
Redaktion tachles
Tel Aviv (Weltexpresso) - Israel hat offiziell die Liste der Leichen von vier Geiseln erhalten, die die islamistische Hamas an diesem Donnerstag im Gazastreifen übergeben will. Die Angehörigen seien informiert worden, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu mit. «In dieser schweren Stunde sind unsere Herzen bei den trauernden Familien», hiess es in der Mitteilung, die dazu aufrief, keine Gerüchte und inoffiziellen Informationen zu verbreiten.
Nach Hamas-Angaben und israelischen Medienberichten sollen unter den vier Toten auch eine Mutter und zwei kleine Kinder sein. Schiri, Ariel und Kfir Bibas haben auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Bei der vierten Leiche handelt es sich nach Hamas-Angaben um eine ältere, männliche Geisel.
Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Kinder bei der Entführung waren nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 um die Welt gegangen. Die Hamas wiederholte die Behauptung, die Geiseln seien bei israelischen Bombardements im Gazastreifen getötet worden. Dafür gibt es von israelischer Seite keine Bestätigung. Als der Videoclip weltweit verbreitet wurde, wurden der neun Monate alte Kfir und der vierjährige Ariel zu Symbolen für die Grausamkeit der Entführung unschuldiger Kinder – ein Schlachtruf für all jene, die die Freilassung der Geiseln forderten. Israel fordert Rückführung der Leichen von Shiri Bibas und ihren beiden kleinen Söhnen Ariel und Kfir sowie von Oded Lifshitz aus dem Gazastreifen.
Shiri, ihr neun Monate alter Sohn Kfir und ihr vierjähriger Sohn Ariel wurden zu Symbolen für den Kampf um die Rückkehr israelischer Geiseln und für die Grausamkeit der Entführung von Kindern. Oded Lifshitz, der in Gefangenschaft 84 Jahre alt wurde, war ein lebenslanger Aktivist, der für ein friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern kämpfte.
Die Leichen der israelischen Geiseln Shiri Bibas und ihrer beiden kleinen Söhne, Ariel und Kfir Bibas, sowie von Oded Lifshitz werden am Donnerstag im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der Hamas nach Israel überführt. Die vier wurden am 7. Oktober im Kibbuz Nir Oz als Geiseln genommen und seitdem im Gazastreifen festgehalten.
Shiri wurde im Kibbuz Nir Oz geboren und wuchs dort auf. Ihre Eltern, Margit und Yossi Silberman, waren vor ihrer Geburt aus Argentinien nach Israel ausgewandert. 2012 lernte sie Yarden Bibas über einen gemeinsamen Freund – David Cunio – kennen, der ebenfalls am 7. Oktober entführt wurde und noch immer in Gaza festgehalten wird. Das Paar heiratete 2018, und im darauffolgenden Sommer kam ihr erster Sohn Ariel zur Welt. 2021 bauten die frischgebackenen Eltern ihr Traumhaus im Kibbuz, bevor zwei Jahre später ihr zweiter Sohn Kfir geboren wurde.
Als in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober die Sirenen ertönten, brachten Shiri und Yarden die Jungen in ihren Schutzraum. Yarden schickte ein Foto der Kinder an seine Schwester Ofri mit der Überschrift: „Jetzt geht es wieder los.“ Die beiden blieben in den nächsten Stunden in Kontakt. Gegen 9:45 Uhr morgens schickte Yarden zwei SMS an seine Eltern und seine Schwester. In der einen schrieb er, dass er sie liebte, und in der anderen folgte seine letzte Nachricht: „Die Terroristen sind hier.“ Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass Shiris Eltern an diesem Tag von Hamas-Terroristen getötet wurden.
Die gesamte Familie wurde als Geisel genommen, wobei Yarden von seiner Frau und seinen Kindern getrennt und auf einem Motorrad nach Gaza gebracht wurde. Stunden nach ihrer Entführung veröffentlichte die Hamas das inzwischen berühmte Video, in dem Shiri die beiden Jungen auf dem Arm trägt, während sie von Bewaffneten umringt ist. Im Februar veröffentlichte die israelische Armee zwei weitere kurze Videos, die wenige Tage nach ihrer Entführung aufgenommen wurden. Darin sind bewaffnete Männer zu sehen, die Shiri und die Kinder in ein Fahrzeug zwingen. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden die drei von der militanten Gruppe Kataib al-Mujahideen als Geiseln genommen, während Yarden von der Hamas entführt wurde.
Seit Monaten kursieren Gerüchte über das Schicksal von Shiri, Ariel und Kfir – insbesondere nachdem sie während des ersten Waffenstillstandsabkommens im November 2023 nicht zurückgegeben wurden, als alle anderen Kinder aus der Gefangenschaft der Hamas entlassen wurden. Trotz der Behauptung der Hamas, dass Shiri und ihre Söhne bei einem israelischen Luftangriff in Gaza getötet worden seien, und obwohl der IDF-Sprecher Daniel Hagari während einer Pressekonferenz im Februar „große Besorgnis um ihre Sicherheit“ zum Ausdruck brachte, gab es von israelischer Seite nie eine endgültige Erklärung zu ihrem Schicksal.
Selbst als die Hamas ankündigte, dass ihre Leichen im Rahmen der ersten Phase des aktuellen Geiselabkommens zurückgegeben würden, wurde keine unabhängige Überprüfung durchgeführt.
Da es keine offizielle Bestätigung gab, hielten Freunde und Verwandte der Familie Bibas unerschütterlich an der Hoffnung fest, dass Shiri, Kfir und Ariel noch am Leben sein könnten, und forderten die Öffentlichkeit auf, diesen Glauben nicht aufzugeben. Mehr als 500 Tage lang inspirierten die beiden rothaarigen Jungen eine weltweite Welle der Solidarität – orangefarbene Luftballons wurden in den Himmel steigen gelassen, Unterstützer trugen orangefarbene T-Shirts, und Rothaarige in den sozialen Medien posteten zu ihren Ehren.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. Februar 2025