150 Jahre Okkupation Frankfurts – kaum erinnert, Teil 2/5


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Unter den Römern schon gab es die Proskriptionslisten. Mit diesen wurden von den Unterworfenen Vermögen eingetrieben, mit denen die Militäraktionen finanziert wurden. Stefan Behr beschrieb das in seinem Beitrag zur Okkupation (‚Fellners Liste‘, FR 16.07.2016).

Ganz im Stil unfrei zu haltender  Presse wurde die ‚unfreundliche Presse‘‚ ‚von diesen Demokraten‘ mit ihren ‚Wühlereien‘ (Bismarck) in der Freien Stadt verboten, Zeitungen und Journale, die Senats- und Bürgerversammlung aufgelöst. Der streitbare und beißend humoristische Friedrich Stoltze, der im Gegensatz zum Militärpreuß´ Geist und Witz besaß - welcher ihn mit den Rheinländern verbindet -, weilte schon in Stuttgart.Die preußische Zensur hielt lange, wurde erst nach der Reichsgründung 1872 aufgehoben.


Die geforderte Kontribution - Sold für ein Jahr preußische Heerunterhaltung - des Eduard Ernst Friedrich Hannibal Vogel von Falckenstein betrug 5,8 Mill. Gulden (ca. 58 Millionen Euro; das entsprach dem damaligen Bedarf Frankfurts über 2 Jahre; Gewicht: 77 Tonnen Silber in 8 Waggons). Frankfurter Banken streckten vor. Sein baldiger Nachfolger im Amt Edwin Karl Rochus Freiherr von Manteuffel forderte in einer ersten Amtshandlung 25 Mill. Gulden (ca. 250 Mill. Euro). Für den Fall der Unbotmäßigkeit wurde gedroht, die Stadt zu bombardieren und zu brandschatzen.


Das Gegenbild der Trias, des Dritten Deutschland


Der Mittag mit geeigneten rheinischen Soireeweinen klang aus mit den Ausführungen von Volker Gallé. Einem eigenwilligen Humor entsprechend wurde in Frankfurt auf Karten der Zusatz beigefügt:  ‚o.p.‘ (ohne Preußen/sans Prusse). Der Frankfurter Humor hat Ähnlichkeiten mit dem rheinischen, er ist ähnlich unbotmäßig, knoddert auch gern gegen die kleinen und großen Ungereimtheiten des Lebens. Nebenbei noch: damalige Frankfurter hielten österreichische Staatspapiere.


Eine wichtige Trennung, ja Teilung ist die zwischen links- und rechtsrheinischem Naturell. Linksrheinisch bedeutet Republik, liberale und egalitäre Gesinnung, Fasnacht, Humor, eine lockere und entspannte Grundhaltung. Nicht der preußisch-militärische Ungeist setzt die Norm, sondern der Weingeist. Rechtsrheinisch lauert der Saupreiß, der autoritäre Staat, die völkische Gesinnung, es grenzt sich leichter aus, lässt sich leichter herabblicken. Der Lieblingssport der Preußen war, die nicht so stromlinienförmigen Eingeborenen rücksichtslos zu unterwerfen und dienstbar zu machen.


Das Dritte Deutschland wären zunächst die Rheinbund-Staaten gewesen, die Weinregion, eben ein ganz anderes Naturell als das preußische. Zwischen 1806 und 1813 traten die Fürsten nach und nach bei. Gallé propagiert eine unabgeschlossene kontrafaktische Geschichtsschreibung. Es bestand keine Alternativlosigkeit zur Reichsgründung, sondern auch die Alternative einer Entscheidung durch ein anderes Naturell von Menschen. Daneben hätte es auch den Süddeutschen Bund mit Bayern, Baden und Sachsen, Hessen-Darmstadt und Frankfurt gegeben, der mitvorherrschen hätte können. Einer anderen supranationalen Entwicklung hätten die Mittelrheinbundstaaten zum Sieg verhelfen können. Die Zeit der Trias lag zwischen 1763 und 1866. Daher ist 1866 keine Kleinigkeit.


Die Trias hätte den Nationalismus gebrochen und dem Föderalismus mehr Einfluss gegeben. Es gibt eine Diffamierungskampagne des Nationalismus und Zentralismus gegen die vermeintliche Schwäche der föderalen Praxis, diskreditiert als Chaos, Zwietracht, Eifersüchtelei und Hühnerhof. Gallé meint, so sprächen die Füchse über die Hühner. Jedenfalls ist die Humorlosigkeit von Despoten das eigentliche Problem der Welt, sie können Zwischentöne und Schwebezustände nicht ertragen, wollen alles auf eine Seite pressen, die Menschheit kujonieren. Eine Tragödie war der frühe Tod König Friedrichs des III., dem Hoffnungsträger der republikanisch gesinnten Gesellschaft. Mit ihm wäre ein Zusammenschluss liberaler Mittel- und Kleinstaaten vielleicht doch gelungen.

 

Foto: Totenmaske Karl Konstanz Viktor Fellner, (c) Wikipedia


Info:  

 
‚150 Jahre Okkupation, Warum spielt der Juli 1866 keine Rolle im öffentlichen Bewusstsein?‘, Sonntag, den 17. Juli 2016 im Festsaal des Studierendenhauses der Universität Frankfurt, Mertonstraße 26-28.- Einleitung: Anton Stortschilov, ‚Die Besetzung und ihre Auswirkungen‘, Referat: Volker Gallé, ‚Masken der Freiheit – der unterdrückte Impuls der Republik‘; Beiträge: Brigitte Holdinghausen: ‚Hintergründe des Selbstmordes von Bürgermeister Victor Fellner‘, Katharina Süs: ‚Friedrich Stoltze und die preußische Okkupation‘, Moderation: Harry Bauer (ex undogmatische linke), Veranstalter: Tommy Kimmig und Harry Bauer


Buchempfehlung: Carl Amery, ‚An den Feuern der Leyermark‘ (gebraucht)
*) ‚Preußens Griff nach der Reichsmacht‘, Horst Dieter Schlosser, FR 02.07.2016)