Plädoyer für eine klare Position gegenüber Trumps USA

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - US-Präsident Donald Trump repräsentiert etwas weniger als die Hälfte jener Amerikaner, die sich als Wähler registrieren ließen.


Die von ihm berufenen Minister erweisen sich zunehmend als fachlich ungeeignet, einige gar als nicht integer. Seine Desavouierung der Europäischen Union ist faktisch eine Kampfansage; seine Definition der NATO als Söldnerinstitution, die für Geld zu jedem Kampf bereit ist, entspricht seinem neoliberalen Wirtschaftsverständnis. Sein Zündeln am israelisch-palästinensischen Konflikt könnte den Nahen und Mittleren Osten endgültig in die totale Katastrophe führen und eine Flüchtlingswelle auslösen, die einer Völkerwanderung gleichkäme.

Mittlerweile ist die Zustimmung der Bürger zu seiner Politik sogar auf 40 Prozent gesunken; ein Novum in der amerikanischen Geschichte. In einer solchen Situation wäre die Reflektion der eigenen Position das Gebot der Stunde. Es erscheint jedoch als fraglich, ob Trump dazu willens und in der Lage ist. Vor allem übersieht der aus dem halbseidenen Immobilien- und Casino-Milieu Aufgestiegene, dass er faktisch bereits eine Spaltung der Nation eingeleitet hat. Seine Rest-USA, welche die technologisch, wirtschaftlich und intellektuell Abgehängten beherbergen, haben den landesinternen wirtschaftlichen Wettbewerb mit der Ost- und Westküste längst verloren. Es drängen sich Vergleiche auf mit der Situation von 1861, als der agrarisch und feudalistisch geprägte Süden, der auf schwarze Arbeitssklaven angewiesen war, die Union aufkündigte und als Folge der Bürgerkrieg („Civil War“) ausbrach, der während vier Jahren mehr als 600.000 Tote forderte.

Deswegen müsste Europa jetzt ein unmissverständliches Signal aussenden; jenes alte Europa, das bereits der Kriegstreiber Donald Rumsfeld vor 14 Jahren für obsolet erklärte. Ein Beispiel für eine klare Positionsanzeige könnte der französische Publizist und Politiker Jean-Jacques Servan-Schreiber (1924 - 2006) sein. Der hatte 1968 in seinem vielbeachteten Buch „Die amerikanische Herausforderung“ für ein selbstbewusstes Auftreten Europas gegenüber den USA plädiert und sich bereits damals für eine Föderation der europäischen Staaten und eine gemeinsame Währung ausgesprochen.

Doch stattdessen offenbarte sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Befehlsempfängermentalität speziell der deutschen Regierung. Die Bundesverteidigungsministerin beeilte sich, Rüstungsarithmetik zu betreiben und militärische Investitionen für die nächsten Jahre an die Tafel zu malen, die so irrsinnig sind wie die Freund-Feind-Ideologie Trumps.
Deutschlands Zukunft wird beispielsweise davon abhängen, ob der Zustand seiner Schulen schnellstmöglich den Standards eines zivilisierten Landes entspricht. Oder ob seine Verkehrsinfrastruktur, vorrangig die Schienenwege, nicht den durch die Deregulierung der Bahn vorprogrammierten Kollaps erleidet.

Zudem hätte ich von mindestens einem der europäischen Regierungschefs und Minister erwartet, die Amerikaner unmissverständlich darauf aufmerksam zu machen, dass die Durchschnittsbildung ihrer Bevölkerung miserabel, die technische Infrastruktur des Landes weithin katastrophal, das Sozialsystem der Verelendung nahe und die Kriminalitätsquote furchterregend ist. Dass es mithin keinen Anlass für irgendeine Form von Hochmuth gegenüber Europa gäbe. Und zu guter Letzt hätte ein beherztes Regierungsmitglied darauf verweisen sollen, dass einem Staat, in dem die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, im Konzert der Großen allenfalls eine Position am Katzentisch zustünde.

Dwight D. Eisenhower, der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte gegen Nazi-Deutschland und spätere 34. US-Präsident (1953 - 1961), wandte sich in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 gegen die Vorherrschaft jenes militärisch-industriellen Komplexes, den Trump favorisiert. Eisenhower sagte damals:

„Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“

Dieser Satz hätte vor dem Hintergrund der aktuellen amerikanisch-europäischen Irritationen als Motto über der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz stehen sollen. Aber dazu hätte es des Muts ehrenwerter Männer und Frauen und eines Hauchs demokratischer Verwegenheit bedurft. Beide Tugenden aber waren in München nicht vertreten.