Eine Groteske, die am 20. Januar Wirklichkeit wird


Wolfgang G. Weber

Innsbruck (Weltexpresso) - Als ich, entgegen der menschlichen Natur, meine gottgewollte Nachtruhe bereits um 5.45 Uhr mitteleuropäischer Zeit in der Frühe beendigend, Tee kleckernd und Muffins mampfend am Frühstückstisch saß und – um der transatlantischen Völker- und Finanzfreundschaft Willen – auf den globalisierten Volksempfänger starrte, verstand ich die Welt nicht mehr.


War nun meinen reality-getrübten Augen oder der noch öffentlich-rechtlichen Sende- und Werbeverlustanstalt nicht mehr zu trauen – oder etwa der dort gerade ablaufenden Invasion der Geistesfresser?

Er, ausgerechnet er, hat es doch geschafft, er wurde gewählt oder, seine ultimate Fake News in universalerneuertem Esperanto ausgedrückt: „I wanna be elected!“

Zugegeben, sein Wahlkampf war genial, zwischen sich zermalmend seinen schmierenkomödiantischen Plagiator, den abgehalfterten, Gifts mischenden Mac Beth im Trampelanzug, das Idol der gesunden Volkserfinder, Glücksspieler und Häuslesbauspekulanten, zum einen. Zum andern zerquetschend seine Trivialin, die Wölfin der aufgeklärten Wallstreet, der nichts Besseres einfiel, als den ärmeren Schichten der Bevölkerung – oder denen, die sich vor der Armut in ihrer Geldbörse, jedoch nicht in ihrem Geiste fürchteten – weiß zu machen, dass auch die Billion Dollar Babies ihr Einkommen bescheiden aus Honoraraufträgen von Wirtschaftsverführern und aus Partyauftritten für verarmte Rock- und Bockstars fristen müssen.

Nun denn, das Morgengrauen hat endlich gesiegt, der Wutbürger hat sich statt abgefackelter Marlboros selbst einen Zeitzünder gedreht und: Wer andern eine Grube gräbt, endet am Schluss als akklamierter Bestattungsunternehmer des Gemeinwesens.

So thront er nun, mit Darth Vader im Eupheministerium für Verteidigung zu seiner Rechten, mit Dagobert Duck als Finanz- und Sozialverweser zu seiner Linken und mit dem Treibhaus-Tiger in seinem Tank. Sollte ihn, den von Neid, Habgier, Reinheitsgebot und Lynchlust - kurzum: ihn, den von den biedersten Instinkten Gesalbten, den einst paranoia-kritisch als explodierenden Schädel Verklärten, dann doch einmal der Adventure-Breitensport übermannen und sollte er kosmospolitisches Sensation Seeking erleben wollen, dann gilt für uns alle, die wir katergebeugt an den billige(nde)n Zuschauertischen im Bürger-Restaurant am Rande seines Universums wie die Lemmynge auf ihn starren: Do not panic, do not panic!

Denn wir dürfen daran glauben, dass der Rote Knopf, der ihm und seiner neu verbeamteten Generalität, den ketch-up-geschmückten Mad Dogs vom Sous-Verän, dem Wahlleutevolk angedreht wurde, inzwischen mit braunem Samt überzogen sein wird. Er wird den Trigger somit nicht verfehlen und sei er auch noch so ein pathologischer Trampel im Alltagsleben. Dann wird es nicht mehr heißen, wie weiland zu Beginn seiner Unterhaltungsunternehmerkarriere „schools out for summer!“ – nein, dann werden die Backgroundzero Sirenen dröhnen: „SCHOOLS OUT FOREVER!“

Lasset uns aber auch diesmal, wie immer bei solchen in Auerbachs Kellern gebrauten technisch-politischen Innovationen, auf die Herausforderungen und Chancen schauen, auf das sich darin verbergende Gute, Schöne und die Mysterien der Ware, wie es uns Dr. Seltsam empfahl: Wir werden dann, als gute Demokraten, stille Teilhaber an der großen Transformation sein und dürfen uns, ganz im Geiste der Postmoderne Fukujama’s und Fukushima’s, am Freudenfeuerwerk zum Ende der Geschichte erhitzen.

Ja, um 7:43 Uhr war mir dann endgültig klar geworden, das gemeine Volksempfinden ist mit mir zusammen erwacht, nun wird endlich zurückgeschissen, der kleine Ballermann und die kleine Hampelfrau dürfen nun ihren abgrundtiefen, heiligen Gefühlen endlich wieder freien Lauf lassen – Zielscheiben werden kostenlos am Hinterneingang der neuen Machthaber ausgeliefert. Niemand hätte es mehr gedacht, das Unverstellbare ist nicht nur vorstellbar, sondern sogar selbstwirksame Reality geworden: Bereits weit abgeschlagen hinter den beiden millionengeschwängerten Präsidentschaftskandidaten hat er in letzter Minute, allen Demoskopen und Gutmenschen zum Trotz, den letzten, aber finalen Trumpf, „a new party, a third party, the wild party!“ aus dem Ärmel gezogen:

In seiner grauenhaftesten Maske unter allen seinen bisherigen grauenhaften Verkleidungen, in seiner abgrundtiefsten, menschenverachtenden Horrorshow unter seinen unbezahlbaren Bluttheatern ist er nun, als getarnter, twitterlancierter Wechselbalg, zuletzt doch noch US-Präsident geworden: Er, unser Mega-TV-Killer, unser Billion Dollar Baby, unser „I got you under my wheels“-Shakespeare für Gehörlose: The one and only Alice Cooper.

Freudig stimme ich nun in den Chor der dafür bezahlenden Millionen ein, lasst die morschen Knochen wieder zittern, lasst die digital sedierten neuen Kälber wieder um den goldenen Rock tanzen, Shake, Battle and Roll: „Tief in dir fühlst du dich hier zuhause – welcome to my nightmare, welcome to my breakdown“ endlich: Our Alice is elected!

 

Foto:(c) noquarterusa.net

Info:

Anknüpfungspunkt  ist Alice Cooper, der bei seinem Auftritt vor 2 Jahren in Innsbruck die (Pseudo-) Parallelitäten zwischen dem zukünftigen US-Präsidenten und den ihn parodierenden Künstler aufscheinen ließ.

nützliche Links:
http://www.atlantasrockstation.com/2016/07/22/alice-cooper-for-president-again/
https://www.youtube.com/watch?v=VoqaZywSPyg
https://www.youtube.com/watch?v=1i4EnjRKVQw

Autoreninfo:
Wolfgang G. Weber ist als Psychologe in Forschung und Lehre in Innsbruck tätig, zuweilen auch als Satiriker.