a riccardo illyHelmut Luther, Österreich liegt am Meer. Eine Reise durch die K.U.K. Sehnsuchtsorte, Amalthea Verlag, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Claudio Magris, Träger des Deutschen Buchpreises 2009, ist eigentlich Germanistikprofessor, aber eben auch ein berühmter Autor, der von seiner Heimatstadt TRIEST aus die Idee von Mitteleuropa seit Jahren beschwört.

Nein, Triest ist dabei nicht Mittelpunkt, sondern einer der Grenzorte, wo die germanische, romanische und slawische Welt einander begegneten, sich ‚durchmischten‘ und auch die verschiedenen Religionen über Jahrhunderte friedlich nebeneinander lebten (191). Doch wir können nicht kopflastig nur die wichtigen Männer – wo bleiben die Frauen? - aus Luthers Buch herausklauben, weil wir sie gut kennen.

Die Reise durch das ehemalige Kakanien bietet nämlich viele sinnliche Genüsse, von denen das Buch von Helmut Luther nicht schweigt. Und Claudio Magris ist Stammgast im Caffè San Marco, eine Art Platonische Akademie und ein Kakanienrelikt, wohin er auch seine Post schicken läßt. Und beim Thema Caffè sind wir beim Kaffee, denn dem Kult um die braune Bohne erweist der Autor seinen Respekt, abgesehen davon, daß er sich in einer Art Praktikum bei Illy auch als barista hat ausbilden lassen, es zumindest versuchte. „9,5 Bar Druck, 91 Grad Wassertemperatur...exakt dreißig Sekunden Extraktionsdauer.“, das war sein Lernergebnis, das er jetzt nur noch anwenden muß. Kaffe und Triest. Immerhin fallen in Triest jährlich bis 2,5 Millionen Säcke Kaffee an, der Durchschnittstriester hat den doppelten Kaffeeverbrauch eines Durchschnittsitalieners: nämlich zehn Kilo pro Kopf oder 1500 Tassen Kaffee. Der Grund fürs Kaffeegeschäft ist logistischer Natur, den Hafen von Triest hatte Maria Theresia einst zum größten am Mittelmeer aufgerüstet.

Und spricht man von Kaffee und Triest, kommt die Synthese: ILLY. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand den charakteristischen Schriftzug in Rot nicht kennte. In der Triester Via Flavia 110 ist der Hauptsitz von Illy, wo es 1899 mit einer Kaffeerösterei und einer Kaffeeuniversität begann. Das war Francesco Illy, der als Tischlersohn aus Temeswar im Banat, heute Rumänien über Wien nach Triest kam. Anna Rossi-Illny ist heute Ehrenpräsidentin und Witwe von Ernesto, des Sohns von Francesco, der übrigens eine deutsche Mutter hatte. Ernesto war das Genie in der Familie, er richtete unter den Büros die Kaffeerösterei ein, das Vakuumverfahren für die Bohnen und die automatische Kaffeemaschine mit heißem Wasserdampf seien seine Erfindungen. Heute gibt es 800 Angestellte und 400 Millionen Euro Jahresumsatz .

Was wir selbst wissen, ist, daß Illy auf allen fünf Kontinenten für besonders guten Kaffee bekannt ist. Es heißt, die Illy-Mischung bestehe aus neun reinen Arabica-Sorten und zum Glück schmeckt das eben überhaupt nicht nach der sauren Brühe, die von Amerika kommend in den Bechern ühineinschwappt und – man kann es nicht fassen – sogar getrunken wird.

Doch, man kann sich an Illycaffè zwar nicht richtig betrinken, aber richtig berauschen schon. Auch, was den Unternehmergeist angeht. Rund um den exquisiten Kaffeegenuss hat das Unternehmen eine ganze Welt von Raffinesse, Erfahrung, Geschmack, Wissenschaft und Kunst aufgebaut. Heute verkauft Illy neben dem Kaffee auch Kaffeemaschinen, Designertassen und Zubehör. Das illy Universum reicht bis zu ‚espressamente‘ illy, einer weltweiten Franchise-Kette im Stil typisch italienischer Kaffeebars, sowie einem Netzwerk internationaler Top-Baristas, die den Titel Artisti del Gusto – Geschmackskünstler – führen dürfen. Wichtig, daß Illy als erstes Unternehmen weltweit die Auszeichnung “Responsible Supply Chain Process” des DNV (Det Norske Veritas) ein, die illy die Nachhaltigkeit der gesamten Kette – vom Bauern bis zum Konsumenten – bestätigt.

Aber Triest und Illy ist nicht durch den Kaffee allein definiert. Denn uns geht es noch stärker um Riccardo Illy, geb. 1955, der im Buch leider leider nicht vorkommt. Er war oberster Boß von Illy, bis er in der Politik immer höher stieg, sogar Präsident der Region Friaul-Julisch Venetien wurde. Sein Bruder Andrea kam an die Spitze des Unternehmens und Riccardo mischte politisch die Region auf. Denn er kandidierte nicht auf Seiten derer, die normalerweise die Mehrheit haben, das eher rechte Lager, sondern auf Seiten der Linken. Und er wurde gewählt. Heute kann man sich das kaum mehr vorstellen, daß einem das wie ein anderes Land, ein anderes Leben vorkam, als er damals gewählt wurde. Auf dieser Ebene hielt er die Stellung bis 2008. Dann unterlag das Mitte-Links-Lager den Berlusconileuten. Leider, aber nicht das war in dieser eher rechten Gegend sensationell, sondern daß es Riccardo Illy seit 1993 immer wieder geschafft hatte, überzeugend Wähler zu gewinnen.

Und daß man, bzw. ich mit ihm persönlich über seine politische Arbeit reden konnte, hat mit der Biennale von Venedig zu tun. Denn seit jeher galt während der tollen Pressetage im Illy-Kaffeeraum im Arsenal und in der Kaffeebude in den Giardinis die Einladung für die Journalisten, sich bei Illy auszuruhen und mit Kaffee Energie zu tanken. Damals war Riccardo Illy zweimal – 1993 und 1997 - gewählter Bürgermeister von Triest. Und das dritte Mal gab es nur deshalb nicht, weil gesetzlich verboten. Riccardo ließ es sich nicht nehmen, uns auszuschenken. Schnell kam man ins Gespräch, Thema war damals immer und immer wieder der unsägliche italienische Ministerpräsident Berlusconi, für den sich jeder Italiener, mit dem man sprach, schämte. Leider habe ich den Kontakt nicht gehalten, denn heute weiß ich zu wenig darüber, wie das weiterging, mit der politischen Arbeit von Riccardo Illy, die als Wahlamt 2008 endete.

Riccardo war auch für die Firma wichtig gewesen, weil das phantastische Marketing, mit dem Illy ein Synonym für Genuß und Kaffekultur und richtige Lebensart wurde, von ihm ausging. Sein Buch „Kaffee. Von der Bohne zum Espresso“, wurde ins Englische, Französische und Deutsche übersetzt. Und die Ehrendoktorwürde in Politikwissenschaft der Universität Triest wurde ihm auch verliehen. Hintergrund sind seine ‚lectio doctoralis‘ zur Osterweiterung der Europäischen Union. Ach ja, dann war er auch noch ab 2001 Abgeordneter im italienischen Parlament und versuchte immer in seiner Person, so etwas wie Unabhängigkeit für Wähler zum Ausdruck zu bringen.

Das mußte jetzt einfach sein, auch wenn Riccardo überhaupt nicht vorkommt im Buch von Helmut Luther, was ein Versäumnis ist, denn er setzt ja politisch fort, was seine Vorfahren aus Rumänien und Ungarn nach Italien brachten: Mut, Entschlossenheit, Weltbürgertum und die Tugend des Sicheinmischens.

Irgendwie sind wir beim Rezensieren bei Triest hängen geblieben. Aber, wie am Anfang ausgeführt, ist die Vielzahl der Themen, der Orte und Personen so vielfältig und zahlreich, daß wir lieber an einigen Personen vorführen wollten, wie auf knappem Raum für den Leser das Bild einer früheren Epoche aufscheint, die noch heute das Leben des ehemaligen Teils des gewaltigen Habsburger Reiches auszeichnet.

Foto: Riccardo Illy © alchetron.com

Info:
Helmut Luther, Österreich liegt am Meer. Eine Reise durch die K.U.K. Sehnsuchtsorte, Amalthea Verlag, 2017