabend richteten Netanyahu den Blick bewundernd auf den 78-Jährigen neben ihn, betonte aber auch die neue Stärke seines Landes. Israel habe sich nach der Terror-Attacke der Hamas – auch hier keine Erwähnung Bidens – wie ein Löwe erhoben und das Brüllen des Löwen von Judah sei nun weithin vernehmbar in der Region. Besonders deutlich wurden die Löwen-Töne in Richtung Iran: Teheran dürfe niemals Nuklearwaffen erhalten und müsse weiter zurück gedrängt werden. Netanyahu ging indes mit keiner Silbe auf die von Trump avisierte US-Übernahme und Entvölkerung der «Abbruchlandschaft» Gaza ein, erklärte aber deutlich an diesen gerichtet: «Wir sehen die Dinge gleich.» Der Trump-Plan würde Israel zumindest vorderhand ein ausserordentlich komplexes Problem aus der Hand nehmen, eben die viel diskutierte Nachkriegsordnung in Gaza.

Beide Staatschef gaben sich zudem überzeugt, bald eine «Normalisierung» der saudisch-israelischen Beziehungen erreichen zu können. Die Führung in Riad sei daran interessiert – dies trotz zunehmend deutlichen Beharrens des Kronprinzen auf einer nun vollends absurd erscheinenden «Zweistaaten-Lösung» im Palästina-Konflikt (Link).
 
Foto:
Netanyahu und Trump am gestrigen Dienstag
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 5. Februar 2025