Subprime-Immobilien-Crash und ausgehöhlter Sozialstaat – eine Beziehung, die nicht sein darf!
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In Hessen will man geruhsam mit den Entscheidungen im Bund leben, sofern man nicht direkt beteiligt war. Gleichwohl ist man unweigerlich mit der Zugehörigkeit zu einer Partei mitgefangen, mithangen.
Der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner hält es für unfair, wie die FR verzeichnete, wenn er und seine Partei in Hessen für die Milliardensummen an Mitteln für Rettungen (plus Garantien) mit in Haft genommen werden, sofern der ausgehöhlte Sozialstaat vom Sozialverband VdK in einem Zug mit den Hilfen für die Banken und Investoren in Beziehung gesetzt wird.
Parteien des Besitzbürgermaterialismus gaben der Finanzszene das Geleit
Nun ist die CDU aber als die Partei bekannt, die sich stets auf die Seite des Geldadels schlägt (Volker Bouffier lehnt die Finanztransaktionssteuer ab) und den Großgebilden der Wirtschaft unbegrenztes Vertrauen schenkt, obwohl diese - antidemokratisch wie sie sich stellen - unbedingte Gewalt über das Gemeinwesen beanspruchen - bis hin zum Abgas-Betrug. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird von CDU-Stefan Grüttner auf das Phänomen der traurigen Einzelschicksale abgezogen, also geleugnet. So weit so fragwürdig.
Was aber war geschehen zwischen 2000 und 2008? Ein monetär gewendetes Parteienkartell hat die Finanzmärkte liberalisiert und mit der Deregulierung der Arbeitsmärkte Lohndumping organisiert. Arbeit wurde durch verschärfende und erniedrigende Zumutbarkeitsbedingungen, mit Leiharbeit und Niedriglohn billig gemacht (Fazit der hessenschau 30.12.2014). Und mit der Senkung der Unternehmenssteuern wurde den börsennotierten Konzernen gedient, der wirtschaftliche Erfolg wurde auf die Seite der Unternehmen gelenkt – verblieb dort, gleichzeitig wurde die gesellschaftliche Basis um den Lohn ihrer Arbeit gebracht. Mit den abgezweigten Geldern wurde im Finanz-Casino gespielt.
Die Unternehmen haben nicht investiert (wie Roland Koch bejammerte, ohne die Gründe einzusehen), sie haben nicht der Parole entsprochen: gesenkte Steuern und Abgaben und deregulierte Arbeitsmärkte schaffen Wachstum und Beschäftigung – ein Programm, das sich in der Praxis als erbärmliche Fehlkalkulation herausstellt. Mit den gehorteten Mitteln wurden die Finanzmärkte der Spekulationen und Wetten befüllt, die Subprime-Immobilienblase jenseits des Atlantik aufgepumpt, Kochs beschworene Investitionen strömten in die spanische und irische Immobilienblase. Die Finanztöchter von Siemens wurden höher bewertet als das wertschöpfende Unternehmen. Auch Siemens erlitt im Finanzcrash Verluste.
Die Blase platzte, entsprechend dem Gesetz bewegter Systeme, die unbegrenzt in eine Richtung wirken - bei endlichen Rahmenbedingungen. Der Crash verlangte Rettungen und Hilfen, setzte eine Wirtschaftskrise in Gang, die noch andauert. Die andauernde Wirtschaftskrise ist die dritte - eine fortwirkende - Enteignung. Hundsgemein war, dass ausgerechnet den US-Working Poor Schrottimmobilien aufgeschwatzt wurden, die sie nicht mehr bedienen konnten, als die Werte in den Keller rauschten und die Darlehen umfinanziert werden mussten.
In einem parallelen Prozess hat das Exportüberschussmodell Deutschlands dazu geführt, dass die, die sich in anständiger Arbeit durchschlugen, relativ umsonst arbeiteten, die Inlandskonjunktur zu stottern anfing und Bildung und Infrastruktur – aber auch Familien mit Kindern im Hartz-IV-Bezug - auf Austerität (Vernachlässigung und Aushungern) gesetzt wurden. Aber das ist dem Konservativen nicht unrecht, denn der Untertan soll gequält werden, es darf ihm bloß nicht zu wohl werden.
Rechtspopulisten und ihre Anhänger sind die Reaktion
Investitionen in die Zukunft kommender Generationen bleiben auf der Strecke. Auch wurden mit dem Dumping-Modell die Misshelligkeiten und Zerwürfnisse zwischen den europäischen Staaten erst richtig befeuert, wenn nicht in Gang gesetzt. Mehrfachenteignung der Bürgerinnen und Bürger ist in Europa eine Tatsache und die Rechtspopulisten und ihre Anhänger sind die Antwort darauf. Das hat Gerhard Schröder und jene, die ihm willig folgten, auf lange Sicht bewirkt.
Mit der eingespielt ignoranten Haltung zur Spaltung der Gesellschaft signalisieren die maßgeblichen Parteien und ihre Vertreter auf den Regierungsebenen, dass sie sich entschlossen haben, die eigene Art, soweit sie Abwertung und Erniedrigung erfährt, konträr zur Vorstellung von der Einheit der Menschheit zu verleugnen - ein genuin widerchristliches Motiv, ein im Urchristentum beklagtes Verfallsmotiv, ein Sündenfall. So entstieg Judas auf breiter Front. CDU, SPD, Grüne und FDP haben sich von der Gesellschaft, aus der sie aus Tiefen grenzenloser Zeiten entstanden, abgewandt. Ein Abgrund tut sich auf. Auch die ehemals bürgerrechtlich gesinnten Grünen haben sich hinter der Niedergangsidee versammelt. Selbst die Linke sendet nun verständige Signale an den rechten Rand.
Gerhard Schröder, Aufsteiger vom Dienst, wollte Kanzler der Bosse und Autokanzler sein und bei den tatsächlichen, vermeintlichen oder wenigstens vorgestellten Weltenlenkern oben bei Tisch sitzen und Rabbi genannt werden. Dafür hat er die Seinen geopfert.
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Info:
„Schere zwischen Arm und Reich“, „Der VdK beklagt ‚soziale Spaltung‘ und erntet Widerspruch von Minister Grüttner (CDU)“, FR 12.01.2017
Vergleiche retro: „Das Kapitalverbrechen, Anatomie einer Weltkrise, die gerade erst begonnen hat“, Der Spiegel, 17.11.2008
„Die Zocker AG, Die dubiosen Geschäfte der Deutschen Bank“, Der Spiegel 30.01.2012