Bei Maybrit Illner verfällt er am 01.12.2016 wieder in die alte Leier und rechtfertigt Hartz IV


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine altbekannte Leier ratterte von der Unausweichlichkeit der Agenda2010/Hartz IV-Reform und begründete diese vordergründig mit der gerechtfertigten, sinnvollen Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Katja Kipping, Parteivorsitzende von Die Linke musste den Kopf schütteln, durfte aber nichts einwenden.

Dass mit der Zusammenlegung eine versicherungsrechtliche Position geschleift wurde, unterschlug Gabriel geflissentlich. Es wird hingebogen, wie`s passt.


Die Agenda 2010 und Hartz IV war ein Enteignungs- und Raubzugsprogramm der Gruppe um Gerhard Schröder, mit dem die Finanzmärkte der Wetten und Spekulationen befüllt wurden, ohne gesellschaftliche Werte zu schaffen. Die Menschen haben umsonst gearbeitet: für die Aufblähung des Finanzsektors. Die Unternehmen haben Schröder die Senkung der Unternehmenssteuern nicht gedankt. Das lag auch daran, dass die Weltkonjunktur vor 2005 lahmte und die Investitionen lieber in die sich aufbauende Immobilienblase strömten. Roland Koch ersehnte US-amerikanische Investitionen in Deutschland. Vorenthaltene Löhne wurden gehortet und den Finanzmärkten überreicht. Es wurde nicht in Arbeit investiert, sondern in „Finanzinnovationen“.


Die unteren Vierzig Prozent haben heute weniger als vor 15 Jahren, 17 Millionen sind arm, seit Mitte der 1980er Jahre gab es praktisch keine Steigerung der preisbereinigten mittleren Verdienste mehr. SPD und Grüne haben die Degradierung des nahezu hälftigen Anteils der Gesellschaft vorangetrieben. Als eine der Folgen stellt sich nun heraus, dass der Ungeist von Pegida und AfD einen Aufstieg erlebt, der eine verunsicherte Gesellschaft zu zerbrechen droht, auch weil die Zerwürfnisse in Europa mit dem deutschen Lohnunterbietungswettbewerb erst richtig in Fahrt kamen. Mit ‚Arbeitsmarktreformen‘ und Deregulierungen wurde der Finanzkapitalismus auf die Gesellschaft gehetzt. Beides passte Spitz auf Knopf, um das ganze europäische System in Schieflage zu bringen. Gerade wurde Hillary Clinton, einer Lobbyistin der Wall-Street, die Absage erteilt.

 


Versprechen über Versprechen - gebrochen


Und was hat Sigmar Gabriel vor der letzten Bundestagswahl nicht alles versprochen! Die energieintensiven Unternehmen sollten ihre Rabatte verlieren, damit die EEG-Umlage nicht allein bei den Kleinen Leuten hängenbleibt. Das Gegenteil hat er bewirkt. Er hat die Dreckschleudern erst recht begünstigt, so dass sie sich nochmals weniger energieeffizient verhielten und damit jenen ein Mehr an Subventionen verschafft. Panorama3 titelte am 26.05.2016: ‚Energiewende absurd: Klold_images/resizedImages/small_imagesetz belohnt Stromverschwendung.jpg`. Die Abfüller von Billigwasser in Einwegplastikflaschen profitieren vom Plastikabfüllboom. Mit all den Folgen für die Umwelt, die Gewässer, das Klima und die Meere (mit Polyethylenen in der Zahnpasta). Aber was wäre von einer Gesellschaft auch anders zu erwarten, die immer mehr von den Plastikwörtern des Bologna-Prozesses beherrscht wird.


Auch Rüstungsexporte in Krisenstaaten wollte Gabriel in Schranken weisen. Was hat er gemacht? Er hat weiter die Waffen geliefert, mit denen Saudi-Arabien in diesem Moment den Jemen zertrümmert, bis kein Stein mehr auf dem andern bleibt (‚1000 Luftangriffe und mehr, Die Golfstaaten legen das Armenhaus der Arabischen Welt in Schutt und Asche‘, FR 22.09.2015). Den Klimaschutzplan 2050 von Barbara Hendricks hat er ausmanövriert und zerfleddert, obwohl Afrika unter dem El Niño leidet und hungert, der in einer Weise, die nun auch Afrika betrifft, eine Folge des globalen Klimawandels ist, für den die Industriestaaten die Hauptverursacher sind.


Der Braunkohleabbau und die CDU gingen in Blockadehaltung. Absehbar werden die klimapolitischen Ziele für 2020, aber auch 2050 verfehlt. Derweil klagt ein peruanischer Bauer gegen RWE, weil es dazu beiträgt, sein Dorf und seine Behausung zu bedrohen. Das Ausbremsen der Energiewende ist ein Geschenk an die Konzerne und ihr fossiles Modell, das sie weiterverfolgen wollen, aber auch an Kommunen, die als Anleger bedient werden möchten, während sie dadurch gleichzeitig das Stadtklima belasten (so neutralisiert sich auf dem Anlegesektor fast alles zum Nullsummenspiel). Entgegen früherer Bekundungen, dringender Notwendigkeiten und schon gefasster Pläne wird rückabgewickelt, typisch für das Schwarz-Rote Projekt. Besser täte Gabriel, wenn er die Braunkohle-Arbeitsplätze hurtig abwickeln und die Bergbaubeschäftigten zu Landschaftspflegern umschulen würde. Dann wären die Löhne gut angelegt und das Abrippen der Haut der Mutter Erde gestoppt.

 


12 Jahre Hartz IV


Vor zwei Jahren, als Hartz IV 10 Jahre alt wurde, zog man verschiedentlich Bilanz über Sinn und Unsinn von Hartz IV. Wir recherchierten im Archiv. Frontal21 bilanzierte am 08.12.2014: Durch Hartz IV sind keine Vollarbeitsplätze entstanden, lediglich prekäre. Oft endet es im 1-Euro-Job in der Bahnhofsmission. Qualifikationen werden weggewischt. Der prekäre 1-Euro-Job bleibt zeitlich begrenzt, dann muss wieder gewartet werden. Nicht selten: fünf Mal im 1-Euro-Job. Währenddessen soll die Familie vom Lehrlingsgehalt der Tochter leben (‚Bedarfsgemeinschaft‘). Tochter muss Taschengeld zahlen. Zu viel wird im Topf des Amtes für anderes verwendet, das der Selbstrechtfertigung der Ämter und deren Beschäftigung mit sich selbst dient.


Zu Weihnachten dürfen Weihnachtsmänner gebastelt werden. Qualifikation ist abserviert, volkswirtschaftlich verschleudert. Leben mit Hartz IV endet in Hoffnungslosigkeit. Das administrativ Bemühte an Hartz IV erinnert an den Arbeitsdienst.


Die Hessenschau sah sich die Bilanz von Hartz IV genauer an. ‚Vor zehn Jahren ist das Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Kraft getreten. Was hat Hartz IV gebracht?‘ Der DGB sehe das Gesetz skeptisch: die Reform zwinge Arbeitslose schlechtere Arbeit anzunehmen. So habe Hartz IV hauptsächlich dafür gesorgt, dass Arbeitgeber billige Arbeit fanden. Arbeit wurde entwertet, Löhne gedrückt. Busfahrer sprechen, angesprochen, von gezieltem Lohndumping, in Hessen wurde es von Roland Koch durchgedrückt.


Durch verschärfte Zumutbarkeitsbedingungen, in der Aufstiegsära der Bundesrepublik noch sitten- und rechtswidrig, wurden Arbeitende gezwungen, schlechtere Löhne anzunehmen – bei abgesenktem Qualifikationsstandard.


Legendär wurde das Statement von Jörg Czentarra bei Maybrit Illner am 30.09.2010 – das 5-Euro-Statement –, in dessen Kontext der Gedemütigte formulierte: ihm sei die Lebensleistung in den Ofen getreten worden.


Der DGB meldete in hr-hessenschau Kritik an: „Was hat es mit Förderung zu tun, wenn jemand einen besseren Beruf erlernt hat, einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat und aus Druck heraus, finanzieller Not heraus in einen anderen Job oftmals einfacherer Tätigkeiten hineingedrückt wird, dort mehrere Jahre arbeitet: - dann hat das eher was mit Verhindern, Verhinderung zu tun“. Betroffene kämen nur ganz schwierig wieder zurück in den alten Beruf. Ein Effekt von Hartz IV sei: viel Bürokratie. Das bekämen die Hessischen Sozialgerichte zu spüren.


Kurzfassung des aufgegriffenen Falls von Heinrich B. (über 50) – er berichtet- : Er war zu alt, keine Chance. 8 Jahre lang! Dann Glück und Zufall, eine Stelle in seinem Beruf: als Dreher, in Rotenbach, einem Ort bei Gelnhausen. Wie ein Lottogewinn von 500 000 Euro, so habe er gefühlt; gebraucht zu werden, nicht als Mensch zweiter Klasse angeschaut zu werden. 170 Bewerbungen. Unzählige Telefonate, Internet. Dann Job-Center. Stellte sich vor. Chef (Jan Karas) hatte mit seinem Alter kein Problem. Michael Krumbe (Vorstand des Kommunalen Centers für Arbeit) verteidigt: ‚Es ist gelungen‘.


hr-Sprecher: „Für die einen ein Erfolg, für die andern schikanös, ungerecht, eines Sozialstaats unwürdig und obendrein ein Verwaltungsmonster“.