
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie vergänglich ist Ruhm. Wie viele kennen heute schon Giorgio Strehler nicht mehr? Mehr Menschen als er verdient, der auf der Höhe seines Ruhms als Regisseur ein europäischer Spitzenstar war – und ein Liebesobjekt für viele.
Eigentlich hatte ich ihn in Mailand verortet, wo ich in der Oper Inszenierungen unter dem Dirigat von Claudio Abbado und Riccardo Muti von ihm sah - und ihn einmal persönlich erlebte, wie auch in Bregenz auf der Seebühne am Bodensee, wo er inszenierte, aber lese nun, daß er ein waschechter Trientiner ist. Im Buch allerdings steht Triestiner. Aha, da bin ich mir selber aufgesessen und meinen Kenntnissen des Tridentiner Konzils, von denen es ja im 16. Jahrhundert drei gab, die folgemächtig die Gegenreformation der Katholischen Kirche einleiteten auf die Abspaltungen und Unverschämtheiten eines Martin Luthers und anderer hin. Also Tridentiner oder Triestiner? Dann doch lieber Triestiner. Aber das Rechtschreibprogramm weiß es noch besser: Nur Triester oder Tridentiner wäre richtig!

Strehler auf jeden Fall hatte eine französische Gr0ßmutter, einen slawischen Großvater, die miteinander verheiratet waren, bei mütterlichen Verwandtentreffen wurden mehrere Sprachen gesprochen...“Meine Bildung, meine Denkungsart sind austro-ungarisch, wenn man so will habsburgisch“, sagt Strehler über sich selbst. Das hat Agnese Colle, wie Luther schreibt, für eine Ausstellung genauestens recherchiert und dokumentiert und wenn wir heute von Freizügigkeit in der EU sprechen, so muß man wissen, daß es in Österreich-Ungarn schon einmal so war. Tolle Geschichte, wie dann noch die Vaterfamilie Strehler, ursprünglich aus Wien, das Multikulti aufmischt und sich in Triest erst einmal aus geschäftlichen Gründen zur Führung des Verdi-Theaters zusammentut. Die Liebe folgt. Und der Sohn Giorgio auch. Aber als er drei Jahre alt ist, stirbt der Vater, „ein Österreicher aus Wien, ein sehr schöner Mann, groß und blond..“

Der Weltbürger Strehler habe, kaum habe er gemerkt, „daß sein Gegenüber aus derselben Region stammte, konsequent im Triestiner Dialekt“ gesprochen, so verbunden blieb er der Heimat. Aber ist das nicht genau das Wesentliche, als Weltbürger in der Welt unterwegs zu sein, aber eine Heimat zu haben, sie zu fühlen und hin, also heim, zu dürfen, wenn man will.
Fortsetzung folgt.
Fotos: Giorgio Strehler
Info:
Helmut Luther, Österreich liegt am Meer. Eine Reise durch die K.U.K. Sehnsuchtsorte, Amalthea Verlag, 2017