Wird die NPD nicht verboten?

Kurt Nelhiebel


Bremen (Weltexpresso) - Am 17. Januar will das Bundesverfassungsgericht das Urteil im NPD-Verbotsverfahren verkünden, das der Bundesrat am 3. Dezember 2013 angestrengt hat. Die Ländervertretung handelte unter dem Eindruck der Mordserie des so genannten nationalsozialistischen Untergrunds, dem zehn Menschen zum Opfer fielen.

Die Bundesregierung hielt nach den Worten ihres Sprechers Steffen Seibert einen eigenen Verbotsantrag nicht für erforderlich. Sie unterstützte die Länder aber bei ihrem Vorhaben. Auch der Bundestag beteiligte sich nicht an dem Verbotsverfahren.

Ein von der Bundesregierung unter Gerhard Schröder beantragtes Verbot der rechtsradikalen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands scheiterte 2003 aus formalen Gründen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts konnte nicht geklärt werden, welche der zum Beweis der Verfassungswidrigkeit vorgelegten Aussagen der NPD zuzuordnen seien und welche auf das Konto von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der Partei gingen. Das Gericht schuf damit ein Kriterium, das in den Verbotsverfahren gegen die Kommunistische Partei Deutschlands und gegen die neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) Mitte der 1950er Jahre keine Rolle gespielt hat. Beide Verbote waren politisch gewollt. Sie sollten der Bundesregierung unter Konrad Adenauer den Rücken freihalten bei der umstrittenen deutschen Wiederbewaffnung.

Die NPD wurde Mitte der 1960er Jahre als Auffangbecken für versprengte Anhänger des rechten Spektrums ins Leben gerufen. Spektakuläre Wahlerfolge verhalfen ihr auf Anhieb zum Einzug in sieben Landtage. Ähnlich wie jetzt die Alternative für Deutschland (AfD) stand sie lange im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Der Sprung in den Bundestag gelang ihr jedoch nie. Ins Blickfeld geriet sie wieder im Zusammenhang mit der erwähnten Mordserie, deren Verlauf  eine gewisse Einäugigkeit von Polizei und Verfassungsschutz bei der Beobachtung rechtsextremistischer Umtriebe offenbarte. Die Frage, ob ein Verbot der NPD politisch anzustreben sei, wird seit mehr als 40 Jahren kontrovers diskutiert. Eine Rolle spielte dabei unter anderem, dass die Grenzen zwischen Rechtsaußen und der Mitte der Gesellschaft stets fließend waren.

Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über den Verbotsantrag des Bundesrates im März des vergangenen Jahres ging es unter anderem um die Frage, ob eine Partei mit verhältnismäßig geringer Mitgliederzahl die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat sich gegenüber rechtsextremistischen Hetzern bisher sehr großzügig verhalten. Als die Bundesregeierung zu Beginn der 1970er Jahre verlangte, dem Herausgeber  der „Nationalzeitung“, Gerhard Frey, das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit zu entziehen, weil seine Publikationen einen „aggressiven Antisemitismus“ offenbarten, scheiterte sie damit in Karlsruhe. 2004 machte das Bundesverfassungsgericht der NPD den Weg frei für eine Kundgebung gegen den Bau einer Synagoge in Bochum, die von der örtlichen Polizei und dem zuständigen Oberverwaltungsgericht verboten worden war. Begründung: Die Ausübung der Meinungsfreiheit dürfe nicht unter den Vorbehalt gestellt werden, „dass die geäußerten Meinungsinhalte herrschenden sozialen oder ethischen Auffassungen nicht widersprechen“. (1 BvQ19/04).

Drei Neonazis, die „Ausländer raus“ gefordert hatten und von zwei Gerichten wegen Volksverhetzung verurteilt worden waren, blieben am Ende ungeschoren, weil das Bundesverfassungsgericht entschied, ein Angriff auf die Menschenwürde sei nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen  werde. Zwar mache ein Plakat mit der Aufschrift „Ausländer raus“ unmissverständlich deutlich, dass die dafür Verantwortlichen Ausländer „rückführen“ wollten, der Umfang und die Mittel würden jedoch nicht benannt. „Dem Plakat ist daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden.“ (Beschluss vom 5. 3. 2010).

Wenn es stimmt, dass das Bundesverfassungsgericht  das Menschenwürdeprinzip aller Voraussicht nach zum Fundament des jetzigen Verfahrens gegen die NPD machen wird, wie  nach Abschluss der ersten Karlsruher Verhandlungsrunde vermutet wurde, dann müsste sich das Gericht mit seiner eigenen Rechtsprechung auseinandersetzen und für den Fall eines Verbots über seinen eigenen Schatten springen. Nach Medienberichten halten sowohl die klagenden Länder als auch die Bundesregierung ein Verbot für unwahrscheinlich.

 

Foto: Karikatur von (c) Conrad Taler. Sie enstammt  dem DAS ANDERE DEUTSCHLAND Nr. 9/1969 und reagierte auf den im Artikel genannte damaligen Verbotsantrag. Der Text ist leider kaum zu lesen. Auf der Lehne oben steht: BONNER POLITIK , das Beil trägt die Aufschrift VERBOT. Dagegen ist die Fußsohle mit NPD gut lesbar - wobei einem natürlich Wolf Biermann mit seiner musikalsichen Metapher des Fußabhackens in den Sinn kommt. Die Unterschrift lautet: "Nein, diese Grausamkeit bring' ich nicht übers Herz!"