Manfred Coppik war ein Mensch des planetarischen Langzeiterfordernis`=Gerechtigkeit


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit der Anspielung, aus dem ‚roten Offenbach‘ angereist zu sein, wurde man als Kind konfrontiert, wenn der Verwandtschaft vom Dorf es gefiel, einen aufzuziehen – obgleich das Dorf der Ort der Geburt war. In dieser Zeit begab es sich auch, den Vater von Manfred Coppik als Biologielehrer zu bekommen, der ein Mann gänzlich ohne schulmeisterliche Attitüde war.


Der mit 72 Jahren in der vergangenen Woche verstorbene Manfred Coppik stand für den Typ des unkorrumpierbaren Politikers - etwas ganz Seltenes im heutigen Politikbetrieb; vor allem: er war in einem eminent politischen Sinn unbestechlich. *)


Sehr gerne aufmerkend hat man all die Jahre Meldungen über den mutigen Werdegang Manfred Coppiks verfolgt (ohne ihn persönlich zu kennen), die ihn als einen Mann mit Rückgrat erwiesen. Er war politisches Vorbild im besten Sinn, kein Luftikus und Chamäleon im Stil eines Sigmar Gabriel, von dem man sich unentwegt fragt, was er im Verlauf seiner politischen Karriere noch so alles zum besten geben wird. Gabriel gehört zur Sorte Politiker, die dazu tendieren, Meinungen feilzuhalten.


150 Trauergäste waren auf den Friedhof Offenbach-Bürgel gekommen, um dem integren Menschen Manfred Coppik das ehrende letzte Geleit zu geben. Angeführt wurde es durch eine im Ton des Vermächtnisses gehaltene Strophe Erich Frieds:


Zu den Menschen
vom Frieden sprechen
und dabei an dich denken
Von der Zukunft sprechen
und dabei an dich denken
Vom Recht auf Leben sprechen
und dabei an dich denken
Von der Angst um Mitmenschen
und dabei an dich denken -
ist das Heuchelei
oder ist das endlich die Wahrheit?

Reden
(Leseprobe aus: Es ist was es ist, Gedichte, 2002, Wagenbach)


Zu Beginn der Trauerreden klang an, dass Manfred Coppik eine nach weiter oben führende Karriere offengestanden hätte, wäre er ein Stück flexibler geworden, wäre er noch etwas pragmatischer von seinen Grundsätzen abgewichen. Er wollte sich aber nicht verunstalten lassen. Er war geschätzt, auch bei politischen Gegnern und Konkurrenten. Jüngere orientierten sich stets an seinen festen politischen Überzeugungen. Bis zu seinem Tod war er Magistratsmitglied für Die Linke.



Geboren in Wirren

Manfred Coppik wurde am 1. November 1943 in Bromberg (Polen) geboren. Prägende und formende Stationen seines Lebens waren: 1958 Übersiedlung in die Bundesrepublik, 1961 Eintritt in die Sozialdemokratie, 1963 Hochschulreife, dann Jurastudium, 1971 Niederlassung als Rechtsanwalt, 1972 Erlangung des Direktmandats für den deutschen Bundestag, dem er bis 1983 angehörte. Er wurde zum ‚Offenbacher Rebell‘ wegen des Nato-Doppelbeschlusses und aufgrund seiner Kritik an Helmut-Schmidts Wirtschafts- und Sozialpolitik. 1982 verließ er die SPD.


Er gründete die Demokratischen Sozialisten mit und unterstützte das Wahlbündnis Friedensliste, in dem sich um die Mitte der Achtziger Jahre politische Gruppierungen links der SPD zusammenfanden. Er war Bundessprecher der Friedensliste.


Nachdem er kurzzeitig Grünen-Mitglied war trat er 1993 wieder in die SPD ein. Doch wegen des deutschen Militäreinsatzes im Kosovo-Krieg 1999 verließ er sie im selben Jahr wieder. An der Gründung der neuen Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG), die die Partei Die Linke hervorbrachte, war er maßgeblich beteiligt. Dieser Partei trat er 2005 bei. Seitdem war er in diversen Funktionen auf Kommunal- und Landesebene für die Partei Die Linke tätig.


‚Richtiges Leben‘ nimmt immer auch dramatische Züge an, der Gefangenenchor aus Verdis Nabucco, der nach den einleitenden Worten zu seinem Leben erklang, könnte von ihm ausgewählt worden sein - wie wohl der gesamte Ablauf, die Auftrittsfolge zur Trauerfeier vorher von ihm festgelegt wurde? Als echter Offenbacher war er auch mit dem Offenbacher Fußball verbunden durch seine Anwesenheit in Block 3. Besonders beeindruckte er öffentlich durch seine unprätentiöse Präsenzhaftigkeit, seinen Kenntnisreichtum und eine unbedingte Verwurzelung in der sozialen Gerechtigkeit.


Die in den Sechzigern so sehr erkannte Differenz von Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit hat ihn getrieben und das Moment der Reibung an der Realität in sein politisches Leben vermittelt. Das Recht begriff er nie als bloß formal einzuhaltende Forderung, denn als vorrangig im Licht der Gerechtigkeit besehen. Was gebührt einem Leben, um es im Stand menschlicher Würde (Ernst Bloch) leben zu können? Er war angetrieben von der Erarbeitung der Strukturen einer gerechten Welt, insofern auch immer mit Blick auf das Los der ‚kleinen Leute‘.


Er wurde in den Reden anlässlich seines Todes als klug, streitbar, als ein stets kritischer Geist geschildert, der aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse vor allem auch Berater und Ratgeber, Freund und Weggefährte wurde. Auch wenn er bloß taktisch eingefädelten Mehrheitsbeschaffungen abgeneigt war, so konnte er doch sich offen zeigen, wenn etwas erreicht werden konnte. Unverbrüchlich blieb er der Anwalt der ‚kleinen Leute‘.


Als Genosse, Anwalt und Freund konnte er zuspitzen, hart in der Sache sein, aber er trat nie verbitternd auf, wenn er den Kampf für eine bessere Welt focht. Dieses große Ziel, das er vor Augen hatte, ist, wie schon angedeutet, der Sozialdemokratie heutiger Prägung verloren gegangen.
Zum Schluss der Trauerreden wurde der Song ‚Imagine‘ von John Lennon eingespielt.

 

Foto: Manfred Coppik (d) Die Linke


Info:
Trauerfeier für Manfred Coppik am 29. September 2016 um 14.00 Uhr auf dem Friedhof in Offenbach-Bürgel, Arendsstraße 10. Sein Grab findet sich unschwer in dem neuen Geviert, das dem Alten Portal (in der Arendsstraße) gegenüber am anderen Ende des Friedhofs zur Linken liegt; dort angekommen dann im hinteren rechten Winkel.

*) Ein krasses Beispiel für politische Bestechlichkeit inklusive wirtschaftlichem Vorteil hatte sich kürzlich Steffen Kampeter (CDU) geleistet, der nach fliegendem Wechsel ins Amt des Hauptgeschäftsführers der BDA jetzt gegen die Sorgfaltspflicht für Unternehmen bei Auslandsgeschäften Front macht, nachdem er an den eigenmächtig von Schäuble herangezogenen Vertragstexten mitgearbeitet hatte, die den Ländern des Südens zum Schaden gereichen werden. So zerstört man ein Weltsystem. (Profit statt Menschenrechte, Monitor 08.09.2016)