Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 4/30
Claudia Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt kaum eine Sportart, die es in die Feuilletons schafft. Wenn, dann Fußball. Kein Wunder, wenn Kunstexperten wie Horst Bredekamp ihre Leidenschaft um Ball und Spiel auch historisch aufarbeiten und veritable Literaturverlage Philipp Lahm verlegen. Wir holen einiges aus den Regalen und ein brandneues Buch dazu.
FUSSBALLKUNST UND FUSSBALLGESCHICHTE
Horst Bredekamp, der gerade in Berlin eine Fotoausstellung über die Nationalspieler im Gropiusbau kunstgeschichtlich untermauerte, ist für sein phänomenales Bildgedächtnis, was Tore angeht, bekannt. Wir müssen doch endlich einmal, seine im Jahr 2006 überarbeitete Arbeit FLORENTINER FUSSBALL: DIE RENAISSANCE DER SPIELE, Wagenbach Verlag aus dem Regal holen und erneut würdigen. Der Grund: Das was derzeit mit dem koreanischen Sängertänzer Psy und seinem Gangam-Style passiert, den alle Welt nachahmt.
Ähnlich nämlich stellen wir uns die Leidenschaft in Florenz vor, wenn zu Zeiten des Stadtfestes CALCIO FIORENTINO im Juni/Juli ein besonderes Spiel wiederaufgeführt wird: jene „Partie, die im Jahr 1530 von Florentiner Jugendlichen im Angesicht der Kanonen Karl V. durchgeführt wurde, um die Belagerer zu verhöhnen und um die Leidenschaft für den Florentiner Fußball nicht einer äußeren Zwangslage zu opfern.“
Horst Bredekamp hat das nicht nur rekonstruiert, sondern hinreißend kulturhistorisch aufbereitet, für Historiker ein Schmankerl, für Kunstgeschichtler ein Bonbon und für Fußballfreunde ein spezieller Spaß, wenn sie sich mit dem Regelsystem vertraut machen. Für alle zusammen eine glänzende Analyse, warum Sport und weshalb welcher Sport massen- und kunstkompatibel ist.
TRAUM UND POETIK DES FUSSBALLS
EIN GANZ GROSSER TRAUM hieß der Film mit dem Untertitel ...oder wie der Lehrer Konrad Koch den Fußball nach Deutschland brachte, was Rainer Moritz als Taschenbuch nachschrieb und im Rowohltverlag veröffentlichte. Das Vorwort hat der DFB geschrieben, und wer nicht weiß, daß das der Deutsche Fußballbund ist, der braucht gar nicht erst weiterzulesen. Die anderen aber finden im Buch das Gefühl von Dankbarkeit wieder, daß es solche Menschen gibt, die gegen die rüden Erziehungsziele der Zeit sich wehren und jungen Menschen den Zugang zu Luft, körperlicher Leistung und Fußball gegeben haben.
Gunter Gebauer hat POETIK DES FUSSBALLS, Campus Verlag als Kulturhistoriker geschrieben. Ob er selber kickt, geht aus seinem Vorwort nicht hervor, nur all das, was dafür spricht, über Fußball zu schreiben, vor allem sich Gedanken zu machen. „Fußball war immer eine Bastion der Männlichkeit“ steht auf Seite 85, dem Kapitel, das lautet: „Was interessiert Frauen am Fußball?“ Uns muß so etwas interessieren, die wir zumindest jedes Heimspiel der Eintracht öffentlich in der Zeitung kommentieren. Denn daß in den letzten Jahren geradezu Revolutionäres passiert mit der Zuschauerzusammensetzung, sieht jeder, der die Pärchen Hand in Hand ins Stadion strömen sieht. Und seit 2006 ist auch der Frauenfußball deutlich gesellschaftsfähiger geworden. Gebauers Buch ist ein Meilenstein auf dem Weg, Fußball wissenschaftsfähig zu machen. Davor muß auch Sepp Maier keine Angst haben. Aber das kommt später.
Info:
Horst Bredekamp, FLORENTINER FUSSBALL: DIE RENAISSANCE DER SPIELE, Wagenbach Verlag 2006
Rainer Moritz, EIN GANZ GROSSER TRAUM, Rowohlt Taschenbuch 2011
Gunter Gebauer, POETIK DES FUSSBALLS, Campus Verlag 2006