c janeaustenDas Leben der Jane Austen. Zum 200ster Todestag

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auch wenn es oft eine lästige Pflicht ist, haben Jahrestage doch ihr Gutes. Im Voraus spornen sie die Journalisten/Autoren an, des Jahrestages zu gedenken. Die Autoren sehr viel früher, denn die Journalisten wie wir haben bis zum Jubiläumstag Zeit.

Aber wir haben inzwischen das eine oder andere Buch, das zum Jubiläum, diesmal der Jane Austen, erschienen ist, gelesen. Die Auswahl ist groß, manchmal geht es eher um Nebensachen, beispielsweise GÄSTE UND FESTE bei Jane Austen, oder es wird eine Fortsetzungsgeschichte kreiert, die alle sechs vollendeten und veröffentlichten Austen-Romane weiterführt. Eine Neuübersetzung gibt es auch, die VERNUNFT & GEFÜHL lautet und nicht VERSTAND UND GEFÜHL, was ein großer Unterschied ist. Und dann ist da noch EINE ENTDECKUNGSREISE DURCH IHRE WELT, bei der man viel Neues erfährt, vor allem aber ist wichtig die Biographie von Rebecca Ehrenwirth und Nina Lieke, BY A LADY. DAS LEBEN DER JANE AUSTEN, erschienen bei Lambert Schneider.

Jane Austen ist bekannt und durch viele Verfilmungen ihrer Romane noch bekannter geworden; von den Romanen sind die bekanntesten: 1811: Verstand und Gefühl (Sense and Sensibility), 1813: Stolz und Vorurteil (Pride and Prejudice), 1814: Mansfield Park und 1816: Emma.

Wir sehen das Schreiben der Jane Austen in größerem Kontext. Für uns gehört die 1775 – also noch vor der Französischen Revolution – Geborene in einen Zusammenhang mit weiteren englischen Schriftstellerinnen, die ihr Schreiben auf den Büchern der Jane Austen aufbauen, auch wenn sie selbst sogar deren Romane für langweilig und abwegig hielten: die Schwestern Brontë, Töchter eines irischen Pfarrers. Die Älteste Charlotte (1816-1855) - Jane Eyre - wurde ein Jahr vor Jane Austens Tod geboren. Aber sie konnte damals im verbürgerlichten 19. Jahrhundert nicht mehr als Frau schreiben, sondern nannte sich Currer Bell. Ihre Schwester Emily Brontë mit dem Pseudonym Ellis Bell - Wuthering Heights, Sturmhöhe - wurde 1818 geboren und die weniger bekannte Anne, die auch als Bell schrieb – Agnes Grey - zwei Jahre später. Emily lebte nur bis 1848, Anne bis 1849.

Literaturgeschichtlich kann man an den Büchern der Austen und denen der Schwestern Brontë sehr gut die Unterschiede in den Wirklichkeiten und den Sehnsüchten von Frauen Ende des aufklärerischen 18. Jahrhunderts und des romantiksüchtigen frühviktorianischen Bürgertums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkennen. Was aber die Literatur selber angeht, so ist es sehr viel ergiebiger, die Romane der Austen zu lesen, als ihre recht spärlichen bekannten Lebensumstände zu erforschen. Aber so sind wir, daß wir nicht mit den Werken zufrieden sind, sondern mehr über die Verfasser wissen wollen. Das Duo Ehrenwirth und Lieke hat dies mit Jane Austen solide bewältigt. Sie lassen auf der einen Seite keinen Zweifel daran, daß wenig an tieferen Informationen vorhanden ist und versuchen damit ihre Kindheit (1775-1786), die Jugendzeit (1787-1794), ihre Geburt als Schriftstellerin (1795-1799), „Gast im fremden Land“: Entwurzelung und Heimatlosigkeit (1799-1809), ihren literarischen Durchbruch (1810-1817 und ihr Nachleben bis heute zu gestalten. Man kann sagen, daß Jane Austen erst im 20. Jahrhundert außerhalb von England so richtig berühmt wurde. Erst dann wurden auch ihre späteren Werke verlegt und kamen so spät unters Volk.

Das gilt nicht für England, wo Janes Schwester Cassandra (die die Briefe der Jane vernichtete) und Bruder Henry die beiden letzten Romane KLOSTER NORTHANGER und DIE ELLIOTS noch im Todesjahr veröffentlichen ließen, die sich beide gut verkauften. Interessant, wie die Literaturkritik darauf reagierte. Im Ganzen positiv, aber wie schön, daß wir das in der Biographie auch wörtlich lesen können: „Alles in Allem können Miss Austins (sic!) Werke gefahrlos empfohlen werden, nicht nur als die untadeligsten ihrer Klasse, sondern auch weil sie in bedeutendem Maß Belehrungen mit Vergnügungen kombinieren, auch ohne Ersteres zu sehr zu betonen, worüber wir uns beschwert haben, da dies manchmal das Gegenteil bewirkt.“ (177), schreibt Richard Whately, der dann zudem Jane Austen mit Homer und Shakespeare vergleicht und dies darauf zurückführt, daß sie wenig von sich selbst erzählt und stattdessen „dem Narrativ einen dramatischen Hauch“ gibt “mittels häufiger Konversationen, die sie in genauer Abstimmung mit den Figuren führt, was kaum von Shakespeare übertroffen wurde. So vortrefflich wie er unterscheidet sie die Narren von den Vernünftigen; ein Verdienst, das sehr außergewöhnlich ist.“ Übrigens war vor allem Walter Scott ein ausgesprochener Fan der Jane Austen und schrieb ihr literarisches Fingerspitzengefühl zu, während er nur „das große Gekläffe beherrsche“ wie jeder andere heutzutage.

Und dann ist in England nach 1818 bis 1933 nie wieder ein Buch von Jane Austen gedruckt worden. „In Deutschland wurde Jane Austen erst spät bekannt; ihre Romane waren lange ein Geheimtipp. Vollständig in deutscher Übersetzung erschienen sie daher auch erst zwischen 1977 und 1984.“ (178) Auffällig wird in unserer Zeit, wie viele Autoren auf sie und ihr literarisches Personal, insbesondere Mr. Darcy, rekurrieren und daraus Folgeromanen, ja ganze Serien machen. Drei bekannte Krimiromanautoren – ein Mann und zwei Frauen - sind dabei ebenfalls involviert: Reginald Hill , P.D. James und Val McDermid.

Heute allerdings sind vor allem die Verfilmungen ihrer Romane mit Starschauspielern große Erfolge. Die als Parodie gemeinte Vorlage STOLZ UND VORURTEIL UND ZOMBIES kam 2009 heraus und wurde 2016 verfilmt – übrigens richtig gut gemacht und überhaupt nicht abwegig, eine Mischung aus ländlichem Leben von höheren Töchtern und ihrer Einübung und Meisterschaft in Martial Arts, worauf vor allem der Vater großen Wert legt, damit die Mädchen auf dem Land gegen jeden Mann und jeder Gewalt gewappnet sind. Frech und witzig.

Das Buch schließt überraschend: Zitiert wird W.H. Auden, der in seinem Gedicht A LETTER TO LORD BYRON von 1936 eine Lobpreisung der Romanschriftstellerin singt und dann Lord Byron auffordert:

„Aber sag Jane Austen, wenn Du Dich traust,
Wie sehr ihre Romane hier unten geliebt werden.“


Info:
Rebecca Ehrenwirth, Nina Lieke, By a Lady. Das Leben der Jane Austen, Verlag Lambert Schneider