Kurze und innige Feier in Frankfurt: Gedenktafel für Fritz Bauer an seinem ehemaligen Wohnhaus enthüllt, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Bedeutung von Fritz Bauer für die deutsche Geschichte führte dann die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD)  aus, die anschließend zusammen mit dem Ortsvorsteher die Gedenktafel an seinem Wohnhaus Feldbergstraße 48 (Foto) enthüllte.



Die Tafel gefällt, der Text ist kurz, eingängig und richtig: „Als hessischer Generalstaatsanwalt initiierte Fritz Bauer den ersten Frankfurter Auschwitzprozess (1963-65), in dem ein deutsches Gericht die Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verhandelte. Frankfurt verneigt sich vor seinem Mut und seiner Entschlossenheit.“

Fritz Bauer war der Aufklärung verpflichtet und hoffte auf die junge Generation, deren Kenntnis der Vergangenheit die Voraussetzung für demokratisches Handeln ist, wie seine Kellergespräche im Hessischen Rundfunk überliefern. Er ist übrigens 1961 auch Mitbegründer der Humanistischen Union, die heute den nach ihm benannten Fritz-Bauer-Preis verleiht. Der erste Frankfurter Auschwitzprozeß diente dem Ziel, die Deutschen mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren, damit aus der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen ein Lernprozeß einsetze, der für nicht wenige eine Resozialisierung bedeutete, an die Fritz Bauer glaubte. „Aufklärung, nicht Vergeltung und nicht Rache, war sein Anliegen“, betonte Ina Hartwig, die dezidiert auf die 50er Jahre und das damalige politische Klima für einen linken Sozialdemokraten in Frankfurt einging.

1957 hatte Fritz Bauer DAS VERBRECHEN UND DIE GESELLSCHAFT herausgegeben, das noch heute Zeugnis gibt von dieser, seiner Rechtsauffassung, wie er überhaupt in der Bundesrepublik frühzeitig für eine demokratische Justiz und eine Straf- und Strafvollzugsrechtsreform kämpfte, die erst viel später allmählich umgesetzt wurde. In Erinnerung wird der politisch-moralische Fauxpas des damaligen noch jungen CDU-Abgeordneten Helmut Kohl bleiben, der den Antrag der Landesjugendrings von Rheinland-Pfalz, die Schrift von Fritz Bauer „ Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“ als Broschüre an die Schulen zu geben, mit dem ‚Argument‘ abbügelte, der zeitliche Abstand vom Nationalsozialismus sei zu gering, um sich darüber ein abschließendes Urteil bilden zu können. Das hat der Historiker Helmut Kohl 1962 tatsächlich gesagt und dieser ungeheuerliche Satz sollte viel häufiger zitiert werden.

Und dann versteht man den Fritz Bauer gewidmeten Naturstein vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt NUR DIE SPITZE DES EISBERGS, der wie ein Eisberg aus dem Boden ragt und von Tamara Crcic gestaltet wurde, noch besser, denn er fußt auf dem Bauerzitat: „Sie müssen wissen, es gibt einen Eisberg und wir sehen einen kleinen Teil und den größeren sehen wir nicht.“ Fritz Bauer gehört zu denen, dem die Nachgeborenen verdanken, immer mehr und vor allem tiefer sehen zu können.


Zurück zur Rede der Kulturdezernentin, die Wesentliches zusammenfaßte, gerade, weil sie nicht nur die Vergangenheit beschwor: er habe das Schweigen gebrochen, das auch noch über zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der bundesdeutschen Gesellschaft herrschte und habe durch den Prozeß den Überlebenden von Auschwitz eine Stimme gegeben, weshalb das Schweigen  also auch das seitens der Opfer ein Ende hatte.

Heute weiß man, welche gesellschaftspolitische Wirkung dieser Prozeß hatte. Als Frankfurter Schüler und Studenten sind wir in das Bürgerhaus Gallus gepilgert und ob der Kälte und Unverfrorenheit der 22 Angeklagten, Personal im KZ Auschwitz, zugehörig der Lager-SS, auch Totenkopf-SS genannt, hilflos und empört gewesen.

Daß Fritz Bauer auch vom Versteck Adolf Eichmanns in Argentinien erfuhr und dies an Israel weitergab, weil er wußte, daß die deutschen, noch immer von Alt-Nazis beherrschten, zumindest beeinflußten Behörden Eichmann eher warnen als verhaften würden, spricht sich auch herum. Der Hessische Ministerpräsident Georg August Zinn (SPD) wußte sehr gut, warum er den aufrechten und rührigen sozialdemokratischen Juristen aus Braunschweig nach Hessen geholt hatte. Fritz Bauer hat ihn nie enttäuscht.

Aufmerksam war Zinn auf Bauer durch einen früheren Prozeß geworden, der wie der Auschwitzprozeß bundesdeutsche Geschichte schrieb: der Remerprozeß von 1953 in Braunschweig. Den hatte Fritz Bauer als Generalstaatsanwalt von Braunschweig selbst geführt und erreicht, daß das Gericht das Dritte Reich als einen Unrechtsstaat festschrieb und in Folge nicht nur die SS-Witwen weiter Rente bezogen, sondern auch die Witwen der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944, die bis dahin als Vaterlandsverräter galten.

Ina Hartwig hatte also völlig recht mit ihrer Bemerkung: „Den Namen Fritz Bauer sollte jedes Schulkind kennen“. Denn wir sind wohl gesellschaftspolitisch in einer Phase, da nicht allein die Aufarbeitung des Nationalsozialismus angesagt ist, sondern auch die Art und Weise, wie in der Nachkriegszeit lasch und verschleiernd damit umgegangen wurde, was Fritz Bauer empfindlich und nachhaltig störte. „Die Gedenktafel soll nicht nur an Fritz Bauer erinnern, sondern auch ein Appell an uns heute sein. Denn in einer Zeit, in der rechtsradikale Strömungen an Stärke gewinnen, ist uns Fritz Bauers Vermächtnis Ansporn und Verpflichtung zugleich“, schloß die Frankfurter Kulturdezernentin.



Foto: Farbenfrohe Enthüllung  © Claudia Schulmerich

Info:

www.fritz-bauer-film.de

Teil 1
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