Erste Eindrücke vom Start der Berlinale
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Schnell noch einen gesunden Öko-Burger vom Street Market und dann ab ins Weddinger Krematorium, dem alten Prachtbau mit der großen Kuppel.
Ins Krematorium?
Ja, diese riesige klassizistische Anlage wurde nach der Wende stillgelegt, ist mittlerweile das kolossale Kunst-, Kultur- und Atelierzentrum „Silent Green“ geworden und ebenfalls eine Spielstätte der Berlinale.
Im Kuppelraum werden die experimentellen und, ehrlich gesagt, ziemlich schwierigen Filme der Sektion Forum Expended präsentiert. Künstler drängten in die Kinos, und Filmleute wollten raus, meinte Dieter Kosslick (wer sonst?) süffisant zur Eröffnung der parallel laufenden Ausstellung „Anti-Kino“. Die herausfordernde Show in den morbiden Gemäuern ist kein Angriff auf das Kino, sondern eine der vielen Antworten auf dessen neue Entwicklungen. Das Krematorium macht die große Bandbreite der Festspielhäuser deutlich, zugleich aber auch die mutige Grenzüberschreitung des Festivals zur zeitgenössischen Kunst.
Erst gestern Abend begann wirklich die Berlinale, ich kann noch keine bestimmten Erlebnisse thematisieren, sondern nur frische Eindrücke wiedergeben: Etwa die E-Autos des Festivals sind türkisfarben nicht blau, wie ich gestern schrieb. Nach wie vor schlafen viele Cineasten vor den Kassen in den warmen Arkaden, um morgens ihre Wunschkarten zu bekommen. Vor der Pressekonferenz der Wettbewerbs-Jury probt hinter mir Joe Schück die Anmoderation von „Aspekte“.
Es ist großartig, meine Lieblingsschauspielerin Juliet Binoche als Jury-Präsidentin zwei Meter weit entfernt zu erleben. Draußen stehen die Filmfans lange in der Kälte, um sie oder andere Stars wenigstens von weitem zu erblicken - meine Arbeit ist schon sehr privilegiert. Jury-Mitglied Sandra Hüller („Toni Erdmann“) wünschte sich selbst zum Ende der Konferenz, die Wettbewerbsstreifen aufmerksam und ohne Wertung zu schauen: das ist auch mein Anspruch!
Gespannt bin ich, wie diese Jury entscheiden wird, bereits der Eröffnungsfilm „The Kindness of Strangers“ setzte als modernes Großstadtmärchen gute formale und inhaltliche Maßstäbe.
Foto:
Eindrücke von der Pressekonferenz der Internationalen Jury
© Hanswerner Kruse