Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 15/30
Gerhard Wiedemann und Helga Faber
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da schreibt man einen Artikel, der besonders gut gelungen ist, freut sich an seinen eigenen witzigen Formulierungen, hat ihn schon fast fertiggestellt, da wird der Bildschirm schwarz, dann leuchtet er bunt auf und irgendein Widerling teilt einem aufdringlich mit, daß irgendetwas schon zu 30 Prozent abgeschlossen sei und dann neu gestartet werde. Während man empört darauf starrt, weiß man aber, daß nachher das Nichtgespeicherte als wiederherstellbar präsentiert wird.
Sonst schon. Aber jetzt zum zweiten Mal nicht. Zwar drückten wir auf das entsprechende Zeichen, was aber auftauchte, war nur die schon vor Tagen gespeicherte Überschrift. Was tun? Nein, nicht noch einmal schreiben, das geht vor Wut nicht, aber die Wut irgendwie abarbeiten und da kommen diese Bücher gerade recht, die wir auf einem Stapel als Vermischtes zusammenbanden. Es geht los mit Lebenskunst und geht dann ans Reisen. Braucht aber dafür mehr als einen Artikel.
ZEIT ALS LEBENSKUNST
Natürlich hat der Handgriff nach gerade diesem Buch von Olaf Georg Klein ZEIT ALS LEBENSKUNST, erschienen im Wagenbach Verlag, mit der eben stattgefundenen Situation zu tun, die ja das Gegenteil darstellt. Hier wurde einem Zeit gestohlen, Mühe und so schön gedrechselte Sätze sowieso. Wir hatten dies Buch damals durchgearbeitet, Arbeit steckt schon drinnen, hat ja auch den Autor viel Mühe und Zeit gekostet. Seither blättern wir immer mal wieder zur eigenen Beruhigung darin herum, denn unser Zeitverständnis ist ungeheuer gewachsen, aber unser tatsächlicher Umgang mit Zeit läßt immer noch sehr zu wünschen übrig. Dabei wissen wir alle, zum Beispiel bei sehr ernsthaften Krankheiten, wie viel Zeit auf einmal da ist, wenn es um Existentielles geht.
Klein geht die Zeit auf vielen Ebenen an. „Keine Zeit haben“ ist nur der Anfang, er entlarvt alle diese Sprüche von ZEIT IST GELD und der SCHNELLER- Mentalität, zu der ja schon die kanadische Navy als Alltagsweisheit sagt: „Langsam ist schnell, schnell ist langsam“ und damit schlicht das meint, was wir alle kennen, daß man beim Hasten so viele Fehler macht, daß die Aufarbeitung dieser Fehler länger dauert, als wenn man gleich ruhiger das Ganze angegangen wäre. Dann geht Klein aber tiefer auf die individuelle Wahrnehmung ein, denn das Zeitempfinden ist ein eigenes und das Sparen an Zeit auch. Was er an vielen Beispielen vorschlägt – nein, das Buch ist in keiner Weise belehrend, sondern analytisch angelegt - , ist einfach EIN ANDERER UMGANG MIT DER ZEIT.
Zuvor hatte einen schon das Eingangszitat des (alten) Seneca aufgeschreckt, der sagt: „Der Weise hat, weil er jederzeit und überall sich selbst gehört, immer Zeit. Er liefert sich äußeren Geschäften immer nur auf eine begrenzte Zeit aus.“ Bedenkt man dann noch, wie sehr für Männer und Frauen die heutige Zeit mehr Zeit schenkt, weil Maschinen die damalige Handarbeit übernommen haben, fällt einem auf, ob man das nicht alles umdrehen sollte und seinen Tag mit der geschenkten Zeit beginnen sollte und diese Zählweise beibehalten könnte.
REISE NACH HONGKONG
KULTURKOMPASS FÜRS HANDGEPÄCK heißt es im Untertitel des von F. Hauser herausgebenden Bandes aus dem Unionsverlag in Zürich. Wir haben uns teilweise kringelig gelacht, weil die vielen vielen Autoren, Deutsche, Chinesen, Italiener...uns beispielsweise in „ Schlaflos in Hongkongs Parallelwelt“ ein derart buntes Treiben vorstellen, daß man gut ausgeschlafen sofort dahin aufbrechen möchte. Liest man allerdings weiter, dann kommt so manche Sache heraus, die man lieber zu Hause bei einem guten Glas Wein im Sessel erlesen, als sie in Hongkong erleben möchte. Das Tolle am Buch ist, wie vielfältig eine Welt dargestellt wird, in der es immer wieder auch um Mißverständnisse geht, weil es sich um eine andere Kultur mit anderen Riten handelt.
Info:
Olaf Georg Klein, ZEIT ALS LEBENSKUNST, WAT 632, Wagenbach 2010
F. Hauser, REISE NACH HONGKONG. KULTURKOMPASS FÜRS HANDGEPÄCK, Unionsverlag 2010