Im Übrigen stellen wir den Antrag, dass das Nachtflugverbot aufzuheben ist.
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 7.000 Fluggäste strandeten in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli nach Angabe des Flughafenbetreibers Fraport in Frankfurt, weil ihre Maschinen nach 24:00 Uhr nicht mehr abheben durften.
Wegen heftiger Gewitter hätten es 25 Maschinen trotz Ausnahmegenehmigung, also der Ausweitung der Starterlaubnis um eine Stunde von 23:00 Uhr auf 24:00 Uhr, nicht mehr geschafft abzufliegen. Deswegen kritisiert der Fraport-Vorstand das „unverhältnismäßige“ Beharren der Behörden auf den festgeschriebenen Zeiten des Nachtflugverbots. Doch dieses Verlangen nach „mehr Flexibilität“ ist dreist. Zum einen aus juristischen Gründen, zum andern auch deswegen, weil es mit ständiger Regelmäßigkeit und in erkennbarer Absicht vorgetragen wird.
Man ist an den römischen Politiker Marcus Porcius Cato den Älteren (234 - 149 v.Chr.) erinnert. Dem wurde nachgesagt, er hätte jede Rede mit der Bemerkung begonnen: „Im Übrigen stelle ich den Antrag, dass Karthago zerstört werden muss.“ Zum Ende seiner Amtszeit kam es dann tatsächlich zum Dritten Punischen Krieg. Dieses Beharren auf eigentlich sinnlosen Forderungen ist als „Catensische Strategie“ in die Geschichts- und Militärwissenschaft eingegangen. Auch Fraports indirekte Kriegserklärung an die Hessische Landesregierung ist nicht neu und sie verstößt eindeutig gegen die Betriebserlaubnis des Flughafens. Darin ist klar geregelt, dass das Stranden von Passagieren aufgrund von Fehlern im Flugzeug-Management zu keiner Ausnahme über O:00 Uhr hinaus berechtigt.
Am Montag nach den Vorfällen wurde der Druck auf das Verkehrsministerium zusätzlich durch die Fluglinien verstärkt. Condor erklärte, dass insbesondere wegen der unverständlichen Nachtflugregelungen Langstreckenmaschinen nunmehr bevorzugt in München stationiert würden. "Das Wachstum findet dann nicht mehr in gleichem Maße in Frankfurt statt", erklärte ein Condor-Sprecher.
Und die Lufthansa schloss sich dem an: "Das schadet dem Standort Frankfurt." Insgesamt 41 abgefertigte Maschinen hätten ihre Passagiere am Freitag wieder aussteigen lassen müssen, darunter hätten sich fünf Langstreckenjets der Lufthansa befunden.
An solche Reaktionen ist man mittlerweile gewöhnt, aber sie sind und bleiben nicht akzeptabel. Denn das Geschäftsmodell von Fraport funktioniert nur mit Umsteigern, die nicht aus der Region, sondern in der Regel von weither kommen. Auf dieser Prämisse beruhen seit Jahren sämtliche Investitionen in zusätzliche Start- und Landebahnen und Terminals. Jedwede Bedenken der Fluglärmgegner wurden damit vom Tisch gewischt. Denn die wirtschaftliche Entwicklung Frankfurts und der gesamten Rhein-Main-Region verlange nach anderen Prioritäten.
Vor diesen Hintergründen erscheint bereits das Erteilen einer Ausnahegenehmigung als ein Angriff auf die Menschenrechte tausender Anwohner. Schließlich wurde deren ohnehin knapp bemessene Nachtruhe bereits um eine weitere Stunde gekürzt.
Obendrein werden mit solchen Begehrlichkeiten Ursache und Wirkung in manipulativer Absicht verdreht. Denn die Luftfahrt zählt zu den größten Mitverursachern der Klimaveränderung, welche die von Jahr zu Jahr heftiger werdenden Unwetter hervorruft. Doch dem nicht genug: Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber genießen sogar noch ein weiteres Privileg: Kerosin wird im Gegensatz zu anderen fossilen Brennstoffen nach wie vor nicht besteuert.
In strikter Befolgung der catensischen Strategie leitet Fraport aus der systematischen Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen sogar seinen Anspruch ab, ungehemmt weiterzumachen. Dieser lässt sich ohne diplomatische Verrenkungen etwa so formulieren:
Wir sind der größte Klimakiller, deswegen ist es recht und billig, dass wir auch für die Folgen nicht herangezogen werden. Der Flugverkehr (korrekterweise das in ihn investierte Kapital) ist auf einen unbegrenzt verfügbaren Luftraum angewiesen. Dem haben sich andere Interessen unterzuordnen. Denn Geld regiert die Welt. Das halten die Schwarzen für richtig, mittlerweile auch die Grünen und die Blass-Roten klammheimlich auch. Der Rest ist zu vernachlässigen.
Staatssekretär Mathias Samson (Grüne) aus dem Verkehrsministerium signalisierte bereits Bereitschaft, sich mit den Beteiligten an einen Tisch zu setzen. Dort sollte darüber nachgedacht werden, „ob sich die Abläufe am Flughafen noch weiter optimieren lassen". Er betonte aber auch: "Die Regeln des Nachtflugverbots werden nicht aufgeweicht."
Ob sich unter den Beteiligten auch die um ihre Gesundheit und Lebensqualität Betrogenen befinden werden, steht dahin. Sie scheinen bekanntlich jener Rest zu sein, auf den es nicht ankommt.
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