Nicht die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 2/30
Manfred Schröder und Gerhard Wiedemann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ausstellungskataloge habe gegenüber den textstärkeren Wissenschaftsbüchern oft den Vorteil für den interessierten Laien oder etwas laienhaften Fachmann, daß sie durch die Koppelung von Bildern der Ausstellungsexponate und schriftlichen Erklärungen eine große Anschaulichkeit erreichen. Auch nach dem Ende der konkreten Schau.
AUFRUHR 1225! RITTER, BURGEN UND INTRIGEN hieß die Ausstellung in Herne, die auf einen Schlag das gesamte Mittelalter der Region zum Thema machte und zeigen konnte, wie ein einziges Ereignis, ein Mordfall die Geschichte der Region fortan bestimmte. Es war der tödliche Überfall auf Erzbischof Engelbert im Herbst 1225, der in diesem Begleitband zur Ausstellung ausführlich mit den Folgen des tödlichen Hinterhalts geschildert wird. Absolut spannend und wahr dazu! Der Begleitband ist auch deshalb ausstellungsunabhängig, weil er in einer Folge von Essays Einzelfragen von Landschaft und politischem Geschehen untersucht und immer mit Bildmaterial, auch Karten bestückt.
Kurz gesagt geht es darum, sinnlich zu dokumentieren, wie die Menschen im 13. Jahrhundert lebten und welche Überreste an Rüstungen, Kochgeschirr und Kinderspielzeug beispielsweise sich noch finden. Letzteres ist auch darum interessant, weil ja angeblich das Mittelalter keine Kindheit kannte und diese erst eine Erfindung der Moderne sei, woran ja etwas ist, aber eben nicht durchgängig. Ein dicker Band, der auch außerhalb von Ruhr und Rhein interessiert, weil das Mittelalter überall war und Burgen, Räuber und Ritter in deutschen Landen auch.
DER TOD AUF DER SCHIPPE oder WAS ARCHÄOLOGEN SONST SO FINDEN, heißt der Band von Angelika Franz, der im Theiss Verlag erschienen ist und deren Spiegel Online-Reportagen auf Papier bringt. Damit Sie sich damit amüsieren können. Das Tolle ist, daß die Augen leuchten, wenn man zugibt, Archäologe zu sein, daß aber die wenigsten wissen, wie dieser Beruf konkret vor sich geht, wobei man auch zugeben muß, daß es nicht nur unterschiedliche Archäologen – bezogen auf die Zeiträume und Orte – sondern auch innerhalb einer Fachrichtung unterschiedliche Tätigkeiten gibt. Trotzdem: ein Archäologe gräbt. Das macht diesen Beruf interessant.
Daß er immer wieder auch makaber ist, das wissen die Eingeweihten und die Öffentlichkeit erfährt davon nur dann, wenn aufgefundene Tote ihre Geheimnisse preisgeben, sprich der Mörder seine Spuren hinterlassen hat oder mit im Moor versunken ist. Leider ist es auch etwas modisch geworden, nun immer von Archäologie zu Reden und Museen so zu benennen, wo es früher noch Vor- und Frühgeschichte oder Mittelalter hieß. Grundsätzlich und das bringt auch Angelika Franz vor, heißen aber Archäologie einfach die Reste, die vom Leben eines Menschen, eines Dorfes, einer Stadt, einer Gesellschaft übrig bleiben und deren Fund und Deutung uns über das damals stattgefundene Leben Auskunft geben.
Das bedeutet, daß nach einem Erdbeben etwa, das Leben in einer Region vor 1000 Jahren auslöschte, diese Leben wieder lebendig werden läßt und so komisch das klingt, gerade die Toten und die Reste führen uns deren Leben vor Augen. Wenn das Erdbeben gerade geschehen ist, dann wissen wir davon noch von Augenzeugen, aber die Arbeit von Archäologen ist jeweils die gleiche: Suchen, Buddeln, Finden, Analysieren, Interpretieren. Angelika Franz geht quer durch die Geschichte und bringt eben auch die jüngste Vergangenheit aufs Tapet, beispielsweise Hexen oder auch den Kristallschädel des Indianer Jones in Artikeln, die man nicht hintereinander weglesen muß, sondern auch hin und wieder aufschlagen kann.
INFO:
AUFRUHR 1225! RITTER, BURGEN UND INTRIGEN. Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, hrsg. Vom LWL-Museum für Archäologie-Westfälisches Landessmuseum Herne, Philipp von Zabern Verlag 2010
Angelika Franz, DER TOD AUF DER SCHIPPE oder WAS ARCHÄOLOGEN SONST SO FINDEN, Theiss Verlag 2010