Serie: Soll die Universität Göttingen von einem islamismuskritischen Professor gesäubert werden?, Teil 2
Matthias Küntzel
Hamburg (Weltexpresso) - Prof. Beisiegel, geboren 1952, ist seit gut 30 Jahren als Naturwissenschaftlerin in der Friedensarbeit engagiert. 1989 war sie Co-Herausgeberin der in der Schriftenreihe „Wissenschaft und Frieden“ publizierten Broschüre „Weiter abrüsten!“ und Mit-Herausgeberin der „Volkszeitung“, die aus der „Deutschen Volkszeitung/die tat“ hervorgegangen war und 1990 in der Wochenzeitung „Freitag“ aufgegangen ist.[3]
Während damals in Folge von Gorbatschows Perestroika zahlreiche alt-linke Positionen neu auf den Prüfstand kamen, blieben die Vorbehalte gegen Israel in großen Teilen der Friedensbewegung und der Linken virulent, wie der bis heute anhaltende Israel-Streit innerhalb der Linkspartei zeigt. Vielleicht erklärt dieser Kontext die Empfindlichkeit, mit der Prof. Beisiegel im Sommer 2014 auf ein Israelfähnchen am Fenster eines Göttinger Universitätsgebäudes reagierte. Sie veranlasste, das Fähnchen unverzüglich zu entfernen, da, so die Begründung ihrer Mitarbeiterin, „eine solche einseitige Bekundung für den jüdischen Staat der ,kulturellen Diversivität‘ der Universität widerspreche.“
Der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften, aus dessen Räumen die Uni-Präsidentin das Fähnchen entfernen ließ, reagierte mit einem Protestbrief an Prof. Beisiegel. „Wenn die Fahne Israels“, heißt es darin, „der Ideologie einer ,kulturellen Diversität‘ dieser Akademie zuwider ist, wenn ihr die einzige bürgerlich-rechtsstaatliche Demokratie im Nahen Osten ein solcher Dorn im Auge ist, spätestens dann müssten doch erste Zweifel an dieser ,kulturellen Diversität‘ aufkommen.“[4] Die Uni-Leitung reagierte hierauf nicht.
Diese Episode, aber auch die biographische Prägung der Universitätspräsidentin legen nahe, dass es zwischen ihr und Salzborn, dessen gemeinsam mit Sebastian Voigt verfasste Kritik am Antisemitismus innerhalb der Linkspartei 2011 für bundesweites Aufsehen sorgte5, politische Differenzen gibt; Differenzen die Prof. Beisiegels Umgang mit dem beliebten Professor jedenfalls plausibler erklären, als das von ihr so eigenwillig interpretierte Hochschulrecht.
Streitpunkt Islamismus/Salafismus
Wir wissen nicht, inwieweit sich Prof. Beisiegel mit den zahlreichen, von der „NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ unterzeichneten Erklärungen identifiziert. Sicher ist, dass sie als langjähriges Beiratsmitglied zum Führungskreis jener Initiative gehörte, einer Initiative, die bei verschiedensten Gelegenheiten die mit dem Islamismus verbundenen Probleme heruntergespielt hat.
2004 war Ulrike Beisiegel Erstunterzeichnerin des Aufrufs „Stillhalten ist tödlich“, der in der Parole „Schluss mit der Komplizenschaft von Krieg und Terror“ gipfelt, ohne zu erklären, worin die hier suggerierte Zusammenarbeit zwischen al-Qaida und amerikanischen Militärs besteht. Anstatt des gescheiterten „Krieg gegen den Terrorismus“ müsse man auf eine „faire Kooperation vor allem mit den Ländern … der arabisch-islamischen Welt“ setzen, hieß es da.[6]
Anfang 2009 unterstützte ihre Initiative eine Erklärung zum Krieg im Gazastreifen, welche die damalige israelische Militäroperation „Gegossenes Blei“ nicht mit dem hundertfachen Raketenbeschuss Israels durch die Hamas, sondern mit „einem israelischen ,Masterplan‘“ erklärte, nach dessen Vorgabe die Situation bewusst eskaliert worden sei. Unter der Überschrift „Eingreifen und Handeln“ rief die Erklärung „zur Unterstützung des Engagements von freegaza.org und zur Entwicklung eigener Strategien (auf), die die Blockade des Gazastreifens durchbrechen“.[7]
2012 schließlich unterzeichnete die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative eine Erklärung, die mit Verweis auf „Israels Atomarsenal“ Verständnis für die iranischen Rüstungsanstrengungen weckte, und dazu aufrief, die Nuklearsanktionen gegenüber dem Iran zu stoppen.[8]
Dass Salzborn auch bei diesem politischen Topos deutlich abweichende Positionen vertritt, ist evident. So arbeitete er in seinem Aufsatz „Unheimliche Allianzen“ die Gemeinsamkeiten von Neonazis und „islamischen und arabischen Extremisten“ heraus und machte diese u.a. an der „Unterstellung einer jüdischen Weltverschwörung“ fest.[9]
Natürlich ist an der politischen Biographie der Universitäts-Präsidentin oder ihrem politischen Engagement nichts auszusetzen. Dies wäre nicht der Rede wert, gäbe es da nicht ihren bemerkenswert hartnäckigen Versuch, Salzborn loszuwerden. Erst in diesem Kontext erhält ihr politisches Profil Gewicht. Es verstärkt den Eindruck, dass es bei der Entlassung Salzborns um eine Säuberung der Universität, um die Beseitigung eines gegenläufig-kritischen Geistes geht. Dieser Verdacht wird durch eine in Hannover angesiedelte Episode noch verstärkt. Fortsetzung folgt
Anmerkungen
[3] Ulrike Beisiegel und Rainer Rilling (Hg.), Weiter abrüsten! Friedliche Wege in die Zukunft, Marburg 1989 sowie Arne Kapitza, Transformation der ostdeutschen Presse, Opladen 1997, S. 91.
[4] Schreiben des Fachschaftsrat Sozialwissenschaften an der Uni Göttingen an Prof. Beisiegel vom 9. August 2014.
[5] Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, Antisemiten als Koalitionspartner?, in: Zeitschrift für Politik, 58. Jahrgang, 3/2011, S. 290-309.
[6] http://www.friedenskooperative.de/ramstein.pdf .
[7] http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/005454.html .
[8] http://www.friedenskooperative.de/themen/iranerkg.htm .
[9] Samuel Salzborn, Unheimliche Allianzen. Antiimperialisten, Palästinenser und Rechtsextreme gegen Israel und die Juden, in: Deutsche Polizei, Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei, Oktober 2014, S. 6.
Foto:
Die ehrwürdige Universität, bei deren Nennung einem immer automatisch sozusagen die Göttinger Sieben ins GEdächtnis fallen. weshalb die folgenden Bilder sie als Zeichnung und Denkmal (mit prominenter Begleitung) zeigen.